Im Palais de Rumine in Lausanne hat eine Podiumsdiskussion mit dem Titel „Lausanne 1923: Wo waren die Kurd:innen?“ stattgefunden. Auf dem Podium diskutierten die Historiker Hans-Lukas Kieser, Oliver Adad und Sedat Ulugana sowie Zübeyir Aydar, Mitglied des Exekutivrats der KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans). Moderiert wurde die Veranstaltung von Céline Misiego.
Der erste Redner war der Schweizer Historiker Hans-Lukas Kieser, der über das späte osmanische Reich sowie die Geschichte der Türkei und deren Beziehungen zu Europa und der Schweiz forscht. Kieser ist Titularprofessor für Geschichte der Neuzeit insbesondere der osmanischen und nachosmanischen Welt an der Universität Zürich. Er begann sein Referat mit der Frage „Wo waren die Kurden, als der Vertrag von Lausanne geschlossen wurde?" und führte aus, dass die Kurd:innen ignoriert und kontinuierlich assimiliert wurden. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan wolle nun den vor hundert Jahren geschlossenen Vertrag von Lausanne revidieren, aber sein Ziel sei es, die Grenzen der heutigen Türkei zu erweitern.
Zübeyir Aydar erinnerte in seinem Vortrag daran, dass Kurdistan mit dem Vertrag von Lausanne vor 100 Jahren auf vier verschiedene Länder aufgeteilt wurde. Für die Kurd:innen sei das Abkommen ein Völkermord gewesen. „Diese Erfahrung machen wir seit hundert Jahren“, sagte Aydar und verwies auf die Massaker im vergangenen Jahrhundert, die heute wie beispielsweise mit der ethnischen Säuberung von Efrîn nach der türkischen Invasion im Jahr 2018 fortgesetzt würden.
Anschließend hielt der Historiker Dr. Oliver Adad einen Vortrag über die Bedeutung des Vertrags von Lausanne für die christlichen Minderheiten. Dr. Sedat Ulugana, Historiker und Dozent an der Universität Berlin, referierte über die Rolle von England und Frankreich bei der Aufteilung Kurdistans und sagte: „Mit der kurdischen Freiheitsbewegung sind die Kurden wieder als Subjekt auf die Bühne der Geschichte getreten."