Einer für alle

Nach der Verurteilung des kurdischen Aktivisten Hıdır Yıldırım am Montag wurde in Berlin auf einer Kundgebung die Aufhebung des PKK-Verbots gefordert.

Mit der Kriminalisierung von Kurdinnen und Kurden müsse endlich Schluss sein, forderte die Gruppe „Solidarität mit den politischen Gefangenen“ am Nollendorfplatz.

Hıdır Yıldırım war nach § 129a/b StGB der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland angeklagt. Wie in allen derartigen Prozessen gegen Kurden und türkische Linke wurden ihm keine konkreten Straftaten vorgeworfen. Relevant war für das Gericht nur eine vermeintliche Einbindung in die Strukturen der PKK oder so genannter Nachfolgeorganisationen.

Der Rechtshilfefond AZADÎ erklärte nach der Urteilsverkündung:

„Heute wurde Hıdır Yıldırım verurteilt. Getroffen hat das Urteil Einen, aber gemeint ist eine ganze gesellschaftliche Bewegung. Seine Verurteilung ist kein Einzelfall; Hıdır ist mittlerweile der 21. kurdische Aktivist, der seit 2010 als Mitglied einer terroristischen Vereinigung nach § 129b Strafgesetzbuch verurteilt wurde.

Derzeit befinden sich neun Aktivisten aufgrund dieses Vorwurfs in Untersuchungs- oder Strafhaft. Die Haftstrafen belaufen sich stets auf mehrere Jahre, wobei den Verurteilten keine weiteren Straftaten nachgewiesen werden, außer Mitglied der PKK zu sein. Die reine Mitgliedschaft soll nach Ansicht des Bundesjustizministeriums ausreichen, um Menschen als Terrorist*innen zu stigmatisieren und zu verfolgen.

Belgien erkennt keinen Terrorismus bei der PKK

Jüngst urteilten Gerichte in Belgien über den Freiheitskampf der PKK. Sie konnten darin keinen Terrorismus erkennen und sprachen die Angeklagten frei. Warum kommen Gerichte in verschiedenen Ländern der EU zu solch unterschiedlichen Bewertungen, wenn nicht aufgrund politischer Interessen der Urteilenden? Die Bundesregierung hält an der Kriminalisierung der kurdischen Bewegung anhand der Terrorismus-Gesetze fest. Denn die §§ 129a und 129b StGB bieten die Möglichkeit Aktivist*innen zu verfolgen, die sich nach dem sonstigen Strafrecht nichts zu Schulden haben kommen lassen.

„Die kurdische Bewegung verdient Anerkennung“

Die Breite der Zivilgesellschaft – euch in Europa – zweifelt mittlerweile an der Erzählung vom Terrorismus. Nach dem Dialogprozess, den die PKK zwischen 2013 und 2015 mit dem AKP-Regime geführt hat, nach dem Überfall des Islamischen Staates auf Şengal und Kobanê und dem Widerstand der HPG, YPG und YPJ 2014 und 2015, nach dem Erfolg der HDP bei den Parlamentswahlen 2015 müssen alle, die nicht nur eigene Interessen auf Kosten der Gesellschaften des Mittleren Ostens verfolgen, zu dem Schluss kommen, dass die kurdische Bewegung eine legitime Bewegung ist, die Anerkennung und Unterstützung verdient.

Öcalan-Verbot als Spitze des Eisbergs

Dieser Anerkennung und Unterstützung will die Bundesregierung entgegen wirken und versucht einen Keil in die Solidarität mit der kurdischen Bewegung zu treiben. Das Bundesinnenministerium hat in einem Rundschreiben vom 2. März diesen Jahres verfügt, dass zahlreiche Symbole und Fahnen legaler – teilweise sogar im Vereinsregister eingetragener – Vereinigungen neu bewertet werden müssten. Die Symbole und Fahnen müssten auf Versammlungen verboten werden, weil die PKK sich dieser bedienen solle, da ihre eigenen Symbole ja verboten seien. Die Spitze des Eisbergs ist das Verbot jeglicher Bilder Abdullah Öcalans wie zuletzt in Hannover und Dortmund. Sein Bild dürfe nicht auf Versammlungen gezeigt werden, selbst nicht auf solchen, bei denen es um seine Haftsituation und seine Ideen gehen würde.

Bewusste Eskalation

Diese Verbote stellen eine bewusste Eskalation der Auseinandersetzung um die kurdische Frage in der BRD von Seiten der Bundesregierung dar. Auf diese Weise sollen die Proteste der Bewegung eskaliert und diskreditiert werden, um die Bewegung wieder zu isolieren. Die Verbote werden umgesetzt, indem die Breite der Proteste angegangen wird. Die Polizei drangsaliert Versammlungsteilnehmer*innen, durchsucht sie, stellt Fahnen, Transparente, Flugblätter oder Kleidung sicher, stellt massenweise Personalien fest, ohne dass dem bisher etwas folgen würde, durchsucht sogar Wohnungen wie zuletzt in München. Diese Praxis bedeutet faktisch eine massive Einschränkung der Versammlungs-, Demonstrations- und Meinungsfreiheit.

Weltweiter Demokratieabbau

In Zeiten des weltweiten Demokratieabbaus und des Erstarkens rechter und autoritärer Bewegungen ist diese Tendenz erschreckend und sollte für alle Demokrat*innen eine Warnung sein. Dieser Trend mag heute Kurd*innen betreffen, aber er wird sich auch gegen andere Teile der Gesellschaften richten, wenn ihm nicht Einhalt geboten wird. Darum auch die Kampagne ‚ÊDÎ BESE! ES REICHT! Unsere Grundrechte gemeinsam verteidigen!‘

Als AZADÎ halten wir an dem Leitgedanken „Dialog statt Verbot“ fest und fordern die sofortige Streichung der PKK von der EU-Terrorliste, die Zurücknahme der Verfolgungsermächtigung nach § 129b StGB, die Aufhebung des PKK-Betätigungsverbots in der BRD sowie Freiheit für Hıdır Yıldırım.“

Weitere Informationen sind auf dem Solidaritätsblog für die kurdischen Gefangenen zu finden.