Der in Köln ansässige Rechtshilfefonds AZADÎ e.V. weist zum diesjährigen internationalen Tag der politischen Gefangenen am 18. März darauf hin, dass Aktivist:innen der kurdischen Freiheitsbewegung sowie linker türkischer Organisationen nicht nur in der Türkei die Haftanstalten füllen. AZADÎ fordert, das PKK-Verbot wie auch die Paragrafen 129, 129a und b StGB abzuschaffen. Von der Bundesregierung erwartet der Rechtshilfefonds, „ihre Ankündigung einer menschenrechtsorientierten Außenpolitik auch dann umzusetzen, wenn es um die Beziehungen zum NATO-Partner Türkei geht. Dazu gehört auch, mit kurdischen Organisationen in Deutschland in einen konstruktiven Dialog zu treten, anstatt einen großen Teil ihrer politischen Aktivitäten mit der Nähe zu Terrorismus zu stigmatisieren“.
In der Erklärung von AZADÎ heißt es weiter:
Seit 2011 werden auch in Deutschland lebende Kurdinnen und Kurden auf der Grundlage des §129a/b StGB (Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung) angeklagt, inhaftiert und zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Derzeit befinden sich zwölf Kurden – darunter eine kurdische Aktivistin – in deutschen Gefängnissen.
Dem größten Teil der Angeklagten werden keine individuellen Straftaten vorgeworfen, sondern legale politische Tätigkeiten kriminalisiert – wie das Organisieren von Veranstaltungen und Demonstrationen. Die Strafbarkeit dieser Aktivitäten sieht die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe allein dadurch gegeben, dass die Personen angeblich in PKK-Strukturen eingebunden seien. Belegt wird dies in den Prozessen im Wesentlichen durch oft monatelang durchgeführte Telefonüberwachungen und Observationen.
Dass Anklagen und Inhaftierungen nach dem §129a/b StGB politisch motiviert sind, zeigt eine Besonderheit dieses Paragrafen: Ermittlungen dürfen erst geführt werden, wenn eine entsprechende Verfolgungsermächtigung durch das Bundesjustizministerium vorliegt. Damit bