Vor dem Oberlandesgericht Hamburg fand heute die dritte Verhandlung im Prozess gegen Mahmut Kaya statt. Der kurdische Aktivist ist angeklagt, in den Jahren 2013 und 2014 in Norddeutschland als PKK-Mitglied Veranstaltungen und Demonstrationen organisiert zu haben. Ihm wird Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland nach §§129a/b StGB vorgeworfen.
Nachdem an den beiden vorangegangenen Prozesstagen die Anklageschrift durch Oberstaatsanwalt Schakau verlesen wurde, gab Mahmut Kaya heute eine Prozesserklärung ab, in der er die Geschichte Kurdistans darstellte und auf die aktuelle Situation einging. Da es dem sechzigjährigen Aktivisten gesundheitlich nicht gut ging, wurde nur ein Teil seiner umfassenden Erklärung von seinem Verteidiger Alexander Kienzle verlesen. Nach einer Stunde wurde die Verhandlung auf den 16. Januar um 13 Uhr vertagt. Der zuvor anberaumte Verhandlungstermin am 18. Januar fällt aus.
Im Herzen Mesopotamiens
„Ich wurde als Mitglied des kurdischen Volkes in Kurdistan geboren. Ich bin in Kurdistan aufgewachsen und habe in Kurdistan gelebt“, leitete Mahmut Kaya seine Prozesserklärung ein:
„Kurdistan befindet sich geografisch im Zentrum, sozusagen im Herzen Mesopotamiens. Geografisch verfügt Kurdistan über weite Gebirge und natürliche Wasserquellen. Die Hauptquellen der Flüsse Tigris und Euphrat, die den Nahen Osten beleben und lebenswert machen, sind beide in Kurdistan. Die Agrarflächen Syriens und des Iraks werden mit dem Wasser der Flüsse Tigris und Euphrat bewässert. Zusätzlich sichern die Flüsse Tigris und Euphrat die Energieversorgung im Irak und in Syrien durch die Dämme, die dort errichtet wurden. Die Nachbarstaaten Kurdistans sind die Türkei, der Iran, der Irak und Syrien.“
Kurdistan als historisches Angriffsziel
„Die Tatsache, dass Kurdistan für den Ackerbau geeignet ist, über sehr weite Ebenen und über- und unterirdische Reichtümer verfügt und im Zentrum Mesopotamiens liegt, machte es im Laufe der Geschichte immer wieder zum Ziel von äußeren Angriffen und Besatzungen. Zuerst haben Alexander der Große, das Assyrische Reich, Rom, das Arabisch-islamische Reich, wieder das Persische Reich und zuletzt die türkische barbarische Klasse Kurdistan besetzt. Wenn auch offizielle Informationen fehlen, wurden bei jeder Besatzung hunderttausende Kurdinnen und Kurden ermordet. Trotz all dieser Angriffe und Besatzungen hat das kurdische Volk Kurdistan nicht verlassen und sich hauptsächlich für den beständigen Widerstand entschieden.“
Widerstand gegen Zwangsislamisierung
„Das kurdische Volk lebt seit dreitausend Jahren in seinem Land Kurdistan. Das kurdische Volk verfügt über eine große und tiefgreifende Kultur. Eben weil dem so ist, konnte es seine Existenz bis zum heutigen Tag trotz dieser vielen Angriffe und Besatzungen bewahren. Natürlich hat das kurdische Volk bei jedem Angriff und jeder Besatzung Schäden und großen Schmerz erlitten. Aber den größten Schaden hat das kurdische Volk durch arabisch-islamische Armeen erlebt. Dem müssen auch die barbarischen türkischen Herrscherklassen hinzugefügt werden. Denn besonders die arabisch-islamischen Armeen forderten nicht nur die reichen, kurdischen Quellen. Gleichzeitig zwangen sie mit Gemetzeln und Beharrlichkeit die Kurdinnen und Kurden dazu, zum Islam überzutreten. Trotz der gewalttätig erzwungenen religiösen Bekehrungen der Araberinnen und Araber, zeigten die kurdischen Ezidinnen und Eziden sowie die kurdischen Alevitinnen und Aleviten dagegen einen großartigen Widerstand. Die ezidischen und alevitischen Kurdinnen und Kurden, welche den Islam nicht annahmen, waren im Laufe der Geschichte immer wieder Gemetzeln der arabischen, türkischen und iranischen Staaten ausgesetzt. Besonders die ezidischen Kurdinnen und Kurden sind nur aufgrund ihres Glaubens bis heute Gemetzeln durch arabische, osmanische und iranische Staaten ausgesetzt. Der letzte Völkermord an den Ezidinnen und Eziden wurde durch den IS, den sogenannten Islamischen Staat, verübt. Im August 2014 wollte der IS in Şengal sämtliche Ezidinnen und Eziden ermorden. Zwölf Guerillakämpfer der PKK verhinderten, dass dies dem IS vollständig gelang.“
Kurdistan als Heimat vieler Völker
„In Kurdistan leben mit den Kurd*innen zusammen, Armenier*innen, Assyrer*innen, Araber*innen und Türk*innen. Kurdistan ist auch die Heimat der Armenier*innen. Denn Kurd*innen und Armenier*innen lebten Jahrtausende lang in Frieden und Ruhe miteinander. Genauso wie Kurdistan die Heimat der Kurd*innen ist, ist es die der Armenier*innen. Ich möchte sagen, dass das genauso für das Volk der Assyrer*innen gilt. Darüber hinaus gehört Kurdistan natürlich allen Menschen, die dort zivilisiert leben, und Kurdistan ist ihre Heimat.“
Wie kann es sein, dass aus Geschwisterlichkeit Besatzung wird?
„Laut der offiziellen Geschichtsschreibung der Staaten wurde Kurdistan 1639 das erste Mal durch das Osmanische Reich und das Persische Reich in zwei geteilt. Interessant ist aber der Umstand, dass die Mehrheit der Kurd*innen muslimisch ist, auch wenn dies erzwungen wurde. Aber auch das Persische und Osmanische Reich, die Kurdistan untereinander aufteilten, sind muslimisch. Theoretisch behaupten sie, dass alle Muslim*innen Geschwister seien. Der Islam bedeutet also Frieden und Geschwisterlichkeit? Wie kann es sein, dass aus Geschwisterlichkeit Besatzung wird, wenn es um die Kurd*innen geht? Damit müssen sich die Kurd*innen auseinandersetzen. Die türkischen, arabischen und iranischen Herrschenden haben unter dem Deckmantel des Islam nicht nur die Kurd*innen Blutbädern ausgesetzt. Besonders die osmanischen Sultane haben im Namen Gottes und Allahs selbst ihre eigenen Väter, Geschwister und Kinder ermordet. Es gibt so gut wie keinen osmanischen Sultan, der eines natürlichen Todes gestorben ist. So wie früher gibt es auch heute Diktatoren und Faschisten wie al-Qaida, Hisbollah, den IS und Erdoğan, die sich beim Ermorden von Menschen auf den Islam berufen. Der politische Islam ist sowieso monistisch und absolut. Personen und Gruppen, welche die Vielfalt bekämpfen und alles homogenisieren, sind faschistisch. Gestern waren es Hitler und Saddam, und heute ist es Erdoğan.“
Kampf gegen Faschismus ist legitim
„Kurdistan wurde nach dem Ersten Weltkrieg das zweite Mal geteilt; dieses Mal in vier Teile. Der Großteil Kurdistans wurde dem türkischen, der Rest dem irakischen und syrischen Staat zugeteilt. Nach dem Zerfall des Osmanischen Reiches wurde Kurdistan viergeteilt. Ebenso wie es bei einem in vier geteilten Menschenkörper wäre, so wurde auch Kurdistan zerfetzt. Kurdistan wurde ohne Zweifel durch den britischen und französischen Staat viergeteilt. Die vier Staaten, denen das viergeteilte Kurdistan untergeordnet wurde, also der Irak, Syrien, der Iran und die Türkei, bauten alle rassistisch-monistische Nationalstaaten auf. Ein Nationalstaat bedeutet ein Staat, ein Volk, eine Sprache, eine Kultur, eine Geschichte. Wenn alles auf ein einzelnes Neues reduziert wird, ist das automatisch Faschismus. In diesem Zusammenhang ist es klar, dass es legitim ist, mit allen möglichen Mitteln gegen diese Nationalstaaten vorzugehen, diese neuen faschistischen Staaten, die die existierenden Glauben, Religionen, Kulturen und Völker ausschließen, leugnen, bekämpfen und brutal ermorden. Es ist klar ersichtlich, dass eine Politik, die mit Gewalt einem Volk eine andere Kultur aufzwingt und ihre Sprache verbietet, rassistisch und faschistisch ist. Es ist also deutlich, dass es würdelos ist, sich dem Faschismus zu beugen. So wie die deutschen Demokrat*innen und Sozialist*innen, die in der nicht allzu fernen Vergangenheit gegen Hitler-Faschismus aufgestanden sind, als würdevolle Menschen in die Geschichte eingegangen sind, so ist es von historischer Bedeutung, sich damals wie heute gegen Saddam, Khomeini, in Syrien gegen die Baath-Partei und die Assad Familie und in der Türkei gegen Atatürk und Erdoğan zu stellen.“
Kampf gegen Tyrannei verdient Respekt
„Die Geschichte der Menschheit ist die Geschichte des Kampfes zwischen den Unterdrückern und den Unterdrückten. So wie sich die Menschheit an den Kampf Spartakus‘ gegen die römische Diktatur mit Respekt erinnert, so müssen die Kämpfe der Kurd*innen gegen die Saddam-, Assad- und Khomeini-Regime, gegen die faschistischen Politiken Atatürks und Erdoğans in der Türkei als legitim angesehen werden. Denn ein demokratischer Mensch kann für den Kampf gegen die Tyrannei eines Menschen oder eines Volkes, dessen Land besetzt ist, dessen Existenz bedroht ist und dessen Reichtümer gestohlen wurden, nur Respekt empfinden. Es kann also niemand die Kurd*innen fragen, warum sie sich gegen Unterdrückung und Ausbeutung wehren. Lasst uns nicht vergessen, dass versklavte Kurd*innen keinen Beitrag für die Menschheit leisten können. Aber freie Kurd*innen können an vielen Stellen einen wertvollen Beitrag leisten. So wie Kurd*innen – zum Beispiel die kurdischen Frauen in Rojava – heldenhaft gegen den faschistischen IS kämpfen, unterstützen der türkische Staat und an seiner Spitze Erdoğan den IS.“
Vom „grünen Gürtel“ zum Blutbad im Mittleren Osten
„Seit zehn Jahren ist der Mittlere Osten eine instabile Region. Täglich explodieren irgendwo in der Region Bomben und unschuldige Zivilist*innen sterben und erleben große Schmerzen. Hier wird deutlich, warum die internationalen und lokalen herrschenden Kräfte zusammenarbeiten. Es ist klar, dass es die großen Waffenhersteller und Energieversorger sowie ihre politischen Vertretungen sind. Es ist kein Geheimnis, dass die USA im Kampf gegen Russland in Form ihres „green belt“-Projekts während des Kalten Krieges religiöse Fundamentalisten ausbildeten und bewaffneten. Es ist allgemein bekannt, dass die USA in Afghanistan al-Qaida und Bin Laden versorgten und unterstützten. Die Unterstützung, die die USA im Mittleren Osten religiösen Fundamentalisten gaben, ist heute zu einer Plage für die Menschheit geworden. Wenn man heute den Mittleren Osten erwähnt, kommen einem Selbstmordattentate und Blutbäder in den Sinn. Die Morde an zivilen und unschuldigen Völkern sind zweifellos Terrorismus. Die Menschen, die darin eine Rolle spielen, sind zweifellos Terroristen. Anschläge auf Moscheen und Cem-Häuser im Namen des Glauben und der Konfession sind und können niemals legitim sein. Es ist offensichtlich, dass es früher das „green belt“-Projekt der USA war und heute das Projekt des „gemäßigten Islam“, also des „Großraums Mittlerer Osten“, der USA ist, die den Mittleren Osten zu einem See aus Blut machen. Ja, diejenigen, die in Syrien und im Irak Blutbäder anrichten, sind Mörder und verüben Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Nun sind denn die internationalen Kräfte, die diese Mörder zusammenbringen, ausbilden und bewaffnen, so unschuldig? Erdoğan hat selbst gestanden, dass er der Ko-Vorsitzende des Projektes „Großraum Mittlerer Osten“ ist. Das Projekt „Großraum Mittlerer Osten“ und sein Ko-Vorsitzender sollen den gemäßigten Islam verbreiten? Es gibt ein bekanntes Sprichwort: Man kann Blut nicht mit Blut abwaschen. Erdoğan ist selbst ein Monist, also ein Feind der