Unter dem Motto „Selbstbestimmt gegen den Feminizid“ ruft der Dachverband des Ezidischen Frauenrats e.V. mit Sitz in Löhne zu einem internationalen Aktionstag zum 3. August auf. Das Datum kennzeichnet den sechsten Jahrestag des noch andauernden Feminizids und Genozids gegen die ezidische Bevölkerung der südkurdischen Region Şengal (Sinjar). In mehreren Städten in Deutschland stehen die Aktionstermine bereits fest.
In dem Aufruf heißt es: „Innerhalb weniger Wochen hatte der Islamische Staat (IS) in der Region Sinjar/Şengal im Nordirak tausende Ezid*innen auf grausame Weise hingerichtet, einzeln oder auch als öffentlicher Massenmord. Über 6500 Menschen, mehrheitlich Frauen und Kinder, wurden vom IS verschleppt, vergewaltigt und wie Ware auf selbstaufgebauten ‚Sklavinnenmärkten‘ verkauft. Noch heute wird etwa die Hälfte der verschleppten Ezid*innen vermisst und befindet sich in IS-Gefangenschaft.
Von den 400.000 Ezid*innen wurden zehntausende vom IS im Sinjar-Gebirge umzingelt, viele von ihnen starben in der Hitze des Hochsommers aufgrund von Erschöpfung, Wasser- und Nahrungsmangel. Ein noch größerer Feminizid und Genozid wurde von den YPJ/YPG aus Rojava (Nordsyrien) und den YJA-Star/HPG verhindert, als zehntausende Menschen über einen Korridor nach Rojava gerettet wurden.
Selbstbestimmt gegen den Feminizid
Nach dem Konstrukt des radikalen Islam des IS gelten Ezid*innen als Ungläubige und sollten als Religionsgemeinschaft ausgelöscht werden. Dazu wendet der IS bis heute brutale Gewaltsformen insbesondere gegen Frauen an. Daher ist dieser Genozid gleichzeitig ein gezielter Feminizid. Denn Feminizid umfasst körperliche, geistige, ökonomische und strukturelle Gewalt, die damit einhergeht, Frauen ihrer Lebensgrundlage und Entwicklungsmöglichkeiten zu berauben. Geschichtlich gesehen sind Frauen mit einem 5000-jährigen Feminizid konfrontiert. Aus diesem Bewusstsein heraus haben ezidische Frauen gemeinsam mit weiteren kurdischen Frauen angefangen, sich selbstbestimmt auf der Grundlage der Philosophie der Frauenbefreiung zu organisieren, zu verwalten und zu verteidigen. Die Formierung der ezidischen Einheiten YJŞ und YBŞ macht deutlich, dass die Ezid*innen keine Opfer sind, sondern sich selbstbestimmt gegen den noch andauernden Feminizid und Genozid verteidigen und organisieren. Die vermeintlich Schwächsten, die Frauen, wurden am Ende die Stärksten.
Sinjar verteidigen
Die aktuelle Rückkehr von über 1500 ezidischen Familien nach Sinjar und das Streben nach Freiheit und Frieden ist ein Dorn im Auge Erdogans. Der NATO-Bündnispartner Türkei bringt nicht nur durch seine völkerrechtswidrigen Angriffe die Zivilbevölkerung im Sinjar und in Afrin/Rojava in Gefahr. Er strebt vielmehr an, den angefangenen und noch andauernden Feminizid und Genozid gegen die Ezid*innen durch den IS nun selbst zu vollenden. Auch nach sechs Jahren erfolgt keine internationale Hilfe für den Wiederaufbau in Sinjar, stattdessen wird die Türkei politisch als auch wirtschaftlich u.a. durch die Bundesregierung Deutschland unterstützt. Das ist ein Kriegsverbrechen und muss als solches offiziell benannt und auf internationaler Ebene angeklagt werden.
Der Aufruf
Die internationale Gemeinschaft muss die Garantie der ungeteilten Frauen-und Menschenrechte und den Erhalt des Friedens für Ezid*innen durch die offizielle Anerkennung des Feminizids und der Autonomie von Sinjar geltend machen. Wir fordern internationale Hilfe für Sinjar und die offizielle Anerkennung der Selbstverwaltung in Sinjar, die vor Ort eine effektive Basisarbeit für die Demokratisierung und den Erhalt der Menschenrechte leistet. Deshalb rufen wir zu einem internationalen Aktionstag gegen Feminizid und Genozid zum sechsten Jahrestag des Beginns des IS-Angriffs auf die ezidische Bevölkerung in Sinjar am 3. August 2020 auf. Der Dachverband des Ezidischen Frauenrats wird an diesem Tag verschiedene Aktionen organisieren. Wir rufen dazu auf, sich uns anzuschließen und eigene Aktionen zu organisieren - egal wie, egal wo. Lasst uns gemeinsam die Stimme für die Freiheit der ezidischen Frauen erheben und den Widerstand von Frauen gegen Feminizid selbstbestimmt organisieren. Dokumentiert eure Aktionen, sendet uns eure Fotos und Videos zu. Gemeinsam werden wir am Dienstag, dem 3. August 2020, mit den Hashtags #JusticeForWomenInSinjar #SelbstbestimmtGegenFeminizid und #SinjarVerteidigen im Netz zeigen, dass der 3. August niemals vergessen und vergeben wird.“
Bisher geplante Aktionen
Folgende Aktionen sind bisher vom Dachverband des Ezidischen Frauenrats e.V. geplant:
1. August 2020
Bielefeld: Demonstration, Hauptbahnhof, 15 Uhr
Kleve: Demonstration, Minoritenstraße 2 (neben dem Bahnhof), 14 Uhr
Oldenburg: Demonstration, Hauptbahnhof, 14 Uhr
Bremen: Demonstration, Hauptbahnhof, 14 Uhr
2. August 2020
Berlin: Fotoausstellung und Seminar, Quitzowstraße 103, 16 Uhr
3. August 2020
Saarbrücken: Kundgebung, Europa Galerie, 18 Uhr
Berlin: Kundgebung, Platz der Republik 1, 14 Uhr
Celle: Kundgebung und Theaterstück, An der Stadtkirche, 17 Uhr
Achim: Informationszelt in der Innenstadt, 15 Uhr