Auf dem Weg zu einem neuen Internationalismus
Das Widerstandskomitee Berlin ruft zu einem neuen Frühling der internationalistischen Solidarität auf.
Das Widerstandskomitee Berlin ruft zu einem neuen Frühling der internationalistischen Solidarität auf.
Gegen den drohenden Angriffskrieg der Türkei auf Rojava/Nordsyrien ruft das Widerstandskomitee Berlin zur internationalen Solidarität auf: „Erheben wir hier in den kapitalistischen Metropolen unsere Stimme und Fäuste gegen das Schweigen und die Politik der Herrschenden. Auf zu einem neuen Frühling der internationalistischen Solidarität." Weiter heißt es in dem Aufruf:
RiseUp4Rojava – Smash Turkish Fascism. Auf dem Weg zu einem neuen Internationalismus.
Die USA begannen am Montag mit dem Abzug ihrer Truppen an der syrisch-türkischen Grenze. Dem vorausgegangen waren vielfältige diplomatische Bemühungen der Diplomatie der Förderation Nord-Ost-Syriens, um einen drohenden Angriffskrieg zu vermeiden.
Die Entscheidung des US-Präsidenten Donald Trump führt aktuell zu massiven inneramerikanischen Widersprüchen durch die gesamte Parteienlandschaft, sieht es doch bisher nach einem Alleingang des US-Präsidenten aus, welches nicht besonders viel geostrategisches Denken vermuten lässt.
Eines ist klar: Die Zeichen stehen auf Krieg. Dieser Krieg gegen die Demokratische Föderation Nord-Ost-Syrien begann bereits mit den ersten Embargos in der Vergangenheit und er findet nun seine Zuspitzung in dem kommenden militärischen Angriff. Erdogan hat diesen Krieg beschlossen. Wann dieser konkret beginnt, können wir gerade noch nicht sagen, aber es wird nicht mehr lange dauern, und es gilt für uns als revolutionäre Internationalist*innen jetzt aktiv zu werden. Lassen wir uns nicht von unserem Feind die politische Agenda bestimmen. Bestimmen wir die Zeit und den Ausdruck unseres Widerstands.
Das was der türkische Staat will ist ethnische Vertreibung und Genozid. Hierfür baut er nicht nur auf seine eigene Armee, sondern das faschistische AKP-MHP-Regime will sich erneut der gleichen dschihadistischen Söldnerbanden wie zur Besatzung Afrins bedienen. Was innerhalb dieser, von Erdogan so gern betitelten „friedlichen“ Gebiete geschieht, können wir jeden Tag im besetzten Afrin sehen: Mord, Vergewaltigung, Verschleppung, Unterdrückung der Frau und aller dort noch verbliebenen Minderheiten und eine inoffizielle Annexion der Gebiete an die Türkei.
Es ist nicht nur ein anti-kurdischer Krieg, den Erdogan gerade versucht auf eine neue Stufe zu heben. Als Internationalist*innen sollten wir versuchen, unsere Perspektiven breiter aufzustellen. Erdogan und dem faschistischen türkischen Staatsapparat ist die Revolution in Rojava und Nord-Ost-Syrien natürlich ein Dorn im Auge, weil dort eine tatsächliche Alternative zu Nationalismus, Patriarchat und Industriekapitalismus aufgebaut wird. Rojava, das heißt Basisdemokratie, Frauenbefreiung, Ökologie und Revolution. Für uns in den Zentren der kapitalistischen Moderne ist Rojava Hoffnung, Zeichen und eine gelebte Alternative, eine konkrete Utopie.
Geopolitisch und ideologisch geht es Erdogan aber auch um einen zweiten Aspekt: Die Herstellung der Grenzen des osmanischen Reiches. Rojava ist dabei nicht das einzige Ziel seiner Vernichtungs- und Expansionsphantasien. In Südkurdistan läuft seit dem März 2019 der Versuch einer Besatzungsoperation des türkischen Staates, der auf einen massiven Widerstand der HPG und YJA-Star Guerilla trifft.
Aber auch innenpolitisch ist der Krieg, wie seit langem, ein beliebtes Mittel, um die inneren Widersprüche zu überdecken und die Nation gegen den „gemeinsamen Feind“ zu vereinen. Aber so einseitig ist auch die Lage in der Türkei nicht. Beispielsweise intensivieren linke Guerillabündnisse der türkischen Linken wie HBDH ihre Aktionen, auch in den Metropolregionen der Türkei. In den kurdischen Metropolen wie Amed und anderen Städten dauern die Proteste gegen die vom türkischen Staat eingesetzten Zwangsverwalter weiter an.
Neben der Türkei versuchen natürlich auch der Iran und Russland, sowie das syrische Regime ihre Interessen durchzusetzen und sich auf dem imperialistischen Schachfeld zu positionieren.
