Istanbul: Festnahmen bei Gedenken an Kızıldere-Massaker

In Istanbul ist eine Gedenkkundgebung linker Jugendgruppen anlässlich des fünfzigsten Jahrestages des Kızıldere-Massakers von der Polizei gewaltsam aufgelöst worden. Mindestens sechs Beteiligte wurden festgenommen.

In der westtürkischen Metropole Istanbul ist eine Kundgebung von linken Jugendgruppen anlässlich des fünfzigsten Jahrestages des Kızıldere-Massakers von der Polizei gewaltsam aufgelöst worden. Mindestens sechs Beteiligte der Aktion wurden teilweise unter Gewaltanwendung festgenommen.

Zu der Gedenkveranstaltung vor der Oper Süreyya im asiatischen Stadtteil Kadıköy hatten die Organisationen Dev-Lis (Revolutionäre Gymnasiasten) und Dev-Güç (Kräfte der revolutionären Jugend) aufgerufen. Zunächst wurde die Zusammenkunft von der Polizei mit Verweis auf ein vom Landrat ausgesprochenes Versammlungsverbot eingekesselt. Weil die Gruppe den Aufforderungen nicht nachkam, den Platz zu verlassen, wurde die Kundgebung von der Polizei aufgelöst.

„Kızıldere war nicht das Ende, der Kampf geht weiter“ skandierten die Demonstrierenden, als einige von ihnen von Einsatzkräften zu Boden gebracht und über den Asphalt geschleift wurden. Gefesselt mit den Händen hinter dem Rücken wurden sechs von ihnen abgeführt und auf ein Revier gebracht. Vermutlich droht ihnen eine Anzeige wegen Verstoß gegen das türkische Versammlungsgesetz und Widerstand gegen die Staatsgewalt.

Das Kızıldere-Massaker

Am 26. März 1972 entführte Mahir Çayan, führender Kopf der revolutionären Generation der 1968er und Mitbegründer der Volksbefreiungspartei/Front der Türkei (THKP-C), zusammen mit anderen linken Aktivisten zwei britische und einen kanadischen Techniker einer Radarstation in Ünye am Schwarzen Meer. Damit beabsichtigten sie, Deniz Gezmiş, Hüseyin Inan und Yusuf Aslan, die als Führer der THKO zum Tode verurteilt worden waren, freizupressen. Vier Tage später, am 30. März 1972, wurden Çayan und seine Freunde von einer Spezialeinheit aus dem Amt für besondere Kriegsführung im Generalstab im Dorf Kızıldere (heute Ataköy) in der Provinz Tokat in einem Feuergefecht erschossen. Der HDP-Ehrenvorsitzende Ertuğrul Kürkçü war der einzige aus der Gruppe, der überlebte.

Deniz, Yusuf und Hüseyin: Vertreter der revolutionären Jugendbewegung

Deniz Gezmiş, Yusuf Aslan und Hüseyin Inan gehörten zu den wichtigsten Repräsentanten der linken Studenten- und Jugendbewegung in der Türkei. Sie waren ab Mitte der 1960er Jahre in der „Türkischen Arbeiterpartei“ (TIP) aktiv und hatten sich insbesondere durch militante Aktionen wie der Beteiligung an den Protesten gegen die 6. US-Flotte, die zu der Zeit in Istanbul vor Anker lag, gegen die in der Türkei stationierten US-Streitkräfte hervorgetan. Zu diesem Zeitpunkt protestierte die Jugend in vielen Ländern gegen die etablierten Institutionen und Herrschaftsformen. Die Geschichte von Gezmiş und seinen Weggefährten ist daher untrennbar verwoben mit den damaligen politischen Verhältnissen, die ihn und andere innerhalb der aufgespaltenen türkischen Linken den Weg in den militanten Widerstand wählen ließen. Am 6. Mai 1972 wurden Deniz Gezmiş, Yusuf Aslan und Hüseyin Inan in Ankara hingerichtet.