Die Drei von der Autobahn

Vergangene Woche wurden drei Nürnberger Camper in Frankreich festgenommen und in einem Schnellverfahren zu Haftstrafen verurteilt. Sie standen auf einer Liste, die anlässlich des G7-Gipfels vom Verfassungsschutz den französischen Behörden überlassen wurde

Vor etwas mehr als einer Woche wurden drei Jugendliche aus Nürnberg auf dem Weg Richtung Spanien verhaftet. Sie wollten im Baskenland campen. Im französisch-spanischen Grenzgebiet sollte am Wochenende der G7-Gipfel stattfinden und die Gegend um Biarritz glich einer Festung. An einer Autobahn-Mautstelle wurden die drei von der französischen Polizei kontrolliert, sofort in Gewahrsam genommen und zwei Tage später in einem Schnellverfahren zu zwei beziehungsweise drei Monaten Haft und einer fünfjährigen Wiedereinreisesperre verurteilt. Bei dieser Art von „Sondergerichten“ ist keine freie Anwaltswahl vorgesehen. Obwohl Wahlverteidiger*innen anwesend waren, durften sie nicht vertreten. Gleich nach dem Urteil wurden die Jugendlichen auf verschiedene Haftanstalten verteilt. Grundlage für das Urteil ist ein Gesetz aus dem Jahr 2010. Dieses Gesetz ist in Frankreich stark umstritten, denn es ermöglicht bereits die Verurteilung von Menschen, denen vorgeworfen wird, spontan eine Gruppe gebildet zu haben, die möglicherweise gewalttätig wird. Das war dann auch der Vorwurf.

Präventivstrafen und länderübergreifende polizeiliche Zusammenarbeit

Es wurde bekannt, dass die drei jungen Männer auf einer Liste standen, die anlässlich des G7-Gipfels vom deutschen Verfassungsschutz den französischen Behörden überlassen wurde. Angeblich fand man bei ihnen „linke Schriften“, Tränengas und Kapuzen. Das zusammen reicht aus, dass eine Urlaubsfahrt im französischen Gefängnis endet. Länderübergreifende polizeiliche und geheimdienstliche Zusammenarbeit bei der Verfolgung von Linken ist längst europäischer Standard. Man wird „vorsorglich“ inhaftiert, weil man auf einer dubiosen Liste steht, und verurteilt, weil man womöglich eine Straftat geplant haben könnte.

Willkür und Polizeigewalt als Normalität in Europa

Mittlerweile hat sich ein Unterstützerkreis für „die Drei von der Autobahn“ gebildet, und die Rote Hilfe richtete ein Solidaritätskonto ein. In Nürnberg fand eine Kundgebung statt, auf der mehrere Organisationen die Freilassung der drei jungen Freunde forderten. In verschiedenen Redebeiträgen wurden der Abbau von Grundrechten und die systematische Transformation von Ländern in der EU in Polizeistaaten angesprochen. In Deutschland übernimmt Bayern mit seinem neu gefassten Polizeiaufgabengesetz dabei eine Vorreiterrolle. Sicherheitsbehörden und Justiz schrecken vor kaum einem Mittel mehr zurück, um politischen Aktivismus zu kriminalisieren. Das steht im Kontext des europaweiten und weltweiten Rechtsrucks. Repression, Willkür und Polizeigewalt werden Stück für Stück zur Normalität. Das trifft die kurdische Freiheitsbewegung, die in Deutschland zudem mit der Keule der Aufenthaltsgesetze in besonderer Weise betroffen ist. Das trifft darüber hinaus auch alle, die sich gegen Rechtsruck und Faschismus und die kapitalistische Moderne auflehnen.

Die Rolle der Presse

Kritisiert wurde in diesem Zusammenhang auch die Rolle vieler Medien, die ihren Teil dazu beitragen, indem sie unkritisch Polizeimeldungen abschreiben und staatliche Deutungsmuster übernehmen. Das wiederholte Heraufbeschwören von Bildern „linker „Gewalttäter“ oder „Terrorkurden“ erzeuge bei den Leser*innen das bekannte Stigma und die gewünschte Vorverurteilung. Ein Hinterfragen staatlichen Handelns findet kaum mehr statt.

Aufruf zur Solidarität

Die Redner*nnen betonten abschließend die Wichtigkeit der organisationsübergreifenden Solidarität: „Gemeint sind wir alle“ - das unterstrichen auch Angeklagte im Münchner Kommunistenprozess, die in einem Redebeitrag von der Solidarität berichteten, die ihnen geholfen hat und die sie sich jetzt für „die Drei von der Autobahn“ wünschen.