2018, ein Jahr des starken Widerstands

Wir haben ein schweres Jahr mit einem großen Widerstand hinter uns gelassen. Ein Beitrag von Egîd Şoreş.

2018 war ein sehr intensives Jahr. Gestartet hatte es mit Widerstandsaktionen in Başûr und Rojhilat (Süd- und Ostkurdistan). Es gab große Volksaufstände der Zivilbevölkerung gegen die jeweiligen Regime. Mit dem Jahresanfang begannen die intensiven Angriffe auf Efrîn. Drei Monate später hatte der Faschismus seinen Fuß in Efrîn setzen können. Während dieser Zeit gab es permanente Aktionen von allen Teilen der Freiheitsbewegung Kurdistans.

In Xakurkê und Heftanîn, aber auch in den anderen Regionen der Medya-Verteidigungsgebiete bzw. in der gesamten Region von Nord- und Südkurdistan wurden mit Hightechwaffen die Natur, Tier- und Umwelt permanent angegriffen. Die Bilder der verheerende Waldbrände gingen um die Welt. Die militärische Taktik der Türkei verlagerte sich in den letzten Jahren sowieso auf Hightech, weil die türkische Armee zu viele Verluste und große Niederlagen im direkten Kampf gegen die Guerilla erleiden musste.

Ihr Ziel, die Medya-Verteidigungsgebiete im Länderdreieck Irak-Türkei-Syrien unter eigene Kontrolle zu bringen, um Rojava für einen Angriff von allen Seiten zu umzingeln, konnte die Türkei nicht erreichen. Zu fast jeder Stunde gab es – und gibt – es Guerilla-Aktionen gegen dieses Vorhaben. Die erfolgreichen Aktionen an den Höhen des Lêlîkan und an ähnlich strategisch wichtigen Orten konnten mit Video-Aufnahmen an die Öffentlichkeit gebracht werden.

In Syrien wurde der IS militärisch nahezu vernichtet. Raqqa, als die Hauptstadt des IS, konnte befreit werden. Die Aufbauarbeiten gehen in allen Teilen der Demokratischen Föderation Nord- und Ostsyrien voran. Neue Strukturen wurden geschaffen, vorhandene weiterentwickelt und gestärkt. Schläferzellen, Agenten und andere Kräfte, die der Türkei dienen, wurden enttarnt und festgesetzt.

Zuletzt machte der angekündigte Rückzug der US-Kräfte aus Nordsyrien/Rojava und das Aussetzen von Kopfgeld auf Cemil Bayık (Ko-Vorsitzender der KCK), Murat Karayılan (Oberkommandierender der Volksverteidigungskräfte HPG) und Duran Kalkan (Mitglied des Exekutivrats der PKK) Schlagzeilen.

Die Isolation Abdullah Öcalans ist nach wie vor ein sehr großes Problem. Der Feind will mit seinen Angriffen auf die Kurd*innen und ihre Errungenschaften weltweit ablenken, um sie von Öcalan loszureißen. Im Grunde wird versucht, das Komplott gegen die Kurd*innen und seinen Repräsentanten, welches mit der Verschleppung Öcalans 1999 begann, zu vollenden. D.h. sie wollen dieses Komplott, welches seine Ziele aufgrund des Widerstandes der Freiheitsbewegung nicht erreichen konnte, zu Ende bringen, indem sie den Willen der Kurd*innen zu brechen versuchen. Deshalb sprechen wir hier von der Fortsetzung des Komplotts, manch andere bezeichnen es als zweiten Komplott. Es gab in diesem Verlauf auch schwere Verluste. Viele wertvolle Freund*innen mussten ihr Leben lassen. So wurde Sehîd Zekî Şengalî im Rahmen des genannten Komplotts aus der Luft angegriffen und gezielt getötet.

Gegen Ende des Jahres 2018 starteten mehrere Hungerstreikaktionen. Der bekannteste davon ist der von der inhaftierten Politikerin Leyla Güven, den sie am 7. November begann. Bereits einige Tage vor ihr begaben sich in Xarpêt (Elaziğ) 6 Frauen, Gefangene der PAJK, in den unbefristeten Hungerstreik. Mittlerweile hat sich der Streik ausgeweitet. Insgesamt befinden sich mehr als 90 Freund*innen im Gefängnis im unbefristeten Hungerstreik. Begleitet werden diese weltweit mit Solidaritätshungerstreiks.

