Etwa 350 überwiegend junge Menschen haben sich am Samstagnachmittag vor dem Mannheimer Hauptbahnhof versammelt, um mit einer zentralen Demonstration für die Freiheit des kurdischen Vordenkers Abdullah Öcalan zu protestieren. Vorausgegangen war ein gemeinsamer Aufruf der Jugenddachverbände TEKO-JIN (Bewegung der jungen kämpferischen Frauen) und TCŞ (Bewegung der revolutionären Jugend). Auch Mitglieder der kurdischen Studierendenverbände YXK und JXK sowie deutsche Internationalist*innen und Antifaschist*innen waren anwesend.
Direkt zu Beginn der Demonstration, die das Motto „Bi Hev re Serhildan“ (deut. Gemeinsam zum Aufstand) der gleichnamigen Offensive der kurdischen Jugendbewegung trug, kam es zu Provokationen durch die Polizei, die ein willkürliches Symbolverbot durchsetzte. Konkret ging es um Transparente beziehungsweise Fahnen mit dem Konterfei Öcalans. Zwei der beteiligten Jugendlichen wurden von der Polizei gewaltsam aus dem Zug gegriffen und kamen vorübergehend in Gewahrsam. Begründet wurde die Maßnahme mit einem Öcalan-Plakat. Durch den Übergriff, bei dem Schlagstöcke seitens der Polizei eingesetzt wurden, zogen sich zwei junge Frauen leichte Verletzungen an Kopf, Beinen und Armen hinzu.
Gedenken an Egîd Civyan
Der Repression zum Trotz zog die Demonstration unter einen bunten Fahnenmeer aus Flaggen der TCŞ, YPG/YPJ und TEV-DEM lautstark und kämpferisch durch die Innenstadt von Mannheim. Immer wieder fielen die Parolen „Bijî Serok Apo“ (Es lebe der Vorsitzende Apo) und „Die PKK ist das Volk, das Volk ist hier“. In Redebeiträgen thematisierten Aktivist*innen die Zusammenarbeit zwischen der Bundesregierung und dem türkischen Regime in Ankara. Zudem wurden der Guerillawiderstand gegen die türkische Besatzung im südkurdischen Heftanîn und die Revolution von Rojava gegrüßt. Zahlreiche Transparente erinnerten an den kürzlich in Wan gefallenen Guerillakommandanten Egîd Civyan (Vahdettin Karay). Egîd Civyan war Mitglied des HPG-Kommandorats und zuletzt Kommandant der Region Botan. 2014 leitete er die Guerillaoperation gegen den IS in Şengal und trug damit entscheidend dazu bei, dass 150.000 Ezidinnen und Eziden vor dem Genozid gerettet werden konnten.
Physische Befreiung von Öcalan Ziel der Offensive
Bevor die Zusammenkunft an der Alten Feuerwache mit einer Kundgebung beendet wurde, mündete die Demonstration in eine Schweigeminute im Gedenken an die Gefallenen der kurdischen Freiheitsbewegung. Ein Vertreter der TCŞ wies in einer Ansprache darauf hin, dass das Ziel der Offensive „Bi Hev re Serhildan“ die physische Befreiung Abdullah Öcalans sei, der vor mehr als zwei Jahrzehnten in einem völkerrechtswidrigen Piratenakt aus Kenia in die Türkei verschleppt wurde und seitdem auf der Gefängnisinsel Imrali festgehalten wird – die meiste Zeit davon unter schweren isolationshaftbedingungen. Es wurde zum Kampf gegen die Imrali-Isolation, den globalen Faschismus – insbesondere den türkischen – und gegen die Invasion in Kurdistan und Nordostsyrien aufgerufen. „Der antifaschistische Widerstand der Jugend kann sowohl die Isolation auf Imrali als auch die Besatzung in Kurdistan durchbrechen und zerschlagen“, so der Aktivist.
Fortsetzung der polizeilichen Provokationen
Auch nach Beendigung der Demonstration hielten die Provokationen durch die Polizei an: Mehrere Aktivist*innen wurden zwecks Identitätsfeststellung kontrolliert, ein Mitglied der TCŞ-Pressestelle wurde ungefähr eine Stunde lang festgehalten, da er das aggressive Verhalten der Polizei dokumentiert hatte. Er wurde erst wieder freigelassen, nachdem die Speicherkarte seiner Kamera beschlagnahmt worden war.
Fazit: Widerstand ist nicht zu durchbrechen
Die Veranstalter*innen der Demonstration merkten abschließend zu dem gelungenen Tag an: „Die intensive und teils gewaltsame Repression der Polizei richtet sich speziell gegen die Jugendorganisationen. Auch heute erschien die Polizei wieder in Anwesenheit von Polizeipferden und in vollständiger Montur. Dies ist ein kläglicher Versuch, kurdische Jugendliche und ihre Familien abzuschrecken, den Zulauf zu unseren Organisationen hier in Europa zu verhindern, politischen Aktivismus zu unterbinden und uns kurdische Jugendliche in den Medien und innerhalb der Gesellschaft als einen ungebildeten und aggressiven Mob darzustellen. Sie sollen aber wissen, dass sie uns weder einschüchtern noch verbieten können, uns auch nicht zum Schweigen bringen werden. Unser Wille und unser Widerstand sind nicht zu brechen.“ Die Demonstration endete mit Tänzen und Parolerufen.