Familiennachzug sinkt drastisch

Der Familiennachzug der Schutzsuchenden in Deutschland sank bereits vor der Corona-Krise drastisch. Die von der Bundesregierung beschlossenen monatlichen Tausender-Kontingente werden aufgrund der Verzögerungspolitik nicht erfüllt.

Aus einer mündlichen Frage der innenpolitischen Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, geht hervor, dass die Zahl des Familiennachzüge zu Flüchtlingen weiter sinkt. Auch die auf monatlich 1.000 Familienangehörige reduzierten Kontingente von Nachzügen zu Flüchtlingen mit subsidiärem Schutztitel erreichen diese Marke bei weitem nicht. Das liegt nicht an mangelndem Interesse, sondern an bürokratischer Verzögerung. Im Jahr 2019 wurde 24.871 Menschen das Recht zum Familiennachzug zu in Deutschland als Flüchtlinge lebenden Personen erteilt. Dabei handelte es sich um Familiennachzug von 13.742 Personen zu international Schutzberechtigten und 11.129 zu subsidiär Schutzberechtigten. Die meisten kamen aus Syrien, es folgen mit Abstand Iran, Irak und Afghanistan. Im ersten Quartal 2020 wurden 21.725 Visa zum Familiennachzug weltweit erteilt, darunter 4.441 für den Nachzug zu Flüchtlingen.

1000er Kontingente werden nicht erreicht

Besonders umstritten war der Familiennachzug zu subsidiär geschützten Flüchtlingen. Die Bundesregierung hatte sich in einer skandalösen Entscheidung auf ein Monatskontingent von 1.000 Visa geeinigt. Diese Kontingente werden bei weitem nicht erreicht. So waren es beispielsweise im April 2019 nur 108 erteilte Visa. Dieser Negativtrend setzte sich in diesem Jahr bereits vor der Corona-Pandemie fort. So wurden im Januar nur 659 Visa erteilt, im Februar 782 und dann, mit dem Beginn der Corona-Pandemie, im März 480 und im April nur noch vier. Ob die Kontingente erhalten bleiben oder verfallen, ist der Willkür der Bundesregierung überlassen.

Die Zahlen für das 1. Quartal 2020 lassen sich auf das Jahr hochrechnen, wobei berücksichtigt werden muss, dass die EU-Außengrenzen wegen der Corona-Pandemie am 16. März 2020 weitgehend geschlossen wurden. Beim Familiennachzug zu Flüchtlingen gäbe es so einen geschätzten Rückgang um etwa 15 Prozent. Der Nachzug zu Flüchtlingen nach der Genfer Konvention, die per se ein Recht auf Familiennachzug haben, geht bereits seit längerem zurück. Hier wurden hohe bürokratische Hürden aufgebaut, sodass selbst DNA-Tests nicht ausreichen, um die rechtliche Vaterschaft und damit den Familiennachzug zu begründen.

Jelpke: Aussetzung des Familiennachzugs „Katastrophe“

Die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE kommentiert: „Der Familiennachzug zu Flüchtlingen ist auch schon vor Corona zurückgegangen und deutlich hinter den politischen Versprechungen zurückgeblieben. Die jetzige Aussetzung des Familiennachzugs ist insbesondere für Angehörige von subsidiär Schutzberechtigten eine Katastrophe. Man muss sich das mal vorstellen: Diese Menschen warten nun schon seit mindestens vier Jahren, oft auch schon viel länger darauf, wieder mit ihren engsten Familienangehörigen zusammenleben zu können – es geht hier um die Ehefrau, den Ehemann und die eigenen Kinder! Die Bundesregierung muss alles tun, um den verbliebenen Angehörigen schnellstmöglich und unbürokratisch eine Einreise zu garantieren.“

Vor dem Lockdown erteilte Visa müssen anerkannt werden

Weiterhin kritisierte die Fragestellerin Bestrebungen des Auswärtigen Amtes, vor dem Lockdown bereits erteilte Visa nicht mehr anzuerkennen: „ Es kann nicht sein, dass bereits erteilte Visa wegen des Lockdowns nicht mehr zur Einreise berechtigen sollen und aufwändig nochmal beantragt werden müssen. Wegen der Corona-Pandemie nicht genutzte Aufnahmekontingente beim Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten dürfen nicht verfallen. Wenn die Einreise wieder möglich ist, sollten zum Ausgleich deutlich mehr als 1.000 Visa pro Monat erteilt werden. Die Deckelung des Familiennachzugs ist ohnehin menschenrechtlich untragbar.“