Hannover: Olaf Scholz mit Kriegsverbrechen konfrontiert

Eine Gruppe Aktivist:innen besuchte die SPD-Wahlkampfabschlusskundgebung mit Olaf Scholz in Hannover und protestierte gegen Waffenexporte und das Schweigen der Bundesregierung zu türkischen Kriegsverbrechen in Südkurdistan und Rojava.

Am Samstagnachmittag protestierten Aktivist:innen der Initiative „Defend Kurdistan“ auf der Kundgebung der SPD zum Wahlkampfabschluss in Anwesenheit von Bundeskanzler Olaf Scholz gegen Waffenexporte an die Türkei und forderte die Bundesregierung auf, die Unterstützung und dass Schweigen zu den türkischen Kriegsverbrechen in Südkurdistan und Rojava zu beenden. So wurden mit Beginn der Rede des Bundeskanzlers ein Transparent und Plakate mit den Forderungen hochgehalten und die Parolen „Iran, Irak, Syrien und Türkei - bei jeder Schweinerei ist die SPD dabei!" und „Deutsche Waffen, deutsches Geld - morden mit in aller Welt!“ gerufen. Das Abspielen eines Redebeitrages, der die aktuelle Lage schilderte, die Rolle der SPD thematisierte und alle Anwesenden dazu aufforderte, sich zu positionieren und den Druck auf die SPD-Führung zu erhöhen, wurde durch schnelles Eingreifen der Polizei verhindert.

Die Aktivist:innen forderten unter anderem eine Flugverbotszone für die Türkei in Syrien und im Irak, den Stopp aller Waffenexporte und eine Sanktionierung der Türkei, die Aufhebung des PKK-Verbots, die Beendigung der Repression gegenüber Kurd:innen und eine Anklage des Erdogan-Regimes und der Regierungsparteien AKP und MHP vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). In ihrer Pressemitteilung schreiben die Aktivist:innen:

Deutschland ist spätestens seit der Ära Helmuth Karl Bernhard von Moltke ab den 1800er Jahren aktiver Akteur im Krieg gegen Kurd:innen in ganz Kurdistan. Deutschland drückte dem Jungtürkentum damals seinen chauvinistischen Stempel auf und beförderte aus hegemonialem Eigeninteresse eine Politik der Vernichtung von Kurd:innen und anderen Minderheiten in ganz Kurdistan und darüber hinaus.


Die unterschiedlichen Bundesregierungen sind bestrebt, unter anderem die Türkei innen- und außenpolitisch für ihre eigenen Interessen zu unterstützen. So verwundert es nicht, dass seit dem Düsseldorfer Prozess von 1989 und seit dem PKK-Verbot von 1993 die BRD immer wieder auf Kosten der Kurd:innen ihre menschenfeindliche Politik weiterentwickelt. Allein die Jahre der GroKo unter Merkel mit der angekündigten „neuen deutschen Verantwortung“ zeigen wie auch zuvor in der Schröder-Legislatur, dass die SPD Teil dieser menschenverachtenden und kurdenfeindlichen Politik ist und diese mitgestaltet.

In einem der dpa vorliegendem geleakten Papier des Bundeswirtschaftsministeriums von 2020 heißt es, dass die Türkei im Jahr 2019 Kriegswaffen aus Deutschland im Wert von 344,6 Millionen Euro erhalten habe, was mehr als ein Drittel des gesamten deutschen Kriegswaffenexportvolumens ausmacht. Die Türkei ist damit zwei Jahre in Folge auf dem ersten Platz der Empfängerländer von Kriegswaffen aus Deutschland.

Außenminister Sigmar Gabriel (SPD), auch bekannt als Panzer-Siggi, machte sich einen Namen durch Pläne für die Auf- und Nachrüstung und den Verkauf neuer Leopard-Panzer an die Türkei mit der Begründung, die Türkei kämpfe damit gegen den IS. Doch zuvor waren es wie in den 1990ern diese Leopard-Panzer, die Anfang 2018 in den Kanton Efrîn in Rojava rollten. Die Türkei bombardierte Efrîn in einer Nacht stundenlang mit 72 Kampfjets. Auch war es Panzer-Siggi, der sich kurz nach der türkischen Invasion auf Efrîn mit dem türkischen Außenminister Çavuşoğlu in Goslar traf und sich zurecht einen weiteren Namen als „Çayci“ (Teejunge) machte. Später löste Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) seinen Amtskollegen ab, um mit derselben kurdenfeindlichen Politik weiterzumachen.

Vergleicht man die Zahlen der Waffenexporte mit den Vorjahreswerten, so geht daraus ein Anstieg von 242,8 auf 344,6 Millionen Euro (29,4 Prozent) an Kriegswaffenexportvolumen an die Türkei hervor. Dies alles geschah, während die Türkei Efrîn 2018 völkerrechtswidrig besetzte und 2019 auch in Serêkaniyê (Ras al-Ain) und Girê Spî (Tall Abyad) einmarschierte. Außenminister Maas hatte im Oktober 2019 einen Genehmigungsstopp für Waffenlieferungen an das Erdoğan-Regime vor dem Hintergrund des Einmarsches in Nordostsyrien/Rojava verkündet. Aber wie seine Aussage zeigt, ließ Maas eine Hintertür für die Waffenindustrie offen, die daraufhin reichlich genutzt wurde: Es solle nur um Rüstungsgüter gehen, die in Syrien einsetzbar sind.

So verwundert es nicht, dass nun auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei seinem Besuch im März 2022 in der Türkei den Genozid an Kurd:innen und die menschen- und völkerrechtswidrigen Angriffe der Türkei auf den Irak und Syrien nicht thematisierte. Ganz im Gegenteil liegt der Verdacht nah, dass die Invasion auf Südkurdistan abgesprochen wurde: Knapp einen Monat später startete die Türkei eine völkerrechtswidrige Militäroffensive mit international verbotenen Waffen in Südkurdistan (Nordirak). Das findet neben ständigen Drohnenangriffen auf die Zivilbevölkerung in Mexmûr, Şengal, Südkurdistan und Syrien statt.

Olaf Scholz ist durch seine illegale und menschenfeindliche Praxis in Hamburg bereits der Öffentlichkeit bekannt. Als Innensenator machte er sich in seiner Amtszeit durch Brechmittel-Folter der Verbrechen an der Menschlichkeit schuldig. Diese kurze und grobe Skizzierung zeigt deutlich, wie notwendig es ist, Aufmerksamkeit auf diese menschenfeindliche Staatspolitik zu richten und sie in der Öffentlichkeit zu thematisieren. Solange Menschenfeinde unsere Zukunft gefährden und Kriege auf Kosten der Zivilbevölkerung ausgetragen werden, solange werden wir Widerstand leisten. In Kurdistan, in Deutschland, überall!