Die Antwort der Bundesregierung auf eine Frage der linken Abgeordneten Gökay Akbulut zum Inhalt der Gespräche mit dem türkischen Verteidigungsminister Hulusi Akar im Vorfeld des Gare-Angriffs gleicht einem Eingeständnis.
Die migrationspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE hatte die Bundesregierung im ersten Teil ihrer parlamentarischen Initiative gefragt, wie diese die in der Nacht auf den 10. Februar 2021 von der türkischen Armee gestartete umfassende Invasion in der südkurdischen/nordirakischen Region Gare (Provinz Dihok) beurteile. Sie wies dabei insbesondere auf eine Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags zum Thema „Militäroperationen der Türkei gegen PKK-Stellungen im Nordirak aus völkerrechtlicher Sicht“ hin, in der die türkischen Operationen klar als ein Verstoß gegen das Gewaltverbot eingeordnet werden. In dem Gutachten heißt es, es gäbe keine Selbstverteidigungssituation der Türkei, die einen solchen „Verstoß gegen das Gewaltverbot gegenüber dem Irak rechtfertigen könnte“.
Bundesregierung legitimiert Völkerrechtsbruch
Die Bundesregierung machte sich in ihrer Antwort diese Definition der Wissenschaftler*innen des Bundestags nicht zu eigen und vermied es, offensichtlich aus Rücksichtnahme auf die Türkei, Stellung zu beziehen: „Bei ihrem Vorgehen beruft sich die Türkei, wie auch bei früheren Militäreinsätzen gegen die PKK in Irak, auf das Selbstverteidigungsrecht nach Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen sowie auf Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus.“ Obwohl nicht danach gefragt, versucht sich die Bundesregierung wie üblich in der Unterstützung der türkischen Position, indem sie betonte: „Die PKK ist auch in der Europäischen Union als terroristische Organisation gelistet.“ Um sich jedoch völkerrechtlich abzusichern, zeigt die Bundesregierung angesichts des massiven Bruchs internationalen Rechts „Verständnis“ dafür, „dass die irakische Regierung die türkische Regierung wiederholt aufgefordert hat, die Souveränität Iraks zu respektieren“. Damit macht die Bundesregierung deutlich, dass sie sich der kriminellen Dimension des Angriffes bewusst ist, aber nicht bereit ist, sich gegen ihn zu stellen. Während im vorherigen Satz noch von der „Souveränität des Iraks“ und damit ein Völkerrechtsbruch durch die Türkei im Raum steht, wischt die Bundesregierung im nächsten Satz Bedenken vom Tisch, indem sie Unsicherheit heuchelt: „Der Bundesregierung ist die in der Frage erwähnte Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags bekannt. Um eine völkerrechtliche Einordnung der aktuellen türkischen Militäroperation vornehmen zu können, liegen der Bundesregierung jedoch keine ausreichenden Erkenntnisse vor.“
Akbulut: Bewusste Ignoranz des Völkerrechtsbruchs ist „eine Schande“
Die Abgeordnete kommentiert diese Antwort: „Zuvor hatten die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags die Angriffe der Türkei auf Südkurdistan als ‚Verletzung des Völkerrechts‘ bezeichnet. Es ist eine Schande, dass die Bundesregierung, diese Verletzung des Völkerrechts bewusst ignoriert, indem sie behauptet, dass sie im Moment keine ausreichenden Erkenntnisse habe."
Bundesregierung gesteht Kenntnis von Gare-Invasion indirekt ein
Im zweiten Teil der Frage wirft Akbulut ein Licht auf den Besuch des türkischen Verteidigungsministers Hulusi Akar (AKP) bei Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) am 2. Februar, im direkten Vorfeld der Gare-Invasion. Gefragt nach dem Inhalt des Gesprächs gleicht die Antwort einem Eingeständnis. Wie üblich wurde in der Antwort zwar abgelehnt, über den Inhalt bilateraler Treffen auf Ministerebene zu sprechen, aber der deutliche Hinweis gegeben: „Die Situation in Irak ist regelmäßig Bestandteil von Gesprächen der Bundesregierung mit Vertretern der Regierung der Türkei, zuletzt beim Gespräch von Bundesverteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer mit ihrem türkischen Amtskollegen Akar am 2. Februar 2021. Zu inhaltlichen Einzelheiten dieser vertraulichen Gespräche äußert sich die Bundesregierung grundsätzlich nicht.“