Im ezidischen Siedlungsgebiet Şengal sind zwei Journalist:innen von der irakischen Armee festgenommen worden. Es handelt sich um die deutsche Staatsbürgerin Marlene F. und den Slowenen Matej K. Wie das in Berlin ansässige Zentrum für kurdische Öffentlichkeitsarbeit (Civaka Azad) am Samstag meldete, fand die Festnahme der beiden Journalist:innen bereits am Mittwoch statt, Gründe wurden zunächst nicht genannt. Inzwischen seien sie in die irakische Hauptstadt Bagdad überstellt und in Polizeihaft genommen worden. Im Fall F. wurde die deutsche Botschaft zur konsularischen Betreuung eingeschaltet.
Marlene F. und Matej K. hielten sich den Angaben nach seit einigen Monaten für eine Recherche über die gesellschaftlichen Verhältnisse der ezidischen Gemeinschaft in Şengal auf. Hierzu führten sie Gespräche mit Vertreter:innen verschiedener zivilgesellschaftlicher Organisationen und Institutionen in der Region, teilte Civaka Azad mit. Die Festnahmen erfolgten auf der Rückreise von einer Feierlichkeit im Rahmen des ezidischen Neujahrsfests „Çarşema Sor“ an einem Checkpoint der irakischen Armee. Laut drei Einheimischen, die sich im selben Wagen wie Marlene F. und Matej K. befanden, wiesen sich beide als Medienschaffende aus. Dennoch seien sie daraufhin in einer Militärstation in der Nähe der Stadt Şengal festgesetzt worden - „ohne konkrete Angabe über die Gründe ihrer Ingewahrsamnahme“.
Dort wurden dann erstmal Telefone und Taschen beschlagnahmt, bevor beide Journalist:innen bis in die Morgenstunden verhört worden seien. Dabei sollen sie von Seiten der irakischen Soldaten auch bedroht worden sein. Laut Augenzeugenberichten kam es zudem gegen den Willen von F. und K. zur Leibesvisite. „Zudem wird von einem herablassenden und drohenden Umgang irakischer Soldaten gegenüber den Festgenommenen berichtet“, geht aus der Mitteilung von Civaka Azad hervor. Die Überstellung der Journalist:innen nach Bagdad erfolgte am Freitag.
Nach irakischen Angaben wurde die Festnahme von Marlene F. und Matej K. durch die 20. Infanteriedivision durchgeführt. Laut dem Truppenverband würden beide „nur vorgeben, im Journalismus tätig zu sein“. Der Vorwurf, der im Raum stehe, lautet auf „Zusammenarbeit“ mit den Widerstandseinheiten Şengals (YBŞ). Anfang der Woche eskalierten die Spannungen zwischen den ezidischen Verteidigungskräften und irakischen Truppen, es kam zu Gefechten infolge von Angriffen auf Stellungen der YBŞ, den ezidischen Fraueneinheiten YJŞ und dem Asayîşa Êzîdxanê.
Die unter dem Eindruck des IS-Genozids in Şengal 2014 aufgebauten Sicherheits- und Verteidigungsstrukturen der Ezidinnen und Eziden sollen aufgelöst werden. Hintergrund ist das über die Köpfe der ezidischen Gemeinschaft hinweg getroffene „Şengal-Abkommen“. Die südkurdische Regional- und die irakische Zentralregierung hatten sich im Oktober 2020 nach monatelangen Verhandlungen darauf verständigt, den Vertrag zu unterzeichnen. Er besteht aus einer Reihe von sicherheitspolitischen und verwaltungstechnischen Maßnahmen und legt Verantwortlichkeitsbereiche der Behörden fest. Im Hintergrund des Treffens führte Ankara die Regie.