Finnland und Schweden haben nach der Unterzeichnung des trilateralen Memorandums mit der Türkei auf dem NATO-Gipfel in Madrid am 28. Juni nun ein eigenes „Kurdenproblem“. Das erklärte der außenpolitische HDP-Sprecher Hişyar Özsoy in einem Interview mit der Agentur Mezopotamya (MA). Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan habe versucht, die kurdische Frage weiter zu militarisieren und zu einer NATO-Angelegenheit zu machen, so Özsoy.
Der Beitritt Schwedens und Finnlands zur NATO werde noch ein langer Prozess sein, da alle Mitgliedsstaaten in ihren eigenen Parlamenten über die Aufnahme abstimmen müssten, erläuterte der HDP-Abgeordnete zu dem weiteren Procedere und fügte hinzu, dass die Türkei noch weitere Zugeständnisse verlangen könne, bevor der Prozess abgeschlossen sei.
Zu dem Memorandum erklärte Özsoy, dass Schweden und Finnland bestätigt hätten, die PKK als terroristische Organisation zu betrachten. „Die EU-Länder führen die PKK ohnehin auf der ,Terrorliste', das ist also nichts Neues. Weiter sagen Schweden und Finnland, dass sie die YPG und PYD nicht mehr unterstützen werden. Sie sagen nicht, dass es sich um terroristische Organisationen handelt. Diese Forderung konnte die Türkei nicht durchsetzen. Wenn sie wollen, können sie Unterstützung über die zivilen Strukturen leisten, über Hilfsorganisationen, Räte, die Autonomieverwaltung oder die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD). Sie werden höchstens sehr bekannte Persönlichkeiten wie Ilham Ehmed nicht mehr offen einladen“, so der HDP-Abgeordnete.
Auch was die von der Türkei geforderten Auslieferungen von Oppositionellen angehe, sei in dem Memorandum keine klare Zusage erteilt worden: „Die Türkei vielleicht nicht, aber Schweden hat eine Gewaltenteilung. Die Regierung kann einem Gericht nicht einfach sagen, dass es diesen oder jenen ausliefern soll. Die Gerichte können dort nicht auf Anweisung der Regierung arbeiten. Wenn zwei schwedische Regierungsmitglieder beispielsweise Ragıp Zarakolu auszuliefern versuchen, würde die Regierung stürzen. Es würde ein gravierendes Nachspiel haben, so einfach ist das nicht."
Özsoy wies darauf hin, dass mehrere Personen, für die die Türkei die Auslieferung fordert, ihre Asylverfahren abgeschlossen haben und nun vollständig eingebürgerte schwedische Staatsangehörige sind. Ihre Auslieferung sei nicht mehr möglich.
Die Türkei hatte argumentiert, dass die Anti-Terror-Gesetze der beiden Länder zu lasch seien und dass sie faktisch zu sicheren Zufluchtsorten für „Terroristen“ geworden seien. Schweden hat eine kleine, aber lebendige kurdische Gemeinschaft von etwa 100.000 Menschen, von denen ein erheblicher Teil politisch Verfolgte sind. Mehrere Schwedinnen und Schweden kurdischer Herkunft sind auf verschiedenen Ebenen in der Politik tätig.