Vielfalt. Monismus – ein Glaube, eine Konfession, eine politische Richtung, ein Führer – stellt die Realität des Mittleren Ostens dar: Faschismus. Auch Hitler wollte alles auf ein einzelnes reduzieren und wurde zum einzigen Führer. Die Zerstörungen und das menschliche Leid, das das Einzelne, also Hitler, verursacht hat, sind bis heute lebendig. Es ist also eine Ignoranz, sich vom Projektes „Großraum Mittlerer Osten“ unter Erdoğans Ko-Vorsitz ein demokratisches System zu erhoffen. Ein Mensch, der nicht an die Vielfalt glaubt, keinen Respekt für unterschiedliche Kulturen und Glauben hat, kann kein demokratisches System errichten. Kurz gesagt, ein Faschist, der nicht an die Demokratie glaubt, kann aus einem Projekt Groß- oder Kleinraum Mittlerer Osten wenn überhaupt einen monistischen Faschismus machen. Das ist es, was heute im Mittleren Osten passiert.“
Der IS ist nicht vom Himmel gefallen
„Ich möchte noch das folgende dazu sagen, woher die IS-Mörder plötzlich aufgetaucht sind. Da sie nicht vom Himmel gefallen sein können, muss es Kräfte gegeben haben, die von ihrer Existenz wussten, sie sogar zusammenbrachten und ausbildeten. Damals brachte das „green belt“-Projekt der USA al-Qaida und Bin Laden hervor. Heute bringt Erdoğans Leitung des Projektes „Großraum Mittlerer Osten“ den IS und al-Baghdadi hervor. Erdoğans Unterstützung für den IS ist nicht geheim: Es ist offensichtlich, wie er der Machtergreifung der Muslimbrüder in Ägypten applaudierte und sie unterstützte. Der Mann lebt mit der Fantasie eines neuen Osmanischen Reiches. Das ist sicher. Der faschistische Erdoğan ist an vorderster Stelle bei der politischen, militärischen und finanziellen Unterstützung des IS. Erdoğan lässt ihn in der Provinz Hatay gewähren und führt die Angriffe gegen Syrien an. All das ist nicht geheim.“
Heute ist Erdoğan eine Plage für die Kurden und morgen für die ganze Welt
„Es ist offensichtlich, dass neben der islamischen Ideologie die Verhinderung jeglichen kurdischen politischen Status im Mittleren Osten und in Syrien ein Grund für Erdoğans Unterstützung des IS ist. Ja, es ist klar, dass die Ideologie des IS unmittelbar faschistisch ist. Dass Erdoğan genau dieselbe Ideologie vertritt, ist auch nicht geheim. Egal um wen es sich handelt, wer eine neue faschistische oder monistische Ideologie vertritt, ob Mensch, Netzwerk oder Staat, ist faschistisch. Und Faschismus ist der gemeinsame Feind der Menschheit. Der IS verübt einen Völkermord an kurdischen Ezid*innen in Şengal. Auch die Türkei lässt die kurdischen Ezid*innen in ihrer Heimat Şengal mit US-amerikanischen Flugzeugen bombardieren und besetzt mit deutschen Panzern Efrîn, ein Gebiet, in welchem Kurden friedlich lebten. Die syrischen Geflüchteten, die Erdoğan mit seinen eigenen Angriffen zur Flucht zwingt, nutzt er wiederum – als hätte er keinerlei Einfluss auf die Umstände gehabt – zur Erpressung der EU und Deutschlands. Jemand muss Erdoğan sagen, dass er Syrien in diesen Zustand gebracht hat und dass wir uns nicht von ihm erpressen lassen. Es reicht ein Beispiel, um Erdoğans Unterstützung für den IS zu verdeutlichen. Can Dündar, Chefredakteur der Tageszeitung Cumhuriyet, wurde, weil er in seiner Zeitung von den Waffenlieferungen Erdoğans an den IS berichtete, zum Vaterlandsverräter erklärt. Da ihm das Weiterleben in der Türkei verunmöglicht wurde, war Can Dündar gezwungen nach Berlin zu fliehen. Auch Deniz Yücel, ebenfalls ein angesehener Journalist, wurde, weil er seiner Arbeit als Journalist nachging, zum Terroristen erklärt und inhaftiert. Sind Can Dündar und Deniz Yücel denn nun Terroristen? Natürlich haben diese angesehenen Journalisten nichts anderes als Journalismus getan. Heute werden Dutzende