Nach der teils gewaltsamen Auflösung der Mahnwache der „Samstagsmütter“ durch die türkische Polizei ist es in Istanbul zu einem weiteren Übergriff auf Mitglieder der Initiative gekommen. Eine vor dem Büro der Zweigstelle des Menschenrechtsvereins IHD geplante Presseerklärung zu dem verhinderten Sit-in auf dem Platz vor dem Galatasaray-Gymnasium wurde unterbunden. Anti-Aufruhr-Einheiten der Polizei belagerten die kleine Seitenstraße Çukur Çeşme und drängten die Aktivistinnen und Aktivisten, unter ihnen auch einige betagte Personen, gewaltsam in das Gebäude. Die Presseerklärung wurde daraufhin in den Räumlichkeiten des IHD abgegeben.
Meral Nergis Şahin vom IHD-Vorstand wies direkt zu Beginn darauf hin, dass die Woche um Woche von Polizei und Landratsamt gegen die Samstagsmütter seit 2018 angeordneten Demonstrationsverbote rechtswidrig seien. Das hatte Ende Februar auch das türkische Verfassungsgericht festgestellt und einen Einwand des Innenministeriums verworfen, das die Einschränkungen der Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit mit einer angeblichen Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch die Samstagsmütter begründet.
„Das Vorgehen der Polizei verdeutlicht, dass das Innenministerium eine gezielte Gewaltpolitik gegen die Samstagsmütter verfolgt. Das ist eindeutig Staatsterror“, monierte der HDP-Abgeordnete Musa Piroğlu. Die Regierung setze sich seit Monaten über ein wichtiges Urteil des höchsten Gerichts des Landes hinweg. „Dies bestätigt, was wir alle ja bereits wissen: Die Gewaltenteilung ist praktisch aufgehoben, die Justiz ist der Exekutive unterworfen“, sagte Piroğlu.
Früher am Tag waren Mitglieder der Samstagsmütter im zentralen Stadtteil Beyoğlu auf die Straße gegangen, um zum 947. Mal gemeinsam mit Unterstützer:innen nach dem Verbleib ihrer in staatlichem Gewahrsam verschwundenen Angehörigen zu fragen und eine Bestrafung der Täter zu fordern. Als die Gruppe den Platz vor dem Galatasaray-Gymnasium auf der Einkaufsmeile Istiklal Caddesi erreichte, wurde sie umgehend von der Polizei eingekreist. Journalist:innen wurden gewaltsam zurückgedrängt. Hanife Yıldız, Eren Keskin, Besna Tosun, Ali Ocak, Sebla Aran, Gülseren Yoleri, Hasan Karakoç, İrfan Bilgin, Leman Yurtsever, Hünkar Hüdai Yurtsever, Nazım Dikbaş, Taylan Bekin und Ümit Efe wurden festgenommen.