Italien blockiert erneut Seenotrettung

Unter dem Vorwand technischer Mängel wurde das Seenotrettungsschiff „Ocean Viking“ der Hilfsorganisation SOS-MEDITERANEE von den italienischen Behörden festgesetzt.

Am Mittwochabend setzten die italienischen Behörden das Rettungsschiff „Ocean Viking“ wegen angeblicher technischer Mängel nach einer elfstündigen Inspektion im Hafen von Porto Empedocle auf Sizilien fest. Das Boot muss auf unbestimmte Zeit im Hafen bleiben. Die Seenotrettungsngo SOS-MEDITERANEE kritisiert das Vorgehen als „eine neue Stufe behördlicher Schikane mit dem Ziel, die lebensrettenden Einsätze der zivilen Seenotrettungsschiffe zu blockieren“.

EU versucht mit allen Tricks, Seenotrettung zu verhindern

Die EU-Staaten versuchen unter allen möglichen Vorwänden, die zivile Seenotrettung zu behindern. Angesichts der Tatsache, dass die staatliche Seenotrettung praktisch eingestellt wurde und Handelsschiffe, die ihrer seevölkerrechtlichen Pflicht nachkommen und Schutzsuchende aus dem Mittelmeer retten, mit Repressionsmaßnahmen überzogen werden, bedeuten diese Maßnahmen nichts weniger, als das Sterben im Mittelmeer zu fördern.

Bereits Anfang April hatten Malta und Italien ihre Häfen für „unsicher“ erklärt und damit für rettende Schiffe de facto geschlossen. Ein zynisches Argument, auch wenn man bedenkt, dass die Schutzsuchenden sich aus dem Bürgerkriegsland Libyen auf den Weg machen. Darauf folgte ein „Appell“ des deutschen Bundesinnenministeriums, derzeit „keine Fahrten aufzunehmen“, und „bereits in See gegangene Schiffe zurückzurufen“. Anschließend wurden die Rettungsschiffe Alan Kurdî, Aita Mari und Sea-Watch 3 festgesetzt ‒ nun traf es die „Ocean Viking“.

Schiffbrüchige sind keine Passagiere!

SOS-MEDITERANEE berichtet: „Als wesentliche Begründung für die Festsetzung teilte die italienische Küstenwache mit, dass das Schiff mehr Personen befördert hat, als im Zertifikat für die Ausrüstung von Frachtschiffen angegeben ist. SOS MEDITERRANEE betreibt das Schiff seit rund einem Jahr, in dem bereits drei Hafenstaatkontrollen durchgeführt wurden. Lediglich minimale Anpassungen wurden daraufhin gefordert. Die letzte Kontrolle wurde durch dieselbe Hafenbehörde durchgeführt, die heute die Ocean Viking bei der vierten Inspektion aus dem Verkehr gezogen hat. Auch gab es keine Neuerungen in den Sicherheitsvorschriften, die diese Maßnahme hätten erklären können.“

Frédéric Penard, Einsatzleiter bei SOS MEDITERRANEE, erklärt dazu: „Der norwegische Reeder der Ocean Viking hat zusammen mit SOS MEDITERRANEE als Charterer stets ein Höchstmaß an Sicherheit für die Besatzung und die Überlebenden an Bord des Schiffes respektiert und garantiert. Jetzt ist uns klar, dass in den letzten drei Monaten von den italienischen Behörden systematisch dasselbe Argument über die Sicherheit benutzt wurde, um vier zivile Schiffe festzusetzen, die Such- und Rettungsaktionen im zentralen Mittelmeer durchführen.“

Die italienischen Behörden gehen mit einem semantischen Trick vor und definieren Gerettete zu „Passagieren“ um. Es wäre so nur noch eine begrenzte Aufnahme von Schiffbrüchigen auf einem Schiff möglich. Diese Argumentation widerspricht allerdings dem internationalen Seerecht, das verpflichtend eine Rettung Schiffbrüchiger vorschreibt.

„Es ist offensichtlich, dass die italienischen Behörden in den vergangenen Monaten angebliche Sicherheitsmängel vorgeschoben haben, um die zivilen Rettungsschiffe vom Mittelmeer zu verdrängen“, sagt Verena Papke, Geschäftsführerin von SOS MEDITERRANEE Deutschland.

Durch die Festsetzung der Ocean Viking ist aktuell kein ziviles Rettungsschiff mehr im zentralen Mittelmeer im Einsatz.

Die Organisation appelliert seit ihrer Gründung vor fünf Jahren an die europäischen Mitgliedsstaaten, ihrer Verantwortung im Mittelmeer gerecht zu werden. In einer aktuellen Petition an Bundesaußenminister Heiko Maas fordert sie, dass die Bundesregierung sich im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft für ein europäisches Seenotrettungsprogramm einsetzt.

Die „Ocean Viking“ hatte zuletzt am 6. Juli 180 gerettete Schutzsuchende nach Porto Empedocle gebracht. Bevor das Schiff anlanden konnte, musste die „Ocean Viking“ elf Tage lang mit Schutzsuchenden an Bord auf hoher See ausharren. Anschließend kamen sowohl Besatzung als auch die Schiffbrüchigen 14 Tage in Quarantäne.