DEM ruft nach Wahlputsch zu Solidarität auf

Die DEM hat angesichts der Zwangsverwaltung in Colemêrg zu mehr Solidarität aufgerufen. Progressive und demokratische Kräfte seien gefordert, eine entschlossene Haltung gegen den „politischen Putsch“ einzunehmen.

Aufruf an progressive und demokratische Kräfte

Die Partei der Völker für Gleichberechtigung und Demokratie (DEM) hat angesichts der Zwangsverwaltung in Colemêrg (tr. Hakkari) zu mehr Solidarität aufgerufen. Progressive und demokratische Kräfte, Parteien sowie Organisationen seien nun international gefordert, eine entschlossene Haltung gegen diesen „politischen Putsch“ einzunehmen, für die DEM einzutreten und den Willen der Bevölkerung von Colemêrg zu verteidigen. Das erklärten Ebru Günay und Berdan Öztürk als Sprecher:innen der DEM-Partei für auswärtige Angelegenheiten in einem Pressestatement.

Die kurdische Provinz Colemêrg steht seit Montag wieder unter Zwangsverwaltung. Der bei der Kommunalwahl Ende März trotz massiven Betrugsversuchen und des Einsatzes tausender Soldaten als „Geisterwähler“ mit 48,92 Prozent der Stimmen zum Ko-Bürgermeister gewählte DEM-Politiker Mehmet Sıddık Akış wurde wegen angeblichen Terrorverdachts von der türkischen Regierung des Amtes enthoben und festgenommen. An seiner Stelle sitzt nun erneut ein Provinzgouverneur als sogenannter Treuhänder im Rathaus.

Die DEM bezeichnet den Schritt als politisch motivierte Usurpation des Bürgermeisteramtes. „Die Ermittlungsakte, die zur Rechtfertigung dieser Maßnahme herangezogen wurde, beruht ausschließlich auf haltlosen Behauptungen der Polizei und der Staatsanwaltschaft“, betonten Günay und Öztürk. Die Entlassung von Akış sei ein „unverhohlener Putsch gegen den Willen der Bevölkerung“ von Colemêrg. Damit wolle sich die Regierungskoalition aus der Erdoğan-Partei AKP und der ultranationalistischen MHP für ihre schwere Niederlage bei den Wahlen vom 31. März rächen. Günay und Öztürk warnen, dass dieser Angriff sich gegen das verfassungsmäßige Recht richte, zu wählen und gewählt zu werden.

Die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) hätten gezeigt, dass die weit gefasste und vage Definition des Begriffs „Terrorismus“ durch das türkische Rechtssystem von der Regierung als Instrument missbraucht werde, politische Rivalen auszuschalten. „Es ist eindeutig, dass die Entlassung von Ko-Bürgermeistern und die Ernennung von Treuhändern durch das Innenministerium völlig unrechtmäßig ist.“ Günay und Öztürk betonten auch die anderen Dimensionen des Treuhänderregimes in Kurdistan.

Der abgesetzte Bürgermeister Mehmet Sıddık Akış | Archivbild

So hatten die nach der vorherigen Kommunalwahl im März 2019 in den kurdischen Provinzen anstelle der rechtmäßig gewählten Bürgermeisterinnen und Bürgermeister eingesetzten Zwangsverwalter nicht nur den Wählerwillen sabotiert, sondern auch massive Korruption betrieben und den Kommunen hohe wirtschaftliche Verluste eingebracht. „Die ökonomische und politische Zerstörung durch die von der AKP/MHP-Koalition ernannten Treuhänder ist ein großes Hindernis für die Demokratisierung des Landes und die demokratische Lösung der kurdischen Frage. Die Tatsache, dass diese Treuhänderpolitik zu einer Art Routine geworden ist, deutet darauf hin, dass in naher Zukunft Treuhänder in allen von Oppositionsparteien geführten Gemeinden, einschließlich Istanbul, eingesetzt werden könnten.“

Eine Warnung richteten Günay und Öztürk auch in Richtung Europa: „Wir weisen darauf hin, dass die Ernennung eines Treuhänders in Hakkari nicht nur eine innere Angelegenheit ist. Die Türkei ist Mitglied des Europarats und verhandelt auch mit der EU über eine Vollmitgliedschaft. Trotz vieler Versprechungen zur Demokratisierung und Millionen von Euro an Finanzmitteln sind die demokratischen Institutionen der Türkei systematischer Repression ausgesetzt, und gewählte Politikerinnen und Politiker werden von der Justiz unterdrückt.“ Dieser Umstand erfordere ebenfalls ein eindeutiges Handeln.