von kurdischen Journalist*innen, die nichts anderes als ihre Arbeit machen, als Terrorist*innen beschuldigt. Ohnehin fordert der Faschismus totale Unterwerfung. Auch Hitler zielte zuerst auf Kommunist*innen, Sozialist*innen, Journalist*innen, Gewerkschaftler*innen, Jüd*innen und erst später auf Demokrat*innen. Einige von ihnen wurden in Gefängnisse gesperrt, andere dieser schönen, guten Menschen wurden zu Volksverräter*innen erklärt und in Gaskammern massenweise ermordet. Erdoğan schlägt die gleiche Richtung ein, indem er die Kurd*innen, Abgeordneten, Journalist*innen, die sich gegen seine Fehler stellen, zu Terrorist*innen erklären und in Gefängnisse sperren lässt. Das folgende kann ich mit Leichtigkeit sagen: Heute ist Erdoğan eine Plage für die Kurd*innen und morgen für die ganze Welt.“
Erdoğan will ein neues Osmanisches Reich
„Die türkisch-islamische Ideologie Erdoğans will sich ausbreiten. Der Mann hat sich das Osmanische Reich zum Ziel gemacht. Reicht Erdoğans Kraft dafür? Das ist ein eigenes Thema. Sowohl dogmatischer, religiöser Fanatismus als auch Nationalismus sind faschistisch. Nicht die Muslime, die einfach ihren eigenen muslimischen Glauben leben, aber jegliche Religion und jeglicher Nationalismus, die auf Ausbreitung aus sind, sind faschistisch. Die Menschheit hat erlebt, wozu Saddams Nationalismus führte. Erdoğan ist sowohl religiöser Fundamentalist als auch Nationalist.“
Was bleibt, sind Gerechtigkeit und Wahrheit
„Um die Instabilität im Mittleren Osten zu beenden, gilt, wie man so sagt: Gebt, was Caesars ist, Caesar. Insbesondere die Grundrechte der Kurd*innen, Armenier*innen und Assyrer*innen, die zu den ältesten Völkern des Mittleren Ostens gehören, müssen wiederhergestellt werden. Das Selbstbestimmungsrecht der Kurd*innen muss von allen respektiert werden. Es darf von Staaten und Organisation im Mittleren Osten, die religiös fundamentalistisch oder nationalistisch handeln, weder eine Stabilisierung erwartet werden, noch darf man diese unterstützen. Jedes natürliche Wesen muss respektvoll behandelt werden. Die Menschen müssen zu allen Religionen, Konfessionen, Hautfarben, Kulturen und anderen Lebensformen respektvoll sein. Der Mittlere Osten hat in der Geschichte viel Tyrannei erlebt. Pharao, Gottkönige, Sultane, alle Tyrannen haben versucht, die Völker zum Schweigen und Kapitulieren zu bringen. Sie haben die Völker Massaker ausgesetzt. Diese tyrannischen Mörder und diese Gemetzel sind vergangen, aber die Völker und ihre Kulturen sind bis heute geblieben und werden auch morgen weiter bestehen. Im Laufe der letzten 90 Jahre wurden Zehntausende Kurd*innen in Koçgiri, Ağrı, Dersim, Palu, Halabdscha, Mahabad und vielen anderen Orten ermordet, nur weil sie ihre natürlichen, nationalen Rechte einforderten. Die Menschheit kam durch eine ständige Veränderung und Weiterentwicklung zum heutigen Tag. Die Mächtigen von heute müssen nicht die Mächtigen von morgen sein. Das Römische und das Osmanische Reich sind Beispiele dafür. Aber vergessen Sie nicht, was bleibt, sind Gerechtigkeit und Wahrheit.“
IS und Erdoğan sind ideologische Partner
„Das beste Beispiel dafür, dass der IS von Erdoğan unterstützt wird, sind die Anschläge des IS in der Türkei. Es ist der Anschlag des IS am 10. November 2015 in Ankara. Bei diesem Anschlag starben 103 unschuldige Zivilist*innen und Hunderte weitere wurden verletzt. Die Veranstaltung am 10. November in Ankara wurde von einem Friedensbündnis von linken, alevitischen und demokratischen Gruppen, darunter auch der HDP, organisiert. Alle Bündnisse, die am Friedenstreffen beteiligt waren, waren Teil der Opposition gegen Erdoğan. Es ist also nicht übertrieben zu sagen, dass Erdoğan hier zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen hat. Denn Erdoğan konnte mit dem IS Oppositionelle ermorden und zugleich der Welt und Europa sagen, der IS ist auch gegen mich und hat mit seinem Anschlag 103 meiner Staatsangehörigen ermordet. 