Eine Razzia im kurdischen Gemeindezentrum in Haringey vor rund einer Woche wird wohl ein Nachspiel für die Londoner Polizei haben. Eine Kanzlei in der englischen Hauptstadt werde im Auftrag der Kurdish People's Democratic Assembly Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht einreichen, teilte eine Sprecherin am Sonntag mit. Mit der Feststellungsklage will die Organisation die Rechtswidrigkeit des Einsatzes feststellen lassen.
Handgreifliche Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Gästen
Anlass der Razzia am vorletzten Sonntag war eine geplante Kulturveranstaltung zum Jahrestag der PKK-Gründung vor 45 Jahren. Als die abendlichen Feierlichkeiten beginnen sollten, riegelten über hundert Beamtinnen und Beamte der Anti-Terror-Einheit der Metropolitan Police (Met) das Gemeindezentrum ab. Viele Mitglieder der kurdischen Community protestierten gegen das Vorgehen der auch als Scotland Yard bekannten Polizeibehörde, es kam zu handgreiflichen Auseinandersetzungen. Drei Gäste wurden leicht verletzt. Als der Vorfall bekannt wurde, trafen viele weitere Menschen ein und solidarisierten sich mit dem kurdischen Gemeindezentrum. Erst nach längeren Auseinandersetzungen zog die Polizei wieder ab und die Veranstaltung konnte beginnen.
Richterlicher Durchsuchungsbeschluss lag nicht vor
Laut der Kurdish People's Democratic Assembly sei die Razzia auf dem Privatgrundstück nicht von einer Ermächtigungsgrundlage gedeckt gewesen. Weder hätte ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss vorgelegen, noch habe eine sogenannte Gefahr im Verzug bestanden. Dennoch habe die Polizei die kulturelle Feier, an der Familien mit Kindern teilgenommen hätten, gestürmt und ohne legitimen Grund gewalttätig und aggressiv gestört. Damit stehe fest: die Razzia war offenbar „eindeutig politisch motiviert“ und das letzte Glied in einer Kette von Versuchen gewesen, Kurdinnen und Kurden zu kriminalisieren. Die Londoner Polizei äußerte sich bislang nicht dazu.
Razzia just nach Besuch des Verteidigungsministers in Ankara
Besonders bemerkenswert: der Polizeieinsatz in der Kurdish People's Democratic Assembly erfolgte nur zwei Tage nach einem Besuch des Verteidigungsministers des Vereinigten Königreiches, Grant Shapps, bei seinem türkischen Amtskollegen Yaşar Güler in Ankara. Bei dem Treffen soll laut Medienberichten eine Verbesserung der Zusammenarbeit in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit in Nahost vereinbart worden sein, darüber hinaus ging es wohl auch um Rüstungsgeschäfte. „Als Kurdish People's Democratic Assembly werfen wir der britischen Politik nicht umsonst den Missbrauch der Antiterrorgesetzgebung und der Justiz vor, um ihre eigenen politischen Ziele voranzutreiben“, hieß es.
Demonstration gegen Kriminalisierung kurdischer Community
Die Razzia in der Kurdish People's Democratic Assembly und die Kriminalisierung der kurdischen Community in England war auch auf einer Demonstration am Sonntagabend durch London zentrales Thema. An der vom Bündnis Demokratischer Kräfte – dem neben kurdischen auch alevitische, sozialistische und internationalistische Gruppen und Bewegungen angehören – organisierten Demonstration beteiligten sich mehrere hundert Menschen. Die Aktivistin Türkan Budak, die im Vorstand des kurdischen Gemeindezentrums sitzt, monierte, dass die britischen Antiterrorgesetze eine direkte Bedrohung für das Versammlungs- und Vereinigungsrecht sowie das Recht auf freie Meinungsäußerung darstellten. „Wir werden nicht länger hinnehmen, dass dieses Land kurdische Selbstorganisierung und kurdisches Leben kriminalisiert, den Krieg gegen Kurdinnen und Kurden beschweigt oder gar unterstützt, und die Gesetze dazu missbraucht werden, unseren Widerstand gegen das türkische Regime zum Schweigen zu bringen. Wir lassen nicht zu, dass wir zugunsten der Beziehungen des Vereinigten Königreichs zur Türkei und um Erdoğan zufriedenzustellen geopfert werden. Uns ist auch klar, dass diese Kriminalisierungspolitik auch mit der Sympathie des britischen Volkes für die kurdische Sache und den kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan zusammenhängt.“
Solidarität mit der gerechten und legitimen Sache des kurdischen Volkes
Auch in weiteren Redebeiträgen gab es Kritik an der Razzia im Gemeindezentrum in Haringey und am Umgang der britischen Regierung mit der kurdischen Community, es wurde Solidarität „für die gerechte und legitime Sache des kurdischen Volkes“ zum Ausdruck gebracht. „Wer sich in der Kurdish People's Democratic Assembly auf die Suche nach Terroristen macht, ist eindeutig auf dem Holzweg. Nicht die Kurdinnen und Kurden, die im Nahen Osten einen Kampf gegen reaktionäre faschistische und barbarische Strukturen führen und für die Menschenwürde und die ganze Welt einen hohen Preis zahlen, sind terroristisch. Die wahren Terroristen sitzen in Ankara“, sagte Ercan Akbal vom Bündnis Demokratischer Kräfte. Mit Parolen wie „Nein zur Kriminalisierung des kurdischen Volkes“, „Die Türkei ist ein Terrorstaat“ „Ohne Gerechtigkeit kein Frieden“ und „Freiheit für Öcalan, Frieden in Kurdistan“ bekundeten die Demonstrierenden ihre Unterstützung für die kurdische Bewegung.