Und auch Deutschland und die EU haben ihre ganz eigenen Interessen, die mit dem drohenden Einmarsch verbunden sind. Wenige Tage bevor Erdogan die jüngsten Drohungen aussprach, traf sich Bundesinnenminister Horst Seehofer mit seinem türkischen Amtskollegen. Für die deutsche Regierung ist die Aufrechterhaltung des sogenannten „Flüchtlingsdeals“ mit der Türkei eines der zentralen Anliegen, solange dieser gesichert sei, werde man die Türkei unterstützen. Diese Äußerungen können nicht anders interpretiert werden, als als eine Einladung an Erdogan, zu handeln wie es ihm beliebt. Solange er die Europäischen Grenzen „schützt“ und auch noch in Aussicht stellt, dass man in der „Sicherheitszone“ in Rojava künftig Flüchtlinge unterbringen könne. Und dies ist natürlich nur ein Interesse der deutschen Außenpolitik von Hunderten. So weiß das deutsche Kapital doch genau, dass die Türkei immer wieder auf deutsche Panzer, Bomben und andere Kriegswaffen zurückgegriffen hat und zukünftig tun wird. Ob nun von Heckler und Koch, Rheinmetall oder Krauss-Maffai-Wegmann, deutsche Rüstungsexporte werden auch beim kommenden Angriffskrieg eine zentrale Rolle spielen.
Rojava stand nie allein und wird es auch jetzt nicht tun. Über 30 linke Gruppen und Organisationen aus knapp 20 Ländern beteiligen sich an der internationalistischen Kampagne „RiseUp4Rojava – Smash Turkish Fascism“, um den internationalistischen Widerstand und die internationale Solidarität auf ein organisierteres Niveau zu heben.
Unabhängig davon ob der Besatzungsversuch nun heute, morgen oder in wenigen Wochen startet – Es ist an der Zeit für uns hier im Herzen der kapitalistischen Moderne zu handeln.
Ulrike Meinhof, Mitbegründerin der Stadtguerilla Rota Armee Fraktion (RAF), zitierte einige Jahre bevor sie in den Untergrund ging, einen Aktivisten der Black Power Bewegung:
»Protest ist, wenn ich sage, das und das paßt mir nicht. Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, daß das,was mir nicht paßt, nicht länger geschieht. Protest ist, wenn ich sage, ich mache nicht mehr mit. Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, daß alle andern auch nicht mehr mitmachen.«
Was es für uns als Internationalist*innen, als diejenigen die sagen, dass sie sich der Revolution und ihren Errungenschaften verbunden fühlen, zu tun gilt ist genau das: Das Organisieren von Widerstand.
Als ein erstes Zeichen wird es am TAG X, also dem Tag der Invasion, in vielen Städten weltweit Aktionen geben. Dieser konkrete Tag wird aber im Rahmen der internationalistischen Strukturen vor Ort in Rojava ausgerufen werden. Verlassen wir uns auf die Einschätzungen und Informationen der Freund*innen vor Ort und lasst uns nicht auf die gigantische Maschine der psychologischen Kriegsführung der Faschisten hereinfallen.
Im Rahmen der internationalen Kampagne und Koordination gibt es den Aufruf sich vor allem auf den Tag X+1, also der Tag nach der Invasion, zu fokussieren, im Sinne einer gemeinsamen internationalen Koordination von Aktionen. Diese Aktionen sollen eine Massenlinie verfolgen, die Wut, die wir auf die Straße tragen, sollten wir in Organisiertheit überführen. Aktionen gegen die Rüstungsindustrie, Blockaden, GoIns, AgitProp-Aktionen. Die In RiseUp4Rojava gemeinsam entwickelte Aktionslinie orientiert sich an drei Faktoren: Blockieren, Stören und Besetzen. Gegen die Orte an denen die miliärische, politische und militärische Kooperation des deutschen und des türkischen Staates und seiner Handlanger. Lasst uns aber festhalten das Widerstand bereits jetzt und an allen Tagen notwendig sein wird, um die Revolution gemeinsam zu verteidigen.
Für die organisierte Verteidigung der Revolution schlagen wir vor, an allen Orten die Aktionen und Kräfte zu bündeln in Form von Widerstandskomitees.
Wir müssen dem was kommen wird ins Auge schauen. Dabei nicht in Selbstmitleid oder Resignation verfallen. Unsere Freunde und Freundinnen in Rojava, auf den freien Bergen Kurdistans werden ihre Aufgaben wahrnehmen. Ob an der Front, in den Städten als HPC und HPC-Jin, im Krankenhaus, in den gesellschaftlichen Institutionen, in der Küche oder beim Schreiben der Lieder, die wie „Tola Salan“ in die revolutionäre Geschichte eingehen werden.
Erheben wir hier in den kapitalistischen Metropolen unsere Stimme und Fäuste gegen das Schweigen und die Politik der Herrschenden. Auf zu einem neuen Frühling der internationalistischen Solidarität.
Schaffen wir ein, zwei, drei, vier, viele Rojavas.