Hıdır Yıldırım kommt frei!

Das Kammergericht Berlin hat heute den kurdischen Aktivisten Hıdır Yıldırım im Verfahren nach §§129a/b StGB zu einer Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten ohne Bewährung verurteilt. Gleichzeitig wurde Haftentlassung angeordnet.

Die Staatsanwaltschaft hatte auf eine Strafe von zwei Jahren und drei Monaten plädiert, die Verteidigung hingegen Freispruch gefordert. Hıdır Yıldırım war nach § 129a/b StGB der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland angeklagt. Wie in allen derartigen Prozessen gegen Kurden und türkische Linke wurden ihm keine konkreten Straftaten vorgeworfen. Relevant war für das Gericht nur eine vermeintliche Einbindung in die Strukturen der PKK oder so genannter Nachfolgeorganisationen.

Geschenk für Erdoğan

Die Kampagne Tatort Kurdistan erklärte zu dem Prozess: „Die Kriminalisierung der Erdoğan-Opposition durch die Bundesregierung ist ein Geschenk und zugleich doppelzüngig. Die Kooperation der BRD mit dem faschistischen Regime der AKP ist weiterhin geprägt durch den Export von Kriegsgerät, verlängerten Kriegseinsätzen der Bundeswehr, Geheimdienstkooperation und starken Wirtschaftsbeziehungen.“ Die herrschende Politik mache sich mitschuldig an der anhaltenden Verfolgung von Minderheiten und Oppositionellen, darunter Tausende Lehrkräfte, Kulturschaffende, Abgeordnete und Journalist*innen in der Türkei und Kurdistan, so die Erklärung der Kampagne Tatort Kurdistan.

„Kein Recht auf ein menschenwürdiges Leben?“

In seiner Prozesserklärung vom 24. September hatte Hıdır Yıldırım den geschichtlichen Hintergrund seines alevitischen Glaubens und seine damit verbundene politische Identität dargestellt:

„Wenn die Türkei so wie manche europäische Staaten Respekt vor Menschenrechten und Demokratie hätte und die Rechte von Individuen achten würde, würden weder die Aleviten noch die Kurden gegen den türkischen Staat rebellieren. Und ich wäre heute nicht hier und würde nicht vor Gericht stehen müssen. Ich hätte meine Heimat nicht verlassen. Das heißt: jede Grausamkeit erzeugt Widerstand. Wenn mein Glaube, meine Identität mit Füßen getreten werden, sollte sich keiner das Recht herausnehmen mir zu sagen, ich müsse im Angesicht all dessen schweigen. Auch nach der deutschen Verfassung ist die Würde des Menschen heilig und unantastbar. Haben die Aleviten und andere Glaubensrichtungen und die Kurden keine Identitäten, keine Würde, haben sie nicht das Recht auf ein menschenwürdiges Leben?“

AZADÎ begrüßt die Freilassung

Der Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden AZADÎ begrüßte in einer schriftlichen Stellungnahme die Freilassung von Hıdır Yıldırım und wünschte ihm „eine bessere Zukunftsperspektive jenseits von Schikanen und politischer Verfolgung durch bundesdeutsche Strafverfolgungsbehörden“.

Laut AZADÎ befinden sich zurzeit sieben kurdische Aktivisten in Straf- und einer in Untersuchungshaft. Ein weiterer Kurde, Yunus O., sei zwar ebenfalls nach §§129a/b angeklagt, aber auf freiem Fuß. Die Eröffnung seines Prozesses sei für den 17. Januar 2018 vor dem Oberlandesgericht Celle anberaumt.