Berlin: Ezidische Organisationen fordern Unterstützung für Şengal

Am Brandenburger Tor in Berlin hat eine achttägige Mahnwache für Şengal begonnen. Ezidische Organisationen protestieren gegen das Abkommen zur Zukunft von Şengal, das über ihre Köpfe hinweg von den Regierungen in Hewlêr und Bagdad beschlossen wurde.

Ezidische Organisationen protestieren am Brandenburger Tor in Berlin gegen das zwischen der Regionalregierung Südkurdistans und der irakischen Zentralregierung getroffene Abkommen zur Zukunft von Şengal. Mit einer täglichen Mahnwache wollen die Organisationen verdeutlichen, dass sie das ohne ezidische Beteiligung beschlossene Abkommen ablehnen und als Gefahr für die Region betrachten.

Zu Beginn der Mahnwache forderte Çiçek Yıldız als Ko-Vorsitzende des Zentralverbands der Ezidischen Vereine e.V. (NAV-YÊK) in einer Rede die Annullierung des Abkommens, das von weiten Kreisen als „Verrat an Şengal und den Eziden“ verstanden wird. Das Abkommen habe keine rechtliche Grundlage und werde von der ezidischen Community abgelehnt. Yıldız forderte die Bundesregierung und die Weltgemeinschaft zum Einsatz für ein unabhängiges und freies Leben der ezidischen Gesellschaft auf.

Die Mahnwache am Brandenburger Tor wird bis zum 23. Oktober täglich zwischen 10 und 15 Uhr fortgesetzt. Veranstalter sind der Zentralverband der Ezidischen Vereine e.V. (NAV-YÊK), Dachverband des Ezidischen Frauenrats e.V. (SMJE), Exil-Rat Sinjar e.V. (MŞD), Vereinigung der Ezidischen Jugend e.V. (HCE), Allianz der Eziden aus Syrien e.V. (YES) und die Koordination der ezidischen Dorfgemeinden aus der Türkei (KMGE).

Keine Entscheidungen zu Şengal ohne ezidische Beteiligung!“

In einer ersten Stellungnahme zu dem am 9. Oktober getroffenen Abkommen hatten die Organisationen erklärt:

Mit großer Befremdung nehmen wir zur Kenntnis, dass die irakische Regierung auf Druck des Despoten Erdogan nachgibt, indem sie mit der kurdischen regionalen Regierung Abkommen hinsichtlich der Eziden abschließt, wodurch die Belange der Eziden vollkommen ausgehebelt sind. Es ist mehr als erstaunlich, dass die irakische Regierung mit einem Machtzentrum wie der kurdisch-regionalen Regierung zum „Schutz der Eziden“ gemeinsam Entscheidungen fällt, ohne sie mit Eziden und deren Vertretern beraten zu haben.

Das ist nämlich das Machtzentrum, welches am 3. August 2014 beim Völkermord in Shingal seine Tausenden von Peschmerga kampflos zurückgezogen und somit Hunderttausende Eziden dem IS ausgeliefert hatte. Verschlimmernd kommt hinzu, dass eine Vereinbarung getroffen worden ist, welche dem Wunsch und den politischen-geostrategischen Zielvorstellungen von Erdogan voll und ganz entsprechen. Das ist eine katastrophale Entwicklung für die Eziden und infolgedessen vollkommen inakzeptabel. Diese Strategie, wenn sie so verfolgt und umgesetzt würde, kann und wird nur den Prozess der Auswanderung und die damit hergehende Entwurzelung der Eziden forcieren. Das darf nicht die Konsequenz aus dem tragischen Völkermord vom 3. August 2020 sein.

Alle Entscheidungen und Vereinbarungen von Kräften, die bedingt durch deren Beitrag zum Völkermord im August 2014 ihre Legitimation verloren haben, sind in den Augen der Eziden illegitim.

Wir fordern vornehmlich die irakische Regierung, aber auch alle internationalen Organisationen wie die UNO, den Europarat, die EU und die einflussreichen Länder dazu auf, ihre Einflussmöglichkeiten zum existenziellen Erhalt der Eziden geltend zu machen. Unser Appell richtet sich ebenfalls an alle Eziden und demokratischen Kräfte, ihre Stimme gegen derartige Machenschaften zu erheben und zu protestieren.