Erste Tatortbegehung im Fall Berkin Elvan

Vor sechs Jahren wurde der damals vierzehnjährige Berkin Elvan bei den Gezi-Protesten in Istanbul tödlich von einer polizeilichen Gasgranate getroffen. Heute fand zum ersten Mal eine Tatortbegehung statt.

Im Prozess um den Tod von Berkin Elvan hat heute erstmalig eine vom Gericht angeordnete Tatortbegehung stattgefunden. Der Vierzehnjährige war am 16. Juni 2013 während der Gezi-Proteste in der Türkei im Istanbuler Stadtteil Okmeydanı von einer Tränengasgranate am Hinterkopf getroffen worden und nach neunmonatigem Koma an der ihm durch einen Polizisten zugefügten Verletzung gestorben. An seiner Trauerfeier hatten hunderttausende Menschen teilgenommen.

Der Tatort in Okmeydanı wurde heute in den frühen Morgenstunden polizeilich abgeriegelt. Wie der Augenzeuge Denizcan Tarlak erklärte, hat er der gerichtlichen Expertenabordnung vor Ort dasselbe erzählt, was er bereits vor Gericht ausgesagt hat: „Ich habe den Ort gezeigt, von dem aus der Polizist geschossen hat, und die Stelle, an der Berkin getroffen wurde.“

„Vermutlich hat die Gasgranate Schuld“

Gülsüm Elvan, die Mutter von Berkin, sagte: „Ob wohl der Schütze über ein Gewissen verfügt? Falls er Angst haben sollte, er muss sich nicht fürchten. Wir setzen uns seit fünf Jahren dafür ein, dass kein weiterer Mensch sterben muss. Wir töten niemanden, wir sind dafür, die Menschen leben zu lassen.“

Gülsüm Elvan erinnerte an den gewaltsamen Tod der Geschwister Furkan (6) und Muhammed (7) Yıldırım, die 2017 in Silopiya ums Leben gekommen sind, als ein Panzerfahrzeug gegen das elterliche Haus fuhr: „Bekanntlich ist auch bei diesem Vorfall der Panzerwagen verantwortlich gemacht worden, nicht die Polizei. Vermutlich wird es bald heißen, dass die Gasgranate Schuld hat.“

Im Fall von Furkan und Muhammed war der verantwortliche Polizist nur kurzzeitig in Untersuchungshaft. Im Fall von Berkin hat das Gericht eine Untersuchungshaft des mutmaßlichen Täters abgelehnt.