Baerbock warnt vor Torpedierung des Dialogs in Syrien

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock warnt vor einer Torpedierung des Dialogs in Syrien nach dem Sturz des Assad-Regimes. Alle Bevölkerungsgruppen müssten am politischen Prozess beteiligt werden, so auch die Kurd:innen.

Frankreich will zwischen DAANES und Ankara vermitteln

Nach dem Sturz des Assad-Regimes hat Bundesaußenministerin Annalena Baerbock dazu aufgerufen, alle Bevölkerungsgruppen am politischen Prozess in Syrien zu beteiligen. Für einen friedlichen Übergang müssten die Rechte aller ethnischen und religiösen Gemeinschaften berücksichtigt werden, betonte die Grünen-Politikerin am Mittwoch in einer Aktuellen Stunde im Bundestag. Sie warnte vor einer Störung des Dialogs. „Dieser syrische Dialogprozess, er darf weder von innen noch von außen torpediert werden“, sagte Baerbock. „Und klar ist auch; das Völkerrecht gilt dabei für alle. Man kann das in diesen Tagen gar nicht oft genug sagen. Das heißt auch für die Nachbarn Syriens, die Sicherheitsinteressen geltend machen.“ Denn wenn man Frieden in der Region wolle, dürfe die territoriale Integrität Syriens nicht infrage gestellt werden.

Mahnende Worte an Israel und Türkei

„Um es einmal klar zu sagen, eine auf Dauer angelegte Besatzung auf dem Golan verstößt gegen das Völkerrecht“, sagte Baerbock in Richtung Israel. „Sie dient nicht dem Ziel einer dauerhaften Stabilisierung der Region, die wir alle und vor allen Dingen die Regionen so dringend braucht.“ Die Ministerin verwies in ihrer Rede auch explizit auf die Autonomieregion Nord- und Ostsyrien, die nach wie vor von der Türkei und deren dschihadistischer Proxytruppe SNA (Syrische Nationalarmee) angegriffen wird. Dort seien derzeit zehntausende Menschen auf der Flucht „aus Angst vor weiteren Angriffen“, betonte die Ministerin. Im Hinblick auf die türkischen Drohungen hinsichtlich einer Besatzungsoffensive auf Kobanê sagte sie: „Orte wie Kobanê sind ein Symbol für den mutigen Kampf der Kurdinnen und Kurden gegen die Terrorherrschaft des IS.“

Baerbock am Freitag zu Gesprächen in Ankara

Die Kurd:innen seien wie Deutschland Teil der Koalition gegen den IS, sagte Baerbock weiter. Die Einbeziehung aller Gruppen in Syrien sei daher auch „in unserem eigenen nationalen Sicherheitsinteresse“. Dies werde sie bei ihrem Besuch diesen Freitag in der Türkei „sehr sehr deutlich machen“, so die oberste Diplomatin Deutschlands. „Denn wir müssen gemeinsam mit den unterschiedlichen Partnern hier an einem Strang ziehen. Wenn wir in unterschiedliche Richtungen gehen, dann kann ein Weg zum Frieden kaum beschritten werden.“

Frankreich will zwischen Ankara und DAANES vermitteln

Unterdessen versucht Frankreich nach eigenen Angaben, zwischen der Türkei und der Demokratischen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES) zu vermitteln. „Wir sind davon überzeugt, dass es möglich ist, eine Vereinbarung zu finden, die alle Interessen berücksichtigt", sagte Außenminister Jean-Noel Barrot gestern vor dem Parlament in Paris. Präsident Emmanuel Macron habe das Thema bei einem Gespräch mit seinem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan im Laufe des Tages aufgebracht. Einzelheiten nannte Barrot nicht.

„Kurdische Partner“ schützen

„Unsere kurdischen Partner im Nordosten Syriens müssen geschützt werden“, sagte Barrot weiter und benannte die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD). Ihnen komme eine Schlüsselrolle im Kampf gegen den IS zu. Zudem forderte er die sofortige Einstellung der Angriffe in Minbic und Kobanê. Der Minister kündigte außerdem für Januar ein weiteres Treffen zu Syrien an. Dies werde ein Folgetreffen zu dem am vergangenen Wochenende in Jordanien sein. Teilnehmen sollen arabische und westliche Partnerstaaten sowie die Türkei. Hilfen für den Wiederaufbau und das Ende der Sanktionen in Syrien würden von klaren politischen und sicherheitspolitischen Zusagen der neuen Machthaber abhängen, sagte Barrot weiter.

Drohender Angriff auf Kobanê

Die Türkei hat parallel zu dem Ende November in Idlib gestarteten Vormarsch der HTS mithilfe ihrer Söldnermiliz SNA Tel Rifat und Minbic besetzt und bedroht aktuell die symbolträchtige Stadt Kobanê und weitere Gebiete der DAANES östlich des Euphrat. Die QSD haben am Montagabend mitgeteilt, dass über die USA geführte Verhandlungen mit der Türkei über einen Waffenstillstand gescheitert sind. Es handelt sich bereits um die vierte türkische Invasion in Nordsyrien seit 2016. Die DAANES hat am Montag einen Zehn-Punkte-Plan für einen politischen Dialog in Syrien vorgelegt und dazu aufgerufen, die Einheit und Souveränität des syrischen Staates zu erhalten und das Land vor Angriffen des türkischen Staates sowie seiner Unterstützer zu schützen.

Titelbild: Olaf Kosinsky (kosinsky.eu) | Lizenz: CC BY-SA 3.0-de