18. März - Wider die Repression
Der bekannte kurdische Politiker Tahir Köçer, ehemaliger Ko-Vorsitzender des kurdischen Dachverbands Kon-Med und Mitglied im Nationalkongress Kurdistan (KNK), dem kurdischen Exilparlament, wurde im Dezember 2022 in Nürnberg verhaftet. Der Vorwurf lautet wie bei allen kurdischen Aktivisten auf „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland“. Vor wenigen Tagen endete Köçers Prozess am OLG München mit einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten.
Er ist einer von derzeit elf politischen Gefangenen aus Kurdistan, die der deutsche Staat aufgrund des §§129a/b StGB in Straf- bzw. Untersuchungshaft geschickt hat. Köçer ließ der Roten Hilfe eine Grußbotschaft zum Tag des politischen Gefangenen zukommen. Sie wurde heute auf der Kundgebung verlesen. Darin verweist Köçer auf die Wichtigkeit von Solidarität und bedankt sich: „Die vielen Karten und Briefe von Freund:innen sind ein wichtiges Zeichen. Sie haben mir immer Moral und Energie gegeben.“
„Kein kurdischer Mensch soll unorganisiert bleiben“
Tahir Köçer setzte sich immer offen ein für die Belange der kurdischen Community und sah in der Organisierung die einzige Chance, dem anti-kurdischen Rassismus und der „Terror“-Stigmatisierung zu begegnen. „Kein kurdischer Mensch soll unorganisiert bleiben“ war Leitmotiv seiner politischen Arbeit. Immer betonte er, Selbstorganisierung bedeute für die kurdische Freiheitsbewegung die Chance zum Überleben. Selbstorganisierung ist das, was der Staat am meisten fürchtet. Es ist das Gegenteil von Isolation und Individualismus.
„Gemeinsam sind wir stark“ – das kennen auch die linken Bewegungen in Europa, das kennt die Rote Hilfe, die zusammen mit dem Rechtshilfefonds Azadî die politischen Gefangenen immer wieder mit Solidaritätskarten, mit Kundgebungen und Demos und solidarischer Prozessbeobachtung unterstützt.
Haftsituation von Tahir Köçer
Kurz geht Köçer, der an chronischen Krankheiten leidet, auch auf seine Haftsituation ein. Er sei untergebracht „in einer Zelle von 7m² mit einem 50 cm großen Lüftungsfenster, durch das ich nur den Himmel sehen kann. Ich muss 22 Stunden in diesem Raum bleiben. Wir dürfen eine Stunde am Tag an die frische Luft. Es ist nicht möglich, die Bücher, die ich lesen möchte, zu bekommen. Meine Bitte, Bücher von außerhalb zu bestellen, wird durch lange bürokratische Hürden blockiert“.
Trotz dieser Haftbedingungen in der JVA München-Stadelheim bleibt Köçer optimistisch und lässt sich nicht brechen: „Ich bin guter Dinge. Ich grüße euch von ganzem Herzen. Ich wünsche, dass das Jahr 2024 der ganzen Menschheit Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit für alle bringen wird. Ich hoffe, wir sehen uns in freien Tagen… Es lebe der internationalistische Widerstand! Es lebe der Freiheitskampf des kurdischen Volkes!“
In weiteren Redebeiträgen wurde die Arbeit der Roten Hilfe dargestellt und auf die zunehmende Repression gegen linke Aktivist:innen hingewiesen. Dabei geht es manchmal um Kriminalisierung, oft aber gerade gegenüber Migrant:innen um Verweigerung des Rechts auf Asyl, um Ausweisung, Abschiebung oder die Aberkennung des Aufenthalts. Auch sind der Region mehrere Versammlungszentren und selbstorganisierte Hausprojekte von Kündigung oder dem Verlust der Gemeinnützigkeit bedroht. All dies zeigt: Das Klima wird rauer gegenüber Menschen und Organisationen, die sich nicht dem Mainstream unterwerfen, sondern selbstbestimmt leben wollen. Sie zu schützen und Freiräume zu verteidigen ist neben der Gefangenenarbeit Aufgabe der Roten Hilfe.
„Weg mit Repression, Polizeiterror und Klassenjustiz! Gegenmacht im Alltag aufbauen!“
Nach der Kundgebung hatten die Teilnehmer:innen Gelegenheit, von der Roten Hilfe vorbereitete Karten an politische Gefangene zu schicken.