Istanbul: Festnahmedauer von Demonstranten verlängert

In Istanbul sind gestern 54 Personen bei einer Kundgebung für die Toten des IS-Attentats von Pirsûs festgenommen worden. Vier Anwälte und zwei Minderjährige wurden wieder freigelassen, die Festnahmedauer der restlichen Betroffenen ist verlängert worden.

Die am Vortag in der türkischen Bosporus-Metropole Istanbul festgenommenen Demonstrant*innen müssen mindestens weitere 24 Stunden in Polizeigewahrsam verbringen. Das ordnete die zuständige Staatsanwaltschaft am Dienstagnachmittag an. Die Entscheidung wurde damit begründet, dass die Ermittlungen im Zusammenhang mit „Verstößen gegen das Versammlungsgesetz und Sachbeschädigung“ noch nicht abgeschlossen seien. Die Betroffenen waren gestern bei einer Kundgebung anlässlich des fünften Jahrestags des IS-Attentats von Pirsûs (türk. Suruç) vor fünf Jahren festgenommen worden. Die Polizei ging mit massiver Gewalt gegen die Versammlung vor und setzte Tränengas sowie Gummigeschosse ein. Zunächst war noch von etwa zwanzig Protestierenden die Rede, die zur Polizeiwache Vatan gebracht worden seien. Mittlerweile wurde bekannt, dass es sich um insgesamt 54 Personen handelte.

Wie der Rechtsanwalt Ferat Boğatekin erklärte, wurden sechs Festgenommene inzwischen wieder auf freien Fuß gesetzt. Bei zwei von ihnen handele es sich um Minderjährige, vier weitere seien Kolleg*innen. Boğatekin, der Ko-Vorsitzender des Juristenverbands ÖHD ist, äußerte, dass sich die Polizeigewalt auch in Gewahrsam fortgesetzt habe. So sei eine Vielzahl der betroffenen Personen zunächst über mehrere Stunden mit auf dem Rücken gefesselten Händen im Polizeibus festgehalten und geschlagen worden. Einige von ihnen hätten teils schwere Hämatome und Prellungen an verschiedenen Körperstellen. Zwei Rechtsanwält*innen, die ihre Mandant*innen auf der Wache aufsuchten, wurden ebenfalls Opfer von Gewalt. Boğatekin kündigte juristische Schritte gegen die Polizei an.

Der Anschlag von Pirsûs am 20. Juli 2015 ereignete sich, als sich auf Aufruf der Föderation Sozialistischer Jugendvereine (SGDF) 300 junge Menschen am Kulturzentrum Amara versammelten, um vor ihrer Abreise nach Kobanê eine Pressekonferenz abzuhalten. Die geplante Fahrt nach Nordsyrien sollte ein Akt der Solidarität sein. Die Jugendlichen wollten Kinderspielzeug und humanitäre Hilfsgüter in die vom IS zerstörte Stadt bringen. An vielen Orten in Nordkurdistan und der Türkei fanden daher am Montag Gedenkveranstaltungen und Demonstrationen statt. Neben Istanbul  wurden auch Mahnwachen am Tatort des Anschlags  – dem Kulturzentrum Amara in Pirsûs in der nordkurdischen Provinz Riha (Urfa), und in Ankara von der Polizei angegriffen. Auch dort kam es zu mehreren Festnahmen.