Massive Polizeigewalt bei Demonstrationen am 1. Mai

Die Polizei ist am 1. Mai mit rigider Gewalt gegen Demonstrationen in Hamburg, Berlin und Frankfurt a.M. vorgegangen. Offenbar hat es die Polizeiführung darauf angelegt, ein Exempel zu statuieren.

In Hamburg, Berlin und Frankfurt sind 1.-Mai-Demonstrationen von der Polizei angegriffen worden. Beobachter:innen berichten von extremer Polizeigewalt, in Hamburg und Berlin begründet mit angeblichem Infektionsschutz.

So schreibt etwa „Carl But Poppy“ aus Hamburg: „G20 is back. Was die Hamburger Polizei nach den unsäglichen Demoverboten seit 13.00 Uhr im Stadtgebiet durchzieht, hat mit Infektionsschutz nichts zu tun. Hier dreht ein Polizeistaat frei. In der Nähe des Fernsehturms sind seit drei Stunden 50 Personen eingekesselt. Aktuell enormer Aufmarsch erst auf dem Schulterblatt und dann am Pferdemarkt. Sechs Wasserwerfer und ca. 60 Wannen im Einsatz. Journalist:innen sind an verschiedenen Stellen von der Polizei angegangen worden. Ist das verantwortungsvolle Politik in Pandemiezeiten, Peter Tschentscher?"

Die ehemalige Hamburger Linksfraktionsabgeordnete Christiane Schneider bestätigt diese Darstellung: „Die Polizeiführung hat es darauf angelegt, Exempel zu statuieren: In der St. Petersburger Straße waren ungefähr rund 30 Personen eingekesselt. Begründung des Einsatzleiters: Sie hätten den Mindestabstand nicht eingehalten. Im Kessel KONNTEN sie ihn nicht einhalten. Der Einsatzleiter weiter: Sie seien deshalb in Gewahrsam genommen, und der Polizeiführer - also Dudde! - habe angeordnet, sie zur Wache zu bringen. Ein Rechtsanwalt wurde erst in den Kessel gelassen, als eine in Gewahrsam Genommene ihn ausdrücklich namentlich angefordert hatte. Vorher war ihm und anderen RA:innen der Zutritt mit der Behauptung verwehrt worden: Die Gekesselten wollten keinen Rechtsbeistand. Dann wurden sie Person für Person abgeführt, durchsucht, ihre Personalien festgestellt und in bereitstehende HVV-Busse verfrachtet. Derzeit sind sie auf der Wache, es findet bei allen eine Leibesvisitation statt. Die, die darauf warten, bis sie selbst dran sind, wurden eng zusammengedrängt - Mindestabstand unmöglich. Bis alle leibesvisitiert sind, werden noch Stunden vergehen, danach sollen sie nach Billstedt gebracht werden (und dann wahrscheinlich in der Nacht ausgesetzt) - alles, weil sie angeblich den Mindestabstand nicht eingehalten haben. Seit der Kesselung hatten sie allerdings keine Möglichkeit mehr dazu.

Heute hat sich für mich die Befürchtung bestätigt, dass es nicht wenige Kräfte im Staatsapparat gibt, die die pandemiebedingten Einschränkungen von Grundrechten weiter verschärfen und verstetigen wollen. Jedes Mittel scheint ihnen recht. Der Zynismus der Polizeiführung, linke Kundgebungen zu verbieten, angeblich aus Pandemiegründen, um dann durch den Einsatz der Polizeitruppen die Situation herbeizuführen, wegen der angeblich die Kundgebungen verboten wurden, dieser Zynismus ist schwer zu überbieten. Offensichtlich hat die Polizeiführung die politische Rückendeckung.“

Berlin: Polizei reagiert mit Gewalt auf Bündnisdemonstration

An der Revolutionären 1.-Mai-Demonstration in Berlin-Neukölln haben nach Veranstalterangaben mehr als 25.000 Menschen teilgenommen. Um 19.00 setzte sich die Demonstration vom Hermannplatz in Bewegung, konnte jedoch wegen zahlreicher Angriffe der Polizei nicht bis zum geplanten Endpunkt am Oranienplatz in Kreuzberg laufen.

