Gedenken an Sivas-Massaker

In vielen europäischen Städten wurde am Jahrestag des Massakers von Sivas der am 2. Juli 1993 von einem faschistischen Mob in der Stadt Sivas ermordeten 33 alevitischen Intellektuellen und Künstler*innen gedacht.

Der Jahrestag des Massakers von Sivas (kurd. Sêwas) ist jedes Jahr gekennzeichnet von Protesten und Gedenkveranstaltungen. Bei dem Massaker am 2. Juli 1993 hatte ein Lynchmob das Hotel angezündet, in dem die Teilnehmenden eines alevitischen Festivals logierten. 33 Intellektuelle und Künstler*innen wurden getötet. Auch zwei Hotelangestellte kamen in dem Feuer ums Leben. Auf Demonstrationen in mehreren europäischen Städten wurde erneut ein Ende der Straflosigkeit der Täter und der Diskriminierung und Unterdrückung der alevitischen Bevölkerung in Nordkurdistan und der Türkei gefordert. Die Aktionen waren gleichzeitig Proteste gegen das islamistische AKP/MHP-Regime. Dieses Jahr waren die Aktionen insbesondere in Deutschland auch vom Protest gegen den Besuch des türkischen Außenministers Mevlüt Çavuşoğlu in Berlin geprägt.

Berlin – „AKP hetzt zum Massenmord auf“

In Berlin wurde eine Demonstration vom Frauenrat DEST-DAN und dem Demokratischen Kurdischen Gesellschaftszentrum organisiert. Die Demonstration wurde von Aktivist*innen angeführt, die in Reihen aufgestellt, jeweils ein Bild eines der in Sivas ermordeten Menschen trugen. Nach einer Schweigeminute erklärte Mahir Pir von der Demokratischen Alevitischen Föderation (FEDA) im Hinblick auf die Kontinuität von Massakern und Assimilationspolitik der Türkei: „Wir müssen uns gegen diejenigen stellen, die so etwas tun. Wenn wir schweigen, wird es noch mehr Tote geben. Die Nazis haben die Deutschen zum Massenmord aufgehetzt. Das gleiche tut nun die AKP.“

Hildesheim – „Gemeinsamer Kampf notwendig, um weitere Massaker zu verhindern“

Auch in Hildesheim versammelten sich Aktivist*innen, um der Toten von Sivas zu gedenken und gegen den Besuch des türkischen Außenministers zu protestieren. An der vom Demokratischen Kurdischen Gesellschaftszentrum, dem Frauenrat Cilo und der Frauenkommune Meryem organisierten Kundgebung nahmen Aktivist*innen verschiedener Antifa-Gruppen und der Linken aus der Türkei und Kurdistan wie Partizan teil. Die Protestierenden zogen eine Linie vom Massaker in Sivas, über den IS-Genozid an den Ezid*innen in der Şengal-Region, den Morden in den Todeskellern von Cizîr, den Toten von Sûr und dem IS-Massaker von Ankara, bei dem am 10. Oktober 2015 über 100 Friedensaktivist*innen ermordet wurden. Sie betonten, dass nur ein gemeinsamer Kampf solche Massaker in Zukunft verhindern könne. Es wurden Kerzen für die Ermordeten angezündet und Lieder der getöteten Musiker*innen abgespielt.

Protest und Gedenken in Münster

Anlässlich des Treffens des deutschen Außenministers Heiko Maas mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Çavuşoğlu in Berlin versammelten sich am Donnerstagabend mehr als 50 Menschen vor dem türkischen Generalkonsulat in Münster.

In Reden wurden die türkischen Angriffe auf kurdische Gebiete sowie deren Besatzung verurteilt. Ebenso verurteilt wurden deutsche Waffenlieferungen an das AKP/MHP-Regime und der EU-Türkei-Deal. Ein palästinensischer Redner machte deutlich, dass Erdoğan ein falscher Freund der Palästinenser*innen und der Kampf gegen Besatzung und Unterdrückung stets international ist. Zudem wurde eine Schweigeminute für die Opfer des Massakers von Sivas und den 1994 von der Polizei in Hannover ermordeten Halim Dener abgehalten.

Mit einem gemeinsamen „Alle zusammen gegen den Faschismus" und dem Lied „Çerxa Şoreşê" (Das Rad der Revolution) wurde die Kundgebung beendet.

Heilbronn: „Erdoğan und Çavuşoğlu sind Massenmörder“

In Heilbronn fand zunächst eine gemeinsame Auftaktkundgebung mit „Fridays for Future“ statt. Anschließend wurde eine Schweigeminute abgehalten und die Namen der 33 Opfer von Sivas wurden verlesen. Die Aktivist*innen protestierten gegen das AKP/MHP-Regime und forderten angesichts der Kriegspolitik des türkischen Staates einen Urlaubsboykott. Sie kritisierten die Bundesregierung für ihre Waffenlieferungen an die Türkei und bezeichneten Erdoğan und Çavuşoğlu als Kriegsverbrecher.

In einem Redebeitrag hieß es: „Während jeden Tag gewählte kurdische Politiker*innen und Aktivist*innen der Demokratiebewegung verhaftet und gefoltert werden, Gefallenenfriedhöfe geschändet, Kinder und Jugendliche bedroht, geschlagen und ermordet werden, und während die ezidische Bevölkerung im Şengal, das Flüchtlingscamp Mexmûr und andere zivile Gebiete in Südkurdistan bombardiert und in Kobanê drei Frauen gezielt durch Drohnen getötet werden, wird nun versucht, die Türkei als Urlaubsparadies darzustellen! Erdoğan und Çavuşoğlu sind nicht anderes als Faschisten und Kriegsverbrecher. Wir haben kein Platz für Kriegsverbrecher und Massenmörder.“

Proteste in der Schweiz

In Zürich und Solothurn in der Schweiz kam es ebenfalls zu Aktionen. Die Aktivist*innen thematisierten die antikurdische und antialevitische Politik des Erdoğan-Regimes und gedachten der Opfer der Genozide und Massaker des türkischen Staats.

Breites Bündnis protestiert in Paris

In der französischen Hauptstadt Paris gedachte ein breites Bündnis aus ADHK, ATİK, Partizan, ODAK, ACTİT, TvP, Bir-Kar, PDD, FEDA, TJK-F, CDK-F und der Pariser Demokratieplattform unter dem Motto „Gerechtigkeit für Sivas – Gerechtigkeit für alle“ mit einer Demonstration der Todesopfer.

Die Aktivist*innen forderten ein Ende des Zwangsreligionsunterrichts in der Türkei und Nordkurdistan, die Einrichtung einer Gedenkstätte und eines Museums im Madımak-Hotel in Sivas und für Cemhäuser den Status als religiöse Stätten.

Schweden – Gedenken und Protest

Auch in Schweden fanden Protestkundgebungen und Gedenkveranstaltungen statt. In Stockholm und in Göteborg gingen Solidaritätsvereine und die alevitische Föderation auf die Straße. An der Kundgebung nahm auch der sozialdemokratische Abgeordnete Serkan Köse teil und forderte ein Ende der Straflosigkeit der Täter.

In Göteburg wurde am Denkmal für die ermordeten Suryoye der Opfer von Sivas gedacht und es wurden Kerzen angezündet. Dabei erinnerte die Vorsitzende des alevitischen Kulturvereins von Göteborg, Melek Sakar, an die Kontinuität der Massaker in der Türkei und des Osmanischen Reiches, die bis zum Armeniergenozid zurückreicht.