Mehmet Öcalan zum Treffen mit seinem Bruder Abdullah Öcalan
Mehmet Öcalan, Bruder des inhaftierten kurdischen Vordenkers Abdullah Öcalan, berichtet über das Treffen mit dem PKK-Gründer auf der Gefängnisinsel Imrali.
Mehmet Öcalan, Bruder des inhaftierten kurdischen Vordenkers Abdullah Öcalan, berichtet über das Treffen mit dem PKK-Gründer auf der Gefängnisinsel Imrali.
Mehmet Öcalan, der Bruder des inhaftierten kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan, berichtete im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA) über das Treffen mit dem PKK-Gründer, das vor zwei Tagen auf der Gefängnisinsel Imrali stattgefunden hat.
„Zum ersten Mal bin ich auf so furchtbare Weise durchsucht worden“
Mehmet Öcalan spricht in dem Interview zunächst von den Bedingungen, unter denen er nach Imrali gebracht wurde. Viele Male sei er körperlichen Durchsuchungen unterzogen worden: „Seit 20 Jahren komme und gehe ich nach Imrali, aber zum ersten Mal wurde ich auf so schlimme und heftige Weise durchsucht. So eine sinnlose Behandlung gibt es nirgends anders. Ich habe mich sehr geärgert, das war absolut inakzeptabel. Nach dem ersten Kontrollpunkt mussten wir noch durch vier oder fünf weitere. Erst danach konnten wir ins Gefängnis. Die Familien der anderen Gefangenen auf Imrali waren auch dabei. Wir wurden voneinander getrennt. In der ersten Gruppe waren die Schwester von Veysi Aktaş und der Bruder von Ömer Hayri Konar, in der zweiten Gruppe waren die Familie von Hamili Yıldırım und ich. Die anderen drei Familien haben ihren beobachteten Besuch in getrennten Räumen durchgeführt, wir waren in dem großen Besuchsraum.“
„Die Bevölkerung von Şengal sollen den Aufbau einer freien Gesellschaft fortsetzen“
Mehmet Öcalan habe seinem Bruder berichtet, dass die Bevölkerung von Şengal ihn und die kurdische Freiheitsbewegung sehr schätze. Daraufhin antwortete Abdullah Öcalan: „Das ist richtig, ich liebe sie auch sehr. Wir können bezüglich der Freiheit von Şengal auf zwei Dinge Bezug nehmen. Erstens Dewrêşê Evdî* und zweitens der Kampf unserer Freund*innen. Von Şengal bis Raqqa hat das ezidische Volk ein Massaker erlebt. Aber wir haben all die Kräfte, die diese Massaker verübt haben, besiegt und es geschafft, Rache für das ezidische Volk zu nehmen. Darüber sind wir glücklich. Ich empfinde unendlichen Respekt vor der Bevölkerung von Şengal. Sie sollen sich nicht mehr sorgen, sondern weiter ihr freies Leben aufbauen.“
„Die Bevölkerung Nordsyriens muss mehr kämpfen“
Der inhaftierte PKK-Gründer gab seinem Bruder Mehmet Öcalan gegenüber auch eine Bewertung über Nordsyrien ab: „Die Bevölkerung Nordsyriens muss mehr kämpfen. Das muss gemeinsam mit den Völkern von ganz Syrien geschehen. Für die Einheit Syriens müssen alle Völker das Zusammenleben gemeinsam aufbauen. Wenn sie das schaffen, dann kann niemand dieses Projekt aufhalten.“
„Das Volk muss seine Aktionen weiterentwickeln“
Auch zu den Hungerstreiks gegen die Isolation Öcalans äußerte sich der 70-Jährige gegenüber seinem jüngeren Bruder: „Hungerstreiks sind eine Aktionsform, sie sollten aber nur bis zu einem bestimmten Punkt angewandt werden. Danach schaden sie allen. Es ist notwendig, dass nun demokratischere Volksaktionen entwickelt werden.“
„Es sind neue Methoden notwendig“
Mehmet Öcalan berichtet außerdem, sein Bruder habe die türkische und kurdische Politik kritisiert: „Er hat unterstrichen, dass sich beide in einer vollständig blockierten Phase befinden, Kriegs- und Vernichtungspolitik aber zu keinem Ergebnis führen werden. Der türkische Staat könne mit seiner Kriegs- und Vernichtungspolitik nichts erreichen, aus diesem Grund seien neue Methoden notwendig. Sowohl der Staat als auch die PKK müssten neue Methoden für eine Lösung entwickeln. Er wiederholte erneut ‚durch Tote kann keine Lösung gefunden werden. Es müssen Methoden, die in den Frieden führen und ihren Fokus auf die Lösung des Problems richten, entwickelt werden. Durch Vernichtungspolitik kann keine Lösung gefunden werden. Wir brauchen Methoden, die zu einem würdigen Frieden führen.“
„Todesfälle haben Familien und mir großen Schaden zugefügt“
Über den Tod derjenigen, die sich während des Hungerstreiks gegen Öcalans Isolation aus Protest das Leben genommen haben, sei Öcalan besonders traurig, erklärt Mehmet Öcalan. Den betroffenen Familien und Angehörigen habe er sein tiefes Beileid ausgesprochen und ausrichten lassen, dass er nicht wollte, dass es zu ihrem Tod komme: „Diese Todesfälle haben sowohl den Familien als auch mir einen großen Schaden zugefügt. Das ist nicht richtig. Politische Hungerstreiks führt man bis zu einem bestimmten Punkt, nicht bis zum Ende. Acht Freund*innen haben ihr Leben beendet. Es gab sowohl in Europa, als auch in Südkurdistan und in den Gefängnissen in der Türkei Hungerstreiks. In den Gefängnissen sind sie sowieso eingesperrt, von dort aus können sie keine Politik machen. Sie leben doch eh schon an diesen Orten unter schweren Bedingungen. Die Menschen draußen haben viel mehr Möglichkeiten und können viele Methoden entwickeln. Die Draußen sollen sich organisieren und stärken und in diesem Sinne ihre demokratischen Proteste voranbringen. Es gibt richtigere Wege als diesen.“
„Wenn man die Möglichkeit schafft, dann werden wir die Wege zu einer Lösung öffnen“
Öcalan kritisierte sowohl die demokratischen Institutionen als auch den Staat für die Verstopfung der Lösungswege. Er erklärte, wenn man die Möglichkeit schaffe, könne man die Wege zur Lösung öffnen. Zur Frage, ob die Isolation nun aufgehoben sei, sagte Öcalan: „Ich kann weder sagen, dass die Besuchswege vollständig geöffnet sind, noch, dass sie geschlossen sind. Es bleibt abzuwarten. Wenn diese Wege vollständig geöffnet werden, dann ist das für alle gut. Wenn sie allerdings verschlossen werden, dann wird das für alle Zerstörung bringen.“
*Legendärer ezidischer Widerstandskämpfer aus Wêranşar (Viranşehir, Provinz Riha/Urfa, 1790 von Osmanen ermordet