2015 ließ er den IS auch auf sozialistische Jugendliche, die zur Unterstützung nach Kobanê fahren wollten, einen Anschlag verüben, bei dem 33 Jugendliche starben. Selbstverständlich waren die Jugendlichen, die zur Unterstützung nach Kobanê fahren wollten, ebenfalls Gegner*innen Erdoğans. Aber Erdoğan sagte nichtsdestotrotz unverschämt, der IS sei auch gegen ihn. Nachdem Erdoğan durch die Wahlen am 7. Juni 2015 die parlamentarische Mehrheit verlor, annullierte er die Wahl. Am 1. November 2015 wurde erneut gewählt. Zwischen dem 7. Juni und dem 1. November verübte der IS mehrere Bombenanschläge in der Türkei. In Amed, Mersin, Adana wurden bei Bombenanschlägen auf HDP-Kundgebungen und -wahlbüros viele Menschen getötet und schwer verletzt. Interessant ist, dass alle Orte, die der IS angegriffen hat, und alle Menschen, die der IS ermordete, Gegner*innen Erdoğans waren. Aber Erdoğan behauptet trotzdem schamlos gegenüber der Welt: Schaut, der IS ist auch gegen mich. Eigentlich ist einer der Gründe dafür, dass Erdoğans so feindlich gegenüber Kurd*innen gesinnt ist, dass Kurd*innen in Rojava, Kobanê und Raqqa den IS besiegten, denn der IS und Erdoğan sind ideologische Partner.“
DITIB-Unterstützung geht nach hinten los
„Letztlich gingen die Strategie der USA, al-Qaida auszubilden und zu bewaffnen, um sie in Afghanistan während des Kalten Krieges gegen Russland zu nutzen, und das westliche Projekt „Großraum Mittlerer Osten“ nach hinten los. Die Bin-Laden-geführte al-Qaida und der Erdoğan-geführte IS stehen sich inzwischen gegenüber. Ich hoffe, die USA und die EU werden aus diesen zwei Beispielen gemeinsam Lehren ziehen und nicht wieder durch die Unterstützung solcher Bewegungen eine Plage über die Menschheit bringen. Das folgende ist auch sehr wichtig. Auch um deine Feinde gewalt- und kraftvoll zu stürzen, sollst du keine religiösen oder nationalistischen Gruppen unterstützen. Jeder gläubige Mensch hat das Recht darauf, den eigenen Glauben auszuüben, solange er ihn nicht versucht ihn anderen aufzuzwingen. Aber sobald er versucht, seinen Glauben anderen aufzuzwingen, gilt es Stopp zu sagen. Glaube ist etwas, dass nur zwischen dem Individuum und Gott ist und sein sollte. Ein demokratischer Staat unterstützt keine Religion, kann keine Religion unterstützen. Denn sobald er eine Religion unterstützt, wählt er eine Seite und ist respektlos den anderen Religionen gegenüber. Die finanzielle Unterstützung des deutschen Staates an die Moscheen der türkischen Diyanet können ebenso wie die Unterstützung für al-Qaida und den IS nur nach hinten losgehen. Ohnehin stellen alle finanziellen Unterstützungen an die Diyanet-Moscheen eine direkte Unterstützung Erdoğans dar. Das ist auch ein ernstes Risiko für die deutsche Gesellschaft und die europäischen Völker. Der wichtigste Punkt ist, dass kein Staat und keine Einrichtung einer Religion nahestehen sollten. Aber Erdoğan lässt alle Steuereinnahmen, auch von Alevit*innen, Ezid*innen und Nicht-Muslim*innen, nur in türkisch-islamische Moscheen fließen: Selbst das ist eine Bedrohung für die Zukunft der Menschen. Denn die türkischen Moscheen lehren die Kinder, dass Kurd*innen und Nicht-Muslim*innen Feinde sind. Niemand soll das folgende vergessen: Das, was al-Qaida, die ägyptische Muslimbruderschaft, iranische Schiiten, der IS und Erdoğan verbreiten und erzwingen, hat keine Verbindung zum kulturellen Islam. Das, was sie verbreiten, ist der islamische Faschismus selbst.“