Ayşe Deniz Karacagil, die im vergangenen Mai in Raqqa bei einem Gefecht mit dem Islamischen Staat ihr Leben verloren hat, ist von einem türkischen Gericht zu einer Haftstrafe von 55 Monaten verurteilt worden. 2013 wurde die damals 20-jährige Karacagil in Antalya nach Demonstrationen im Zuge der Gezi-Proteste zunächst in Untersuchungshaft genommen. Viele der zur gleichen Zeit festgenommenen Demonstrant*innen kamen mit Haftstrafen von unter zwei Jahren davon. Einige Strafen wurden auch zur Bewährung ausgesetzt. Für Karacagil, die während einer Demonstration einen roten Schal getragen hatte, forderte die Staatsanwaltschaft eine andere Strafe. Da rot die Farbe des Sozialismus sei und der Schal somit Beleg für ihre Zugehörigkeit zu einer Terrororganisation bedeute (so stand es in der Anklageschrift), verlangte die Staatsanwaltschaft bis zu 98 Jahre Haft für die junge Frau. Die Vorwürfe lauteten: Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Sachbeschädigung, Verstoß gegen das Versammlungsrecht.
Karacagil setzte sich nach Südkurdistan ab und schloss sich der Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei (MLKP) an. Sie zog weiter nach Rojava / Nordsyrien und kämpfte in Raqqa gegen den Islamischen Staat. Vergangenen Mai verlor sie bei einem Gefecht mit IS-Milizen ihr Leben.
Am Freitag wurde sie von der 6. Strafkammer des Gerichts in Antalya zu einer Haftstrafe von 55 Monaten verurteilt, da sie „offiziell nicht für tot gelte“. Karacagils Anwalt Hakan Evcin sagte: „Das Gesetz sieht vor, dass im Falle des Todes Verfahren eingestellt werden. Jedem ist bekannt, dass meine Mandantin nicht mehr am Leben ist, auch wenn im Personenregister etwas anderes steht. Wir haben vom Gericht erwartet, dass Ayşe Deniz freigesprochen wird. Auch für den Fall einer Verurteilung hätte die Staatsanwaltschaft zunächst beantragen müssen, die Angaben im Personenregister zu korrigieren. Weil dies nicht geschah, ging aus dem Schreiben des Einwohnermeldeamtes hervor, dass Ayşe Deniz lebt. Infolgedessen kam es zu einer Verurteilung.“