Am 21. Februar finden im Iran Parlamentswahlen statt. Oppositionelle Parteien, Organisationen und Bewegungen rufen zum Boykott auf, darunter auch die PJAK (Partei des freien Lebens – Kurdistan) und die Freiheits- und Demokratiebewegung Ostkurdistans (KODAR).
Wie Ehven Çiyako als Mitglied der Koordination von KODAR ausführt, sollen die Menschen die Wahlen boykottieren, weil nicht von einem demokratischen Ablauf ausgegangen werden kann: „Im Iran herrscht ein totalitäres und autokratisches System. Zwar sind einige Institutionalisierungen erfolgt und es wird behauptet, dass das Volk mit der Stimmabgabe selbst über sein Schicksal bestimmen soll, aber die Realität sieht anders aus.“
Im Iran wird nach Meinung von Çiyako alles über das von Ayatollah Khomeini installierte Konzept „Wilayat-e Faqih", die „Statthalterschaft der Rechtsgelehrten", geregelt. Die Verfassung kennt nur scheinbar demokratische Elemente. So kann das Volk den Präsidenten, das Parlament und auch den Expertenrat wählen, der aus 86 Geistlichen besteht.
„Insbesondere im Iran, aber allgemein in allen Nationalstaaten entsteht durch Wahlen keine direkte Demokratie. Direkte Demokratie bedeutet, dass das Volk sich selbst regiert und seine Leitung und sein Schicksal selbst bestimmt. Bei Wahlen in einigen westlichen Ländern wird die Bevölkerung zwangsläufig in die Regierung einbezogen, aber die Wahlen im Mittleren Osten sind alle reine Formsache. Und innerhalb des Mittleren Ostens sind vor allem im Iran Wahlen reine Formalität“, sagt Ehven Çiyako.
Wer bei den Parlamentswahlen kandidieren darf, wird vom Wächterrat entschieden. Dieses aus sechs Geistlichen und sechs Juristen bestehende Gremium überprüft sämtliche Bewerber, die bei Wahlen in Iran antreten wollen, und verweigert vielen von ihnen die Kandidatur. „Ein Kandidat wird also schon vor der Wahl ausgewählt“, erläutert Çiyako: „Wenn er das Formblatt für seine Kandidatur ausfüllt, muss er zeigen, dass er im Dienst der ‚ Wilayat-e Faqih‘ steht und nichts tut, war deren Interessen zuwiderläuft. Es reicht auch nicht aus, nur das Formular auszufüllen. Der Wächterrat muss der Kandidatur auch zustimmen.“
Die sechs Geistlichen im Wächterrat ernennt der Oberste Rechtsgelehrte Ali Chamenei selbst, die sechs Juristen werden von der von ihm kontrollierten Justiz vorgeschlagen und vom Parlament bestätigt. Der Wächterrat überprüft nicht nur Personen, sondern auch Parlamentsbeschlüsse auf Vereinbarkeit mit islamischen Werten.
„Allein diese Konstellation zeigt, dass die Wahlen nicht demokratisch sind. Darüber hinaus ist die Lage des Iran mehr oder weniger bekannt. Wahlen finden nicht statt, damit das Volk seine Vertreter wählen kann, es handelt sich eher um eine Schauveranstaltung aufgrund der Krise im In- und Ausland. Das Regime möchte über die Wahlen Legitimität gewinnen“, so Ehven Çiyako.
Zur allgemeinen Situation im Iran sagt das KODAR-Mitglied:
„Die Völker des Iran sind im 21. Jahrhundert von Assimilation betroffen. Es gibt viele verschiedene Völker im Iran. Ihre Rechte, ihre Identität und ihre Existenz sind bedroht. Die Gesetzgebung im Iran ist die Scharia. Frauen werden im Iran extrem unterdrückt und missachtet. Die Innen- und Außenpolitik hat große Probleme für die Bevölkerung hervorgerufen. Es herrschen Armut, Hunger und Arbeitslosigkeit. Früher haben reformistische Bestrebungen den Menschen zumindest ein bisschen Hoffnung gemacht, aber inzwischen glaubt die Bevölkerung nicht mehr an diese Versprechen.“
Zum Boykott-Aufruf sagt Ehven Çiyako: „Bei den Wahlen handelt es sich um ein Spiel der Herrschenden. Sie müssen boykottiert werden, weil sie den Menschen nichts geben können. Das Regime will sich über die Wahlbeteiligung auf internationaler Arena bestätigen lassen. Wenn die Bevölkerung die Wahlen breitflächig boykottiert, wird dem Regime diese Karte genommen. Nicht zur Wahlurne zu gehen und sich der Politik des Regimes anzuschließen, ist ein Signal, dass die Völker ein demokratisches System wollen. Gleichzeitig kann damit bewiesen werden, dass die wirkliche Macht beim Volk ist.“
In dieser Situation hat die Opposition die Aufgabe, gemeinsam vorzugehen und eine Führungsrolle einzunehmen, erklärt Ehven Çiyako: „Nicht zur Wahl zu gehen, ist ein erster Schritt zur Selbstverwaltung. Das muss das Volk entscheiden. Die revolutionären Bewegungen müssen eine Führungsposition einnehmen. Das Volk darf nicht allein gelassen werden. Indem die Bevölkerung nicht zur Wahl geht, lässt sie das Vorhaben des Regimes ins Leere laufen. Damit eine Revolution daraus entstehen kann, muss eine Organisationsform gefunden werden. Alle Kräfte im Iran, die sich als oppositionell bezeichnen, haben einzeln zum Wahlboykott aufgerufen. Sie hätten dabei gemeinsam vorgehen müssen. Die Opposition muss geschlossen handeln. Es hätte eine gemeinsame Veranstaltung stattfinden müssen, auf der alle oppositionellen Parteien und Bewegungen ihre Haltung erklärt hätten. Es hätte ein Plan für den Boykott und die Zeit nach den Wahlen erstellt werden müssen. Das ist jedoch alles nicht geschehen. Alle haben einzeln Erklärungen abgegeben. Diese Zersplitterung nützt ausschließlich dem Regime.“