Seit Beginn des Aufstands in Ostkurdistan und Iran vor zwei Wochen sind mindestens 83 Menschen getötet worden. Das teilte die Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights (IHR) am Donnerstagabend in Oslo mit. Unter den Opfern seien auch Kinder. Außerdem befinden sich tausende Demonstrierende und Aktive der Zivilgesellschaft in Haft, erklärte die Organisation und wies auf andauernde Festnahmen hin.
Die Proteste gegen den herrschenden Klerus und das System der Islamischen Republik gehen indes trotz purer Gewalt durch Sicherheitskräfte weiter. Sie waren vor zwei Wochen durch den Tod der 22-jährigen Jina Mahsa Amini ausgelöst worden. Die Kurdin war bei einem Besuch in Teheran von der iranischen Sittenpolizei festgenommen worden, weil ihre Kleidung nicht den strikten Vorschriften entsprochen haben soll. Auf der Polizeiwache wurde sie zu Tode geprügelt.
Für die Volksrevolte macht Teheran ausländische Kräfte verantwortlich. Unter anderem beschuldigte das theokratische Regime „konterrevolutionäre“ Oppositionsparteien in der Kurdistan-Region Irak (Südkurdistan), die ansässig sind in Iran und nach Aminis Tod zu einem Generalstreik aufgerufen hatten. Seit rund einer Woche greift die iranische Revolutionsgarde Gebiete in Südkurdistan an, die sich gegen Basislager ostkurdischer Organisationen sowie gegen zivile Siedlungsgebiete richten – zuletzt auch mit Boden-Boden-Raketen und Kamikaze-Drohnen.
Allein am Mittwoch gingen 73 iranische Raketen in den Provinzen Hewlêr (Erbil) und Silêmanî runter, unter anderem in einer Flüchtlingssiedlung im Distrikt Koyê. Dort war auch eine Grundschule von den Attacken betroffen. Dreizehn Menschen kamen dabei ums Leben, mindestens 58 weitere wurden verletzt. Bei einer Vielzahl der Opfer handelt es sich um Zivilpersonen. Das Regime will offenbar eine militärische Auseinandersetzung mit dem Nachbarland provozieren und greift auf ein Ablenkungsmanöver zurück, weil es nicht gelingt, den Volksaufstand zu zerschlagen. Jina Mahsa Amini stammte aus Seqiz (Saqqez) in Ostkurdistan, wo nach ihrem Tod die Proteste ihren Ausgang nahmen.
Regime verstärkt Druck auf Prominente
Als Reaktion auf die Revolte verstärkt Teheran auch den Druck auf bekannte Persönlichkeiten, die sich solidarisch mit den Protestierenden zeigen. „Wir werden gegen die Prominenten vorgehen, die die Unruhen angeheizt haben“, sagte der Gouverneur der Provinz Teheran, Mohsen Mansuri, laut der Nachrichtenagentur Isna am Donnerstag. Die Proteste werden von zahlreichen Kunstschaffenden aus Film und Musik sowie Sportler:innen unterstützt. Irans Justizchef Gholamhossein Mohseni Eschei beklagte, dass diejenigen, die „durch die Unterstützung des Systems“ berühmt geworden seien, sich nun in „schwierigen Zeiten dem Feind“ angeschlossen hätten.
Baerbock fordert EU-Sanktionen gegen Teheran
Indes rief Bundesaußenministerin Annalena Baerbock am Donnerstag Irans Behörden auf, „ihr brutales Vorgehen gegen Demonstranten unverzüglich“ einzustellen. Aus der „puren Gewalt des iranischen Systems spricht pure Furcht“, sagte die Grünen-Politikerin im Rahmen einer Aktuellen Stunde im Bundestag. Baerbock forderte zudem Sanktionen gegen diejenigen im Iran, die ohne Rücksicht Frauen im Namen der Religion zu Tode prügeln und Demonstrierende erschießen würden. „Im Kreis der EU-Staaten tue ich gerade alles dafür, dass wir Sanktionen auf den Weg bringen können“, so Baerbock weiter.