Erklärung von NAV-YEK zu türkischen Angriffen auf Şengal

Die Türkei greift wieder die Eziden an. Der ezidische Zentralverband NAV-YEK fordert die Weltgemeinschaft dringend zum Handeln auf.

Nach dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg in Nordsyrien (Efrîn und Rojava) setzt die Erdoğan-Administration ihre Angriffe gegen die Eziden in der nordirakischen Şengal-Region fort. Seit dem 4. November 2019 haben Kampfjets des türkischen Militärs die von Eziden bewohnte Kleinstadt Xanesor (Khanasor) sowie die Umgebung des Dorfes Barê in der südkurdischen Region bombardiert. Mindestens drei Menschen wurden dabei verletzt.

NAV-YEK, der Zentralverband der Êzîdischen Vereine e.V. (Navenda Yekîtiya Komelên Êzîdiya), fordert angesichts der jüngsten Angriffe die Weltgemeinschaft dringend zum Handeln auf:

Genozid in Şengal verhindern

Nach dem durch den sog. „IS“ (Islamischer Staat) begangenen Völkermord am 3. August 2014 haben die Eziden vor kurzem damit begonnen, wieder in ihre Heimat in die Şengal-Region zurückzukehren. Die Hoffnung der Rückkehr entstand insbesondere dadurch, dass der IS offiziell als militärisch besiegt erklärt wurde. Die Eziden in der Region Şengal hatten nach dem jüngsten Genozid damit begonnen, durch Aufbau von Rätestrukturen und einer Infrastruktur sich selbst zu verwalten. Doch Erdogan und seine dschihadistischen Verbündeten wollen diese Hoffnung abermals zunichtemachen. Das tun sie derweil, in dem sie durch ihren völkerrechtswidrigen Angriffskrieg zu erkennen geben, dass der islamistische Kampf um einen islamistischen Staat doch nicht beendet worden ist.

Die jüngsten Handlungen der Türkei sind nicht nur völkerrechtswidrig, sondern verschlimmern gleichzeitig die ohnehin katastrophale humanitäre Lage und destabilisieren die Region insgesamt. Diese Heran- und Vorgehensweise ist ein Verbrechen gegen die menschlichen Werte und politisch inakzeptabel. Es ist jedoch bemerkenswert, aber zugleich sehr erschreckend, wie die türkische Regierung als NATO-Partner und EU-Beitragskandidat gegen die ezidische Bevölkerung im Geiste des IS dermaßen rücksichtslos vorgeht. Es wird systematisch daran gearbeitet, die islamistischen Kräfte um das Siedlungsgebiet der Eziden Şengal (Shingal/Sinjar) herum, welche am Genozid vom 3. August 2014 beteiligt waren, wieder dorthin anzusiedeln. Hierdurch soll die Vertreibung der Eziden aus der Region in Gänze vollzogen werden. Es ist eine gezielt und sorgfältig geplante Aktion der türkischen Regierung und ihrer verbündeten Terrorbanden.

Schaffung von Lebensraum für Islamisten

Die Intention der Besatzer ist ganz klar: Ethnische Säuberung und Schaffung von Lebensraum für Islamisten – Ausrufung des Islamischen Staates. Erdogan begründet seine Invasionen neuerdings als Anrecht auf Rückeroberung der Herrschaftsgebiete des Osmanischen Reiches. In seiner Vision ruft er, nach Ergreifung dieser Regionen, das Kalifat wieder aus, ganz im Sinne der IS-Ideologie nach den Gesetzen der „Scharia“. Hierzu kommen die islamistischen Terrorbanden ihm gerade zurecht. Menschen werden gezielt aus ihren Regionen vertrieben und durch Genozide systematisch vernichtet. Diejenigen, die ihre Heimat nicht verlassen, müssen mit ihrem Leben bezahlen.

Was derzeit in Rojava (Nordsyrien) und in Şengal (Nordirak) passiert, erinnert ganz stark an die Praktiken des Diktators im Dritten Reich: Angreifen – Enteignen – Deportieren – Vernichten - Besetzen! Nur mit dem Unterschied, dass jetzt niemand behaupten kann „Wir wussten das nicht“. Im Zeitalter der „Internetgesellschaft“ können wir die Gräueltaten des Despoten und seiner Terrorbanden bedauerlicherweise sogar live mit verfolgen. Es ist nicht hinzunehmen, dass mühsam aufgebaute Strukturen in Şengal durch völkerrechtswidrige Angriffskriege der Türkei zerschlagen werden. Die Völkergemeinschaft und alle einflussreichen Länder schauen bedauerlicherweise tatenlos zu, ganz im Sinne der Einhaltung von abgeschlossenen Waffendeals, Wirtschaftsabkommen, Flüchtlingsdeals…!

Aufruf an die demokratische Öffentlichkeit

Wir werden diese Vorgehensweise nicht mehr dulden und lassen nicht zu, dass ein weiterer Genozid in Şengal ausgeübt wird! Daher rufen wir die demokratische Öffentlichkeit und alle zuständigen internationalen Organisationen und Institutionen dazu auf:

- sich gegen diesen Angriffe zu erheben

- die Aggression, Invasion und jegliche Angriffe der Türkei zu stoppen

- den Druck auf die türkische Regierung dahingehend zu verstärken, dass sie mit ihrer imperialistischen Politik in der Region aufhört

- konkrete und wirkungsvolle diplomatische und wirtschaftspolitische Instrumente gegen die Verantwortlichen der türkischen Regierung in Gang zu setzen

- den Luftraum über Nordsyrien und Nordirak - Region Şengal - sofort schließen, um die geplanten ethnische Säuberungen / den Genozid an der Bevölkerung zu verhindern