„Die Demonstration war ein kämpferisches Zeichen der Solidarität, auf das die Polizei mit Gewalt reagierte: Immer wieder wurden die Teilnehmenden provoziert, als Vorwand diente das angebliche Nichteinhalten der Coronamaßnahmen. Schließlich wurde die Demonstration um 20.30 Uhr auf der Karl-Marx-Straße von der Polizei in zwei Teile getrennt. Immer wieder wurde auf die friedlichen Demonstrierenden grundlos eingeprügelt. Dutzende Menschen wurden verletzt, einige wurden durch Tritte und Schläge der Polizei bewusstlos; zahlreiche Festnahmen konnten beobachtet werden. Schließlich wurde die Demonstration ohne rechtliche Grundlage aufgelöst“, heißt es in einer Presseerklärung des breiten Bündnisses, das die Demonstration organisiert hatte.

„Wir haben heute unsere Solidarität auf die Straße getragen. Unsere Demonstration hat gezeigt, dass der Klassenkampf wieder auf der Tagesordnung ist – der Klassenkampf der Ausgebeuteten und Unterdrückten hierzulande und weltweit“, erklärte Aicha Jamal von dem Bündnis. „Uns ist es gelungen, die Menschen in den angrenzenden proletarischen Kiez anzusprechen und mit ihnen heute auf die Straße zu gehen – das ist ein Erfolg! Doch wir haben ebenso gesehen, dass dieser Staat mit aller Gewalt versucht, unseren Protest zu unterdrücken. Dies zeigt, welche Angst die Herrschenden davor haben, wenn sich die Ausgebeuteten und Unterdrückten zusammenschließen, weil sie erkennen, dass sie mehr verbindet, als sie trennt. Welcher Vorwand nun auch immer von den Bullen dafür herangezogen wird, um ihren Angriff auf uns zu rechtfertigen, das hat nichts mit unserer Demonstration zu tun. Wir verurteilen die Polizeigewalt aufs Schärfste!“

Die Demonstration wurde von einem breiten linken Bündnis organisiert. Erstmals lief an der Spritze ein migrantischer internationalistischer Block. Auf der Auftaktkundgebung wurde in zahlreichen Redebeiträgen aufgezeigt, dass die Coronakrise das Scheitern des Kapitalismus gezeigt hat, der nur durch immer neue Gesetze und Verordnungen am Laufen gehalten wird. „Wie richtig wir damit liegen, hat sich leider am Abend gezeigt“, sagte Aicha Jamal.

Ein anderes Thema, das von den Teilnehmenden auf die Straße gebracht wurde, war der Kampf der Menschen in Berlin gegen Immobilienkonzerne wie Deutsche Wohnen und Vonovia, die endlich entschädigungslos enteignet werden sollen. „Wohnen darf nicht den Profitinteressen einiger weniger untergeordnete werden. Deutsche Wohnen und Co. müssen enteignet werden. Die Häuser gehören denjenigen, die darin wohnen“, erklärte Jamal.

„Wir kämpfen gegen Ausbeutung und Unterdrückung. Ob in den Kiezen, in der Schule oder in den Betrieben, unser Widerstand gegen die herrschenden kapitalistischen Verhältnisse lebt nicht nur am 1. Mai, sondern an jedem Tag. Wir lassen uns von Repression nicht einschüchtern, denn wir stehen auf der Seite des Lebens. Der 1. Mai symbolisiert den revolutionären Bruch mit den herrschenden Verhältnissen, er bedeutet, dass wir den über Generationen geführten Kampf für eine solidarische Gesellschaft weiterführen“, so Aicha Jamal.

Verletzte und Festnahmen in Frankfurt

In Frankfurt a.M. kam es am Ort der Abschlusskundgebung zu massiver Polizeigewalt. Ein Sprecher der Demonstration berichtete von zahlreichen Verletzten und Festnahmen. Das Medienkollektiv Frankfurt hat den Polizeiangriff gefilmt: