Haftentlassung von Nuriye Gülmen

Im Prozess gegen Nuriye Gülmen, Semih Özakça und Acun Karadağ wurde das Urteil gefällt. Das Gericht entschied, Gülmen aus der Haft zu entlassen. Özakça und Karadağ wurden freigesprochen.

Die Urteilsverkündung verfolgten Semih Özakça und Acun Karadağ im Gerichtssaal, Nuriye Gülmen hingegen über das SEGBIS-System aus dem Krankenhaus. Das Gericht verurteilte Gülmen wegen „Mitgliedschaft in einer Organisation“ zu einer Haftstrafe von sechs Jahren und drei Monaten, beschloss jedoch gleichzeitig ihre Haftentlassung.

Nuriye Gülmen befindet sich aus Protest gegen ihre Entlassung seit 269 Tagen im Hungerstreik. Sie und Semih Özakça wurden wie etwa 150.000 weitere Staatsbedienstete an den Unis, im Sicherheits-, Verwaltungs- und Justizapparat seit dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 per Dekret entlassen. Gülmen war Literaturdozentin an einer Uni in Konya, Özakça war Lehrer an einer Grundschule in Mardin.

„In meiner Würde verletzt“

In ihrer Prozesserklärung wies Nuriye Gülmen darauf hin, dass ihr in der Anklageschrift vorgeworfen werde, auf Befehl einer Organisation in den Hungerstreik getreten zu sein: „Es wird jedoch nicht gesagt, wer diesen Befehl gegeben haben soll. Einen solchen Befehl gibt es nicht. Was den Menschen angetan wurde, hat mich in meiner Würde verletzt. Wir redeten darüber, was wir tun könnten, aber niemand tat etwas. Wenn man wirklich denkt, dass einem eine Ungerechtigkeit widerfahren ist, darf man nicht dazu schweigen.“

Weiter ging Gülmen darauf ein, warum sie einen Sitzstreik auf der Yüksel Caddesi in Ankara begonnen hatte: „Es waren viele Dinge, die mich dorthin gebracht haben. Ich war sehr wütend. Ich war von der Arbeit entlassen worden und konnte nicht einmal mehr lesen. So ist das, wenn man seine Arbeit verliert. Vor einer Weile haben wir miterlebt, was in den kurdischen Provinzen passiert ist. Mutter Taybets Leichnam lag auf der Straße. Wir haben gesehen, wie Menschen entrechtet wurden. Deshalb haben wir Widerstand geleistet. Ich war vielleicht alleine, aber ich wusste, dass ich Recht habe und auf der richtigen Seite stehe. Ich wusste, dass weitere Menschen dazu kommen würden, und so war es auch. Wir wurden immer mehr.“

Anschließend erklärte Gülmens Anwalt Murat Yılmaz, dass die Justiz niemals unabhängig sei und stets von der politischen Macht im Kampf gegen Kurd*innen und Linke benutzt werde.