AKP-Herrschaft: Weitgehende Straflosigkeit bei Kindesmissbrauch

Unter der Herrschaft der AKP hat sich die Zahl der angezeigten Fälle von Kindesmissbrauch versiebenfacht. Allerdings endeten die meisten Missbrauchsprozesse nicht mit der Verurteilung der Täter.

Die von der Opposition immer wieder eingebrachten Gesetzentwürfe zu sexuellem Missbrauch und sexualisierter Gewalt wurden stets von der AKP zurückgewiesen. Währenddessen stiegen unter der Herrschaft der AKP die registrierten Zahlen von Kindesmissbrauch, Morden und Kinderehen kontinuierlich an. Zuletzt wurde die am 22. Juni in Polatli in Ankara verschwundene achtjährige Eylül Yağlıkara eine Woche später tot aufgefunden und die in Agirî (Ağrı) am 15. Juni verschwundene vierjährige Leyla Aydemir ebenfalls ermordet entdeckt. Diese beiden Fälle stellen allerdings nur die Spitze des Eisbergs der sexualisierten Gewalt gegen Kinder in der Türkei dar.

Die neun Kinder, deren Missbrauch im Heim der AKP-nahen Süleymancilar geschah, die 45 Kinder, die in den Heimen der Ansar-Stiftung, deren Führungsmitglied der Sohn Tayyip Erdoğans Bilal Erdoğan ist, vergewaltigt wurden, die 30 Schüler*innen in Adiyaman, die Vergewaltigung eines Kindes über drei Jahre hinweg von 200 Personen und 115 schwangere Kinder und Jugendliche in einem Krankenhaus in Istanbul, sind nur einige wenige Beispiele des unter AKP-Herrschaft grassierenden Missbrauchs.

Jedes dritte Kind ist von sexualisierter Gewalt betroffen

Statistisch steht die Türkei weltweit auf Platz drei der Länder mit den höchsten Missbrauchszahlen. In den vergangenen zehn Jahren wurden 482.802 junge Mädchen mit staatlicher Erlaubnis verheiratet, im Zeitraum zwischen 2007 und 2017 wurden 2404 Babys von unter 17-jährigen Müttern tot geboren. Jedes dritte Kind in der Türkei ist von sexuellem Missbrauch betroffen. Dennoch wies die AKP-Regierung bis heute Dutzende Gesetzentwürfe der HDP und CHP zur Missbrauchsprävention, wie auch alle Anträge auf Untersuchung des Themas, zurück.

440.000 minderjährige Geburten

Nach Angaben von Frauenrechts- und verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen, wie auch den Statistiken der Gerichte, hat sich die Zahl der registrierten Fälle sexuellen Missbrauchs an Kindern in der Zeit der 16-jährigen AKP-Herrschaft um 700 Prozent vervielfacht. Seit 2002 wurden 440.000 Geburten minderjähriger Mütter dokumentiert. Die Zahl der Geburten von unter 15-Jährigen nach Vergewaltigungen beträgt 15.000. Die Anzahl der Kinder, die Opfer von Verbrechen wurden, beträgt mittlerweile jährlich über 122.000, und diese Zahlen sind nur die Spitze des Eisbergs. Denn die Mehrheit der sexualisierten Gewalt gegen Kinder bleibt verborgen.

Die AKP-Regierung legitimiert sexuellen Missbrauch

Im Mai wurde vom Verfassungsgerichtshof die Strafbarkeit der Schließung von Ehen nur durch Imame aufgehoben. Die Gesetze, die früher Kinderehen verboten, wurden beschnitten und die religiöse Ehe, welche die Basis für Kinderehen darstellt, legitimiert. Durch eine weitere Gesetzesänderung durch das Verfassungsgericht wurde das Alter für die Zustimmung zu einer sexuellen Beziehung von 15 auf 12 Jahre gesenkt. Im November 2016 wurde ein Gesetzentwurf der AKP ins Parlament eingebracht, durch den der Täter durch die Ehe mit dem missbrauchten Kind straffrei ausgehen können soll. Der Entwurf, der offen Missbrauch und Vergewaltigung legitimierte, musste nach massiven zivilgesellschaftlichen Protesten zurückgezogen werden.

Familienminister: Einmal macht nichts!

Der damalige Familienminister sprach von der „Zustimmung der Kleinen“ und verteidigte diesen Entwurf, der praktisch eine Amnestie für die Täter bedeutete. Die Ministerin für Familie und Sozialpolitik Sema Ramazonoğlu hatte zu den Missbrauchsfällen in der Ansar-Stiftung erklärt: „Das so etwas einmal auftritt kann kein Grund sein, unsere Hilfsorganisation zu verleumden.“ Der Vorstand der Religionsbehörde Diyanet hat dazu sogar erklärt, dass die neunjährigen Mädchen schwanger werden können, und dass sie auch ohne Eltern verheiratet werden könnten.

Strafen werden immer wieder wegen „guter Prognose“ reduziert

Auch bei den Gerichten zeigt sich die systematische Legitimierung und Relativierung sexuellen Missbrauchs. Immer wieder werden Verfahren wegen „guter Prognose und respektvoller Haltung“ eingestellt.

Einige Beispiele der Prozesse die wegen „guter Prognose und einer positiven Haltung“ eingestellt wurden:

*Der Vergewaltiger seiner dreijährigen Tochter, Soner Aydin, wurde statt zu 15 Jahren zu zwei Jahren und vier Monaten wegen einer „guten Prognose“ verurteilt.

*In Agirî hatte eine Person ein Kind sexuell missbraucht, vor Gericht gab er an „einen Spaß“ gemacht zu haben und wurde freigelassen.

*L. Ö., der in Kocaeli seine 13-jährige Tochter missbraucht hatte, wurde freigelassen.