In Istanbul findet an diesem Wochenende die von der Demokratischen Partei der Völker (HDP) organisierte „Konferenz der Demokratischen Republik" statt. Zu der zweitägigen Konferenz, die acht Themenblöcke umfasst, sind 500 Personen eingeladen worden.
Die HDP-Vorsitzenden Pervin Buldan und Mithat Sancar hielten Begrüßungsansprachen, in denen sie auf das Ziel der Konferenz eingingen. Sancar erklärte: „Wir befinden uns an einer kritischen Schwelle. Große Teile der Gesellschaft suchen nach einem Ausweg. Am Beginn des neuen Jahrhunderts ist es das Ziel der demokratischen Republik, gemeinsam zu gehen. Das Ziel ist eine gleichberechtigte Staatsbürgerschaft. Die Republik hat wichtige Merkmale und Errungenschaften. Die Hauptsache ist, dass die Staatsbürgerschaft auf einer gleichberechtigten Basis eingeführt wird. Bei uns ist jedoch das Gegenteil der Fall gewesen. Identitäten wurden nur innerhalb des vom Staat tolerierten Rahmens anerkannt. Die Türkei hat sich davon entfernt, eine Gesellschaft zu sein. Es sind ernsthafte Anstrengungen erforderlich, um eine Gesellschaft zu werden und ein freies Leben aufzubauen. Dafür wird ein Gesellschaftsvertrag notwendig sein, der unter größtmöglicher Beteiligung entstehen muss. Wir müssen alle gemeinsam denken und handeln. Die Überwindung der monistischen Mentalität ist ein Muss für eine freie Gesellschaft. Unser Ziel als Partei ist es, das Regime, das der regierende Block zu errichten versucht, zu verhindern. Wir brauchen eine Politik, bei der die ganze Gesellschaft gewinnt.“
„Die neue Ära gehört den Völkern der Türkei“
Pervin Buldan sagte in ihrer Eröffnungsrede, dass die ständigen Krisen in der Türkei durch ein System verursacht werden, das die Demokratie komplett ausschließe: „Die monistische Hegemonie eines Denkens, das alle Überzeugungen, Identitäten und Unterschiede ausschließt, ist die Hauptursache für den heutigen historischen Zusammenbruch des Landes. Es liegt in unser aller Verantwortung, dafür zu sorgen, dass das zweite Jahrhundert der Republik von einem starken sozialen Frieden und den Rechten der Werktätigen geprägt ist. Wir können dieses Ziel gemeinsam mit einem neuen politischen Geist ansteuern. Es geht nicht um politische Siege, sondern darum, 85 Millionen Menschen, die in einem gleichberechtigten und freien Land leben wollen, das Zeitalter der Demokratie zu bringen. Die ungelöste kurdische Frage ist die Quelle aller Probleme und stellt eine Kluft dar, die die Begegnung der Republik mit der Demokratie verhindert. Wenn wir diese Kluft sehen, können wir die kurdische Frage demokratisch und friedlich lösen. Die Aufdeckung der Wahrheit, die Abrechnung und die Heilung der gesellschaftlichen Wunden sind die beste Garantie dafür, dass sich die gleichen Leiden nicht wiederholen werden. Eine Republik kann nur durch die Freiheit und Gleichheit der Frauen demokratisch werden. Wir können das mit einem neuen Gesellschaftsvertrag erreichen, der auf Rechten und gleicher Staatsbürgerschaft beruht. Es ist unser aller Aufgabe, diese Möglichkeit in die Tat umzusetzen und den Traum derer zu verwirklichen, die in den ersten hundert Jahren ausgeschlossen waren. Wir werden auch weiterhin mit unseren Unterschieden zusammenkommen. Wir müssen einen Beitrag zu einer demokratischen Republik leisten. Ein neues Leben ruft uns, nicht der Status quo und die Restauration. Die neue Ära gehört den Völkern der Türkei.“
„Konferenz der Demokratischen Republik“ im Kulturzentrum Cem Karaca
In der ersten Sitzung diskutieren Ahmet Türk, Sırrı Süreyya Önder, Murat Belge, Necmiye Alpay, Oya Baydar und Rıza Türmen über die hundertjährige Bilanz der Republik Türkei. Der kurdische Politiker Ahmet Türk nimmt aufgrund einer Corona-Infektion online an der Sitzung teil. In der zweiten Sitzung geht es um die Dynamiken der Republiksgründung.
Die Konferenz wird live über YouTube übertragen, das gesamte Programm findet sich hier.