Bundesweit: Öcalan ist die rote Linie des kurdischen Volkes

Die Gerüchte über Abdullah Öcalans Ableben auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali haben weltweit Kurd*innen und Freunde*innen elektrisiert. Auch in Deutschland gab es etliche Proteste.

Die Gerüchte über Abdullah Öcalans Ableben auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali haben weltweit Kurd*innen und Freunde*innen elektrisiert. Der kurdische Europadachverband KCDK-E (Kongreya Civakên Demokratîk a Kurdîstanîyên Ewrupa) hatte einen dringenden Appell gestartet und zu Eilaktionen aufgerufen. Auch in Deutschland waren deshalb viele Menschen am Montag auf der Straße, wie etwa in Nürnberg. Auf einer spontanen Kundgebung wurde dort die sofortige Klärung dieser Meldungen in den sozialen Medien und Zugang des Rechtsbeistands des kurdischen Repräsentanten zu ihrem Mandanten gefordert. Auch müsse das „Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe“ (CPT) umgehend seiner Verantwortung nachkommen und diese Gerüchte aufklären. Ein Redner betonte, dass die Stimme Öcalans mehr denn je für einen Frieden und ein Ende der Diktatur in der Türkei notwendig ist. „Rêber Apo” – wie Öcalan von Kurdinnen und Kurden genannt wird, sei die „rote Linie” für die Freiheitsbewegung. Sollte ihm in der Isolationshaft etwas zustoßen, werde der türkische Staat dafür zur Verantwortung gezogen. Mit lauten Rufen „Bijî Serok Apo” endete die Spontanversammlung.

 

Berlin

In Berlin gab es ebenfalls eine Aktion, an der sich kurdische und internationalistische Aktivist*innen beteiligten – trotz Provokationen aus dem türkisch-nationalistischen Lager. Der Protest fand vor der türkischen Botschaft statt, dort wurde auch eine Erklärung der Revolutionären Jugendbewegung (TCŞ) verlesen. Das Statement machte deutlich, dass die Nachrichten über Öcalans angeblichen Tod besorgniserregend seien und der Protest der TCŞ in Berlin solange andauern werde, bis es Klarheit zur Situation auf Imrali gibt und Kontakt zu Abdullah Öcalan sowie seinen Mitgefangenen Veysi Aktaş, Ömer Hayri Konar und Hamili Yıldırım zustande kommt.

Hamburg

Die Politikerin Cansu Özdemir, Ko-Vorsitzende der Linksfraktion in der Hamburger Bürgerschaft, forderte vor dem Hintergrund der Gerüchte in der Türkei die Regierung in Ankara auf, die Kontaktsperre Öcalans aufzuheben und seine Familie sowie seinen Rechtsbeistand auf Imrali zu lassen. „Ihm soll Besuch gestattet werden, damit wir ein Lebenszeichen von ihm haben”, so Özdemir.

 

Herford

Auch in Herford sorgte die Nachricht von Öcalans Tod für große Sorgen. Dort versammelten sich Menschen vor dem Hauptbahnhof zu einer Kundgebung. Zunächst wurde die verschärfte Totalisolation auf Imrali thematisiert. Während das letzte Anwaltsgespräch auf der Insel beschränkt auf Öcalan am 7. August 2019 stattfand, konnten die Imrali-Gefangenen mit ihren Angehörigen am 27. April 2020 – das bisher erste und letzte Mal – telefonieren. Anschließend wurde eine Erklärung des KCDK-E verlesen, in der sofortiger anwaltlicher Kontakt zur Insel gefordert wird.

 

Köln

An einem spontanen Protest in Köln nahmen Angehörige von Gefallenen und kurdische Kunstschaffende teil. Der Musiker Ozan Seyîdxan bezeichnete Abdullah Öcalan in einer Ansprache als  „Politischen Repräsentanten der Völker Kurdistans”. Der PKK-Begründer ist seit Jahren einer verschärften Isolation ausgesetzt, die seit 2019 ein neues Niveau erreicht hat, führte Seyîdxan weiter aus. Damit wolle der türkische Staat Öcalan vergessen machen. „Man will, dass wir uns daran gewöhnen, dass er abgeschottet ist und wir unseren Widerstand beenden. Doch das wird nicht möglich sein. Denn Abdullah Öcalan ist die rote Linie des kurdischen Volkes und aller Völker des Mittleren Ostens.”

 

Gießen

In der Gießener Innenstadt wurde ebenfalls eine Kundgebung durchgeführt. Ein kurdischer Aktivist warf dem Antifolterkomitee CPT moralische Armut und fehlende Ernsthaftigkeit vor. Das CPT ist die einzige Institution, welche die Macht hat, Abdullah Öcalan auf Imrali zu besuchen. Im Januar inspizierte das Gremium diverse Gefängnisse und Arrestzellen in der Türkei, sparte die Gefängnisinsel Imrali aber vollkommen aus.

 

Duisburg

Kritik gegenüber dem CPT wurde auch in Duisburg formuliert. An der dortigen Kundgebung gab es Redebeiträge von Niyazi Öztaş, dem Ko-Vorsitzenden des kurdisch-demokratischen Gesellschaftszentrums DKTM, von Amara Çîya im Namen des Frauenrats Şehîd Asya Yüksel und Avesta Vejîn von TekoJIN.

 

Bremen

In Bremen hatte die kurdische Community aus Sorge um Abdullah Öcalan ebenfalls zu einem Protest mobilisiert. „Nur die Anwälte der Imrali-Gefangenen und ihre Familien können uns von ihrem Gesundheitszustand überzeugen“, hieß es dort. Die Dementis offizieller Stellen bezüglich des Gerüchts, der PKK-Gründer wäre tot, seien nicht glaubwürdig. Nur Öcalan und seinen Mitgefangenen nahestehende Personen könnten die Gerüchte überprüfen. „Wir Kurdinnen und Kurden werden auf der ganzen Welt auf die Straße gehen, um Druck aufzubauen – Druck, damit uns die türkische Regierung Informationen gibt.“

 

Stuttgart

In Stuttgart fand eine von der TCŞ und der Bewegung der jungen kämpferischen Frauen (TekoJIN) gemeinsam organisierte Kundgebung statt. Etwa 200 Menschen beteiligten sich an der Zusammenkunft am zentralen Schlossplatz. Eine Aktivistin erklärte, dass es darum gehe „die Totalisolation Öcalans“ zu beenden. Weitere Aktionen fanden unter anderem in Dortmund, Frankfurt, Mannheim, Oldenburg, Saarbrücken, Freiburg und Kiel statt.