EUTCC-Konferenz: Kurdisches Lösungsmodell für den Mittleren Osten

Im Europäischen Parlament in Brüssel wird am zweiten Tag der Konferenz „Die Europäische Union, die Türkei, der Mittlere Osten und die Kurden” über die Krise im Mittleren Osten und kurdische Lösungsmodelle diskutiert.

Die gestern begonnene Konferenz „Die Europäische Union, die Türkei, der Mittlere Osten und die Kurden” der EU-Turkey Civic Commission (EUTCC) im Europaparlament in Brüssel wird heute fortgesetzt. Gestern ging es um die Menschenrechtslage in der Türkei, den Charakter des Erdoğan-Regimes, die Situation von Abdullah Öcalan und in den türkischen Gefängnissen sowie um die internationale Solidarität mit den Kurden. In zahlreichen Beiträgen wurde festgestellt, dass die Türkei kein Rechtsstaat mehr ist.

Die heutige Sitzung begann mit dem Thema „Der Mittlere Osten, regionale und internationale Konflikte und ihre Auswirkungen“ und wurde von der EP-Abgeordneten Jean Lambert und der Bundestagsabgeordneten Gökay Akbulut gemeinsam moderiert.

Der kurdische Faktor im Mittleren Osten

Als erster Referent sprach der ehemalige HDP-Abgeordnete Ahmet Yıldırım zum „kurdischen Faktor in der Geopolitik des Mittleren Ostens“. Yıldırım wies darauf hin, dass der Mittlere Osten nicht auf seine Energiequellen reduziert werden dürfe. Vielmehr handele es sich um ein Gebiet, in dem seit dem Neolithikum bis heute viele Erneuerungen erstmalig aufgetreten seien. Die westliche Welt sei nicht für eine Lösung der Krise im Mittleren Osten, sondern vielmehr der historische Grund dafür. Hinsichtlich der Rolle des Westens im Syrienkrieg bezeichnete Yıldırım die Verhandlungen mit der Türkei über die Flüchtlingsfrage als unmenschlich und erklärte: „Für den Westen sind Menschenrechte nur eine Statistik.“

Größte politische Kraft ohne eigenen Staat

Yıldırım ging weiter auf die Bedeutung der Kurden im Mittleren Osten ein und sagte: „Die Kurden sind nicht nur das weltweit größte Volk ohne eigenen Staat, sondern gleichzeitig die größte politische Kraft ohne einen Staat.“ Dann schilderte er das demokratische Gesellschaftsmodell in Rojava und die Isolation des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan, der seit Jahren von der Öffentlichkeit abgeschirmt wird, obwohl er viel zur politischen Stabilisierung in der Region beitragen könne.

Als nächste Redner referierten Bill Park vom London Kings College über die Rolle der regionalen Mächte im Syrienkrieg und Michael Gunter als Generalsekretär der EUTCC über die Krise im Mittleren Osten und die NATO. Kinoshita Akinobu von der Japanisch-Kurdischen Freundschaftsgruppe sprach zum Thema „Die kurdenfeindliche Außenpolitik der Türkei in einer globalisierten Welt“.

Appell an EU und USA

Der letzte Redner auf der Liste der Vormittagssitzung war Zübeyir Aydar vom Kurdistan Nationalkongress. Dem kurdischen Politiker wurde der Zugang zum Europaparlament aus angeblichen Sicherheitsgründen verwehrt. Daraufhin wurde sein Referat verlesen. Aydar erklärte, dass die kurdische Befreiungsbewegung mit ihrem neuen Paradigma eine Schlüsselrolle in der Lösung der Probleme im Mittleren Osten einnehme. Er verwies auf die praktische Umsetzung des kurdischen Lösungsmodells in Rojava und weiteren Teilen Nord- und Ostsyriens. Dieses Modell sei nicht nur in Syrien anwendbar, sondern habe das Potential, auch die Probleme in der Türkei, im Irak und im Iran zu lösen.

An die EU appellierte der KNK-Vertreter, die PKK von der Terrorliste zu streichen. Die USA forderte Aydar auf, die vor einem Monat erlassene Fahndung nach führenden PKK-Mitgliedern einzustellen: „Wir bewerten diesen Beschluss als unrechtmäßig, unmoralisch, scheinheilig und feindlich. Wir erwarten von der US-Regierung, den Beschluss rückgängig zu machen. Sowohl die Terrorliste als auch die Aussetzung von Kopfgeldern sollen dazu dienen, die Türkei zufrieden zu stellen. Mit solchen Beschlüssen lässt sich jedoch kein Gleichgewicht zwischen Türken und Kurden herstellen. Der Türkei reichen sie nicht aus und die Kurden werden damit zurückgewiesen. Die Forderungen der Türkei hören nicht auf, Erdoğan will immer mehr, damit alle Errungenschaften des kurdischen Volkes zunichte gemacht werden. Und das bedeutet Krieg und Instabilität für die gesamte Region. Das Beste, was die EU und die USA tun können, ist die Kurden mit den Türken an einem Verhandlungstisch zusammen zu bringen.“

Der Rede von Zübeyir Aydar wurde stehend applaudiert.

Das weitere Programm der Konferenz ist unter folgendem Link einzusehen: 15th International Conference on "The European Union, Turkey, The Middle East And The Kurds".