In den für Menschenrechtsverletzungen bekannten türkischen Gefängnissen findet nach eineinhalb Jahren erneut ein Hungerstreik statt. Die von Mitgliedern der PKK und der PAJK begonnene Aktion richtet sich gegen die Isolation von Abdullah Öcalan und gegen die zusätzlichen persönlichen Beschränkungen und Menschenrechtsverletzungen, denen politische Gefangene seit Beginn der Covid-19-Pandemie ausgesetzt sind.
Seitdem der Friedensprozess zwischen dem türkischen Staat und der PKK im Jahr 2015 von Seiten der AKP-Regierung für beendet erklärt wurde, wird Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali isoliert und kann nicht einmal von seinem Anwaltsteam oder Angehörigen Besuch erhalten. Nach einem 200-tägigen Massenhungerstreik, der Ende 2018 von der kurdischen Politikerin Leyla Güven initiiert wurde, ist die Isolation kurzfristig durchbrochen worden. Der letzte Anwaltsbesuch fand im August 2019 statt, seitdem gibt es keinen Kontakt mehr. Während Öcalans Rechtsbeistand und Familienangehörige weiterhin regelmäßig Besuchsgenehmigungen beantragen, hat die Generalstaatsanwaltschaft Bursa am 23. September ein Besuchsverbot für weitere sechs Monate angeordnet. Grund dafür ist nach Angaben der Staatsanwaltschaft das Erstellen einer „Road Map“ für eine Lösung der kurdischen Frage, die Öcalan im Jahr 2009 einem Verteidigungsschreiben an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angehängt hatte.
Für die politischen Gefangenen aus PKK-Verfahren war dies der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Seit dem 27. November findet gruppenweise im Wechsel ein jeweils fünftägiger Hungerstreik statt. Am Mittwoch sollen die zweiten Gruppen den Hungerstreik übernehmen und weiterführen. Da die Gefängnisverwaltungen unter Berufung auf die Pandemiesituation das Besuchsrecht einschränken sowie kaum Anwaltsgespräche zulassen, ist unklar, wie viele Gefangene in den verschiedenen Haftanstalten an der Aktion teilnehmen werden.
Überfall auf Zellentrakt von HDP-Politikerinnen
Ein Zellentrakt im Hochsicherheitsgefängnis Kandira, in dem prominente HDP-Politikerinnen als politische Geiseln festgehalten werden, ist aufgrund des Hungerstreiks vom Wachpersonal durchsucht worden. Das teilt der Frauenrat der Demokratischen Partei der Völker (HDP) mit. Bei den betroffenen Politikerinnen handelt es sich um Figen Yüksekdağ, Sebahat Tuncel, Gültan Kışanak, Çağlar Demirel, Edibe Şahin, Aysel Tuğluk, Nurhayat Altun und Gülser Yıldırım. Bei der Durchsuchung wurden Bücher, Stifte, persönliche Aufzeichnungen, Gedichte und literarische Texte sowie Unterlagen für die Verteidigung vor Gericht beschlagnahmt.
Der Frauenrat der HDP weist auf die allgemeine Verschärfung der Repression gegen die Partei und die Ankündigung vermeintlicher Reformen aus dem Regierungsblock hin: „Die Reform der faschistischen AKP/MHP-Koalition besteht aus Drohungen von Mafiabossen gegen Oppositionelle. Seitdem über eine Reform gesprochen wird, hat sich die Repression gegen Oppositionelle und Frauen, die für ihre Rechte kämpfen, extrem verschärft. Hunderte Menschen wurden festgenommen und Dutzende verhaftet. Parallel dazu ist die Unterdrückungs- und Einschüchterungspolitik in den Gefängnissen verschärft worden. Die Zellendurchsuchungen stellen in einer Zeit, in der sich das Coronavirus unkontrolliert ausbreitet und alle Kontakte zwischen drinnen und draußen vermieden werden müssen, eine besondere Form der Folter dar. Die Bemühungen der AKP/MHP-Regierung, die unsere Freundinnen als politische Geiseln hält, sind jedoch umsonst. Sie kann den auch im Gefängnis fortgesetzten Kampf nicht aufhalten.“
Die Regierung versuche die Öffentlichkeit mit Lügen über Reformen zu beschäftigen, so der HDP-Frauenrat: „Die Frauen in diesem Land wollen jedoch keine angeblichen Reformen, sondern einen radikalen Wandel. Sie werden ein neues Leben aufbauen! Wir erklären ein weiteres Mal, dass wir uns weder drinnen noch draußen der Unterdrückung beugen werden. Jeder Angriff macht uns stärker und die Solidarität größer.“