Diese Freund*innen sind sich dem genannten Komplott bewusst und wollen mit ihren Aktionen und mit ihrer Haltung ein Zeichen gegen ihn setzen und den Widerstand voranbringen.

Wir haben also ein weiteres Jahr mit zahlreichen Widerstandsaktionen beendet, weil man die Kurd*innen nicht in Ruhe lässt, weil man sie vernichten will, um die eigenen Pläne im Rahmen des Neo-Kapitalismus zu verwirklichen. Nun gehen wir ins neue Jahr. Viele Kurd*innen fragen sich: Was bringt das neue Jahr mit sich, und was bedeutet es für uns?

Wenn wir die aktuelle Phase, vor allem die jetzige Situation richtig verstehen und bewerten, dann können wir erkennen, dass die Möglichkeiten für neue Errungenschaften sehr groß und realisierbar sind. Denn die Türkei mit dem AKP-MHP-Faschismus, aber auch andere Staaten wie Frankreich oder so ein großer starker und mächtiger Staat wie die USA, befinden sich in ihrer schwächsten Phase. Und so versucht der AKP-MHP-Faschismus seinen stetigen Fall aufzuhalten, in dem er sich in einem permanenten Kriegszustand hält und auch außerhalb seiner Staatengrenzen Kriege führt.

Im neuen Jahr wird das Zentrum des Widerstandes die Türkei selbst sein müssen, um den Druck von innen spürbar zu machen. Rojava wird sich im Falle eines Angriffs verteidigen, Südkurdistan wird sich ebenfalls verteidigen müssen, wenn es sich ernsthaft als autonome Region begreift; die Gesellschaften Südkurdistans werden sich um jeden Preis verteidigen. Und auch die Aktionen zur Befreiung von Efrîn werden anhalten. Die politische Entwicklungen für Rojava und Nordsyrien werden sich an der Linie Anti-Faschismus oder Faschismus weiterentwickeln.

Nicht alle sind mit der Türkei unter der AKP-MHP-Regierung und ihren Aktivitäten einverstanden. Bisherige Bündnisse werden weiter aufgebrochen und sich an der genannten Linien orientieren. Unter der Rückzugsankündigung von Trump sollte viel mehr als ihr Rückzug aus der Anti-IS-Koalition verstanden werden und nicht fälschlicherweise der schnelle Rückzug aus Syrien. Ohnehin sollen Frankreich, Großbritannien und Deutschland als EU mehr Verantwortung in Syrien und in der Region übernehmen. Dies kann aber nicht von heute auf morgen geschehen. Die Reaktionen und Äußerungen der genannten EU-Staaten zeigen, dass sie mit einem Rückzug der USA aus der Anti-IS-Koalition nicht einverstanden sind, da sie den IS, der noch nicht wirklich gänzlich geschlagen ist, für sich als ernsthafte Bedrohung erkennen.

Vor diesem Hintergrund werden sich die Bündnisse an der genannten Linie entlang positionieren. Für den Freiheitskampf der Kurd*innen werden sich große Chancen bieten, um ihre Ziele einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft, basierend auf einer multiethnischen und multikulturellen Politik mit Basisdemokratie, Ökologie und Frauenbefreiung, zu erreichen.

Die Türkei hat sich in eine Position gebracht, in der sie immer weniger Spielraum besitzt. In den nächsten Wochen wird noch klarer zum Vorschein treten, wer sich wie zur Türkei positionieren wird. Und da die Türkei der Schlüssel ist, wird auf allen Ebenen der Widerstand erhöht werden müssen. Die Gefangenen im Gefängnis, die Gesellschaft überall dort, wo sie lebt, die Guerilla auf militärischer Ebene und die Politiker*innen auf diplomatischer Ebene.

Dem Motto „Die Isolation durchbrechen, den Faschismus vernichten“ entsprechend, sollten wir unsere Haltung durch eine gute Organisierung stärken und unsere Aktionen durchführen. Nur so kann der internationale Komplott ins Leere laufen, die Isolation Öcalans durchbrochen und Efrin befreit werden. Und so kann die Geschwisterlichkeit der Völker, ihr System eines alternativen Gesellschaftsmodells weiterentwickelt und zur Hoffnung der Menschheit werden, die das staatliche System überwinden möchte.

In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein erfolgreiches Jahr 2019. Mögen wir unsere gesetzten Ziele alle erreichen!