Düsseldorf: Gegen türkische Kriegspolitik und Chemiewaffen

Tausende Demonstrantinnen und Demonstranten sind am Sonnabend in Düsseldorf auf die Straße gegangen, um ein Zeichen gegen die türkische Kriegspolitik in Kurdistan zu setzen. Das Organisationskomitee zählte etwa 20.000 Menschen.

Tausende Demonstrantinnen und Demonstranten sind am Sonnabend in Düsseldorf auf die Straße gegangen, um ein Zeichen gegen die türkische Kriegspolitik in Kurdistan zu setzen. Das Organisationskomitee zählte etwa 20.000 Menschen, die sich an der Bündnisdemonstration von „Defend Kurdistan“ beteiligten. Hintergrund der bundesweit mobilisierten Demonstration unter dem Motto „Gegen türkische Besatzung und den Einsatz von Giftgas“ ist die seit dem 17. April laufende Invasion der Türkei in der Kurdistan-Region Irak (Südkurdistan). Nach Guerillaangaben kommen dabei regelmäßig völkerrechtlich geächtete chemische Waffen zum Einsatz. Auch die Artillerie- und Drohnenangriffe der türkischen Armee auf Rojava und das ezidische Kerngebiet Şengal, bei denen in den vergangenen Wochen zahlreiche Menschen verletzt oder getötet wurden, waren Thema.

Sever: Wahrscheinlich auch deutsche Waffen im Krieg gegen Kurdistan

Die Teilnehmenden der Demonstration waren aus ganz Deutschland und dem europäischen Ausland angereist. Von der Elisabethstraße aus zog der Protestzug nach einer lautstarken und kämpferischen Auftaktkundgebung unter einem bunten Fahnen- und Bannermeer über innerstädtische Straßen. Die Demonstration verlief friedlich und kraftvoll, allerdings gab es zwei Identitätsfeststellungen durch die Polizei. Weshalb es dazu kam, blieb bis zuletzt unklar. Am Zielort der Demonstration, dem nördlichen Rheinpark in Höhe der Theodor-Heuss-Brücke, wartete ein Bühnenprogramm mit Live-Musik-Acts und politischen Reden. Den Anfang machten die beiden Ko-Vorsitzenden des bundesdeutschen Dachverbands kurdischer Vereine, KON-MED. Zübeyde Zümrüt grüßte die Menschenmenge mit den Worten: „Der Zap ist im Widerstand, Abdullah Öcalan ist im Widerstand. Wir sind heute in Düsseldorf, um diese legitimen Kämpfe zu grüßen.“ Engin Sever ergänzte mit Blick auf deutsche Rüstungsexporte an die Türkei: „Es gilt als wahrscheinlich, dass im Angriffskrieg auf Südkurdistan wieder in der Bundesrepublik produzierte Waffen eingesetzt werden. Die kurdische Gesellschaft akzeptiert die deutsch-türkische Kriegspartnerschaft nicht. Unsere Haltung ist klar: Ende des Krieges in Kurdistan, Frieden jetzt und Freiheit für Abdullah Öcalan.“

Dr. Wilk warnt vor Folgen neuerlichen Angriffskrieges gegen Rojava

Yüksel Koç vom kurdischen Europadachverband KCDK-E bezeichnete die Demonstration als „richtige Antwort“ an die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) und die NATO, die trotz Beweisen für Kriegsverbrechen der Türkei in Südkurdistan beharrlich an ihrem Schweigen festhielten. Der Wiesbadener Arzt Dr. Michael Wilk, der mehrfach nach Rojava gereist ist, um dort humanitäre Hilfe zu leisten, war ebenfalls in Düsseldorf. Wilk warnte eindringlich vor den Folgen eines erneuten türkischen Angriffskrieges in Nordsyrien und berichtete davon, welche schrecklichen Ereignisse die Lokalbevölkerung bereits bei den vergangenen Angriffskriegen der Türkei und ihrer islamistischen Partner in der Region erlebt hat. „Während die Aufmerksamkeit der Medien und der Öffentlichkeit auf den Krieg in der Ukraine gerichtet ist, fliegen türkische Drohnen täglich Angriffe auf Rojava, Şengal und den Nordirak“, so Dr. Wilk.

Britischer Gewerkschafter: Freiheit für Öcalan!

Der Direktor für Internationales und Forschung der britisch-irischen Gewerkschaft Unite the Union, Simon Dubbins, beteiligte sich ebenfalls an der Demonstration. In seiner Rede bei der Abschlusskundgebung sprach er der kurdischen Bevölkerung stellvertretend für die gesamte Gewerkschaft „vollste Solidarität“ aus. „In den neunziger Jahren haben wir uns an der Seite unserer Freunde in Südafrika positioniert. Heute zeigt uns das kurdische Volk den Platz an, wo es zu kämpfen gilt.“  Am Ende forderte Dubbins „Freiheit für Abdullah Öcalan!“. Unite the Union, die mit 1,5 Millionen Mitgliedern zu den größten Gewerkschaften im Vereinigten Königreich zählt, leitet auch die Kampagne „Freedom for Abdullah Öcalan”.

YJK-E: Der Türkei unverzüglich die politische Unterstützung entziehen

Weitere Redebeiträge gab es unter anderem von Ayten Kaplan, Sprecherin des Verbands von Kurdinnen in Deutschland (YJK-E). Kaplan forderte die internationale Staatengemeinschaft auf, der türkischen Regierung „unverzüglich die politische Unterstützung zu entziehen“, da Ankara einen Völkermord vollziehen wolle. Die türkische Aggression gegen Kurdinnen und Kurden bezeichnete Kaplan als „Sinnbild der Angst der Besatzer Kurdistans“. Kritik teilte Kaplan auch gegen die deutsche Bundesregierung aus, dabei ging es vor allem um die „Kriminalisierung fast sämtlicher kurdischer Aktivitäten“ in Deutschland. „Dabei will die kurdische Gesellschaft nur Frieden, Freiheit und Demokratie“, sagte Kaplan.

Mizgin Çiftçi: Menschenrechte sind nicht verhandelbar

Auch der niedersächsische Kommunalpolitiker der Partei DIE LINKE, Mizgin Çiftçi, kritisierte die Bundesregierung für ihre Toleranz des unrechtmäßigen Vorgehens der AKP-Regierung innerhalb und außerhalb der Türkei. Ob Angriffskriege gegen Südkurdistan und Rojava, Chemiewaffeneinsätze gegen Guerilla und Bevölkerung oder auch der Rückzug aus der Istanbul-Konvention – Menschenrechte seien nicht verhandelbar, so Çiftçi. Für Musik sorgten Sänger:innen und Bands der kurdischen Kulturbewegung TEV-ÇAND.