Hat sich Hogir Alay tatsächlich im vergangenen Herbst in einem Waldstück auf dem Gelände der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende (AfA) im rheinland-pfälzischen Kusel selbst erhängt? Um das herauszufinden, sind die in Qoser (tr. Kızıltepe) bei Mêrdîn begrabenen sterblichen Überreste des Kurden auf Anordnung der Oberstaatsanwaltschaft exhumiert worden. Eine Obduktion soll offene Fragen der Familie beantworten, teilte die Initiative Hogir Alay mit.
Hogir Alay kam vor gut einem Jahr aus Qoser nach Deutschland und war in Freiburg als Asylbegehrender erfasst worden, bevor er zunächst in Trier und zuletzt in der Flüchtlingsunterkunft in Kusel untergebracht wurde. Im Oktober verschwand er plötzlich. Die Angehörigen hatten zuletzt Kontakt zu ihm am 11. Oktober 2023. Seit diesem Datum wurde der 24-Jährige in der Flüchtlingsunterkunft nicht mehr gesehen. Sein in Österreich lebender Bruder kontaktierte deshalb mehrfach die Polizei in Kusel und in Kaiserslautern und bat darum, nach Hogir zu suchen. Die Beamten konnten ihn nicht antreffen, eine Fahndung leiteten sie dennoch nicht ein.
Erst am 4. November fand ein Bewohner der AfA den leblosen Körper von Hogir Alay – mit einem Gürtel um den Hals an einen Baum gelehnt. Unterstützende der anschließend gegründeten kurdischen „Initiative Hogir Alay“ vermuteten, dass er in den Suizid getrieben worden sein könnte. „Hogir hat sich wiederholt über die Bedingungen in der Unterkunft Kusel und insbesondere über psychische Belastung und wiederholte Zimmerverlegung in der Massenunterkunft beklagt. Er berichtete von Schikanen und Übergriffen durch das Sicherheitspersonal. Übersetzer:innen weigerten sich offenbar mit der Begründung, seine Aussagen würden dem Ruf der Einrichtung schaden, die Klagen Hogirs an die Einrichtungsleitung weiterzuleiten. Sein Vater berichtet, die Übersetzer:innen hätten ihm gesagt, die Einrichtung solle nicht durch seinen Namen in den Dreck gezogen werden. Darauf habe Hogir geantwortet: ‚Ihr seid verantwortlich, wenn mir etwas passiert‘“, hatte die Initiative Ende November öffentlich gemacht.
Die Grabstelle von Hogir Alay in Qoser (c) YÖP
Anfang Februar vermeldeten die deutschen Behörden schließlich das Ende ihrer Ermittlungen im Fall Hogir Alay. Er habe sich selbst stranguliert und ein Fremdverschulden werde ausgeschlossen. Das habe ein Todesermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern und des Polizeipräsidiums Westpfalz ergeben, erklärten Polizei und Justiz am 1. Februar auf einer Pressekonferenz. Demnach trat der Tod des jungen Mannes vermutlich am 11. Oktober ein. Alay habe sich „aus privaten Gründen am Ende seiner Kraft“ gesehen und sein Leben beendet, hieß es. Seine Familie sieht das offenbar anders. Sie konnte erwirken, dass das Grab von Hogir am vergangenen Donnerstag für eine neuerliche Autopsie geöffnet wird. Die Obduktion soll vom Institut für Gerichtsmedizin (ATK) in Istanbul durchgeführt werden. Wann mit einem Ergebnis zu rechnen ist, stehe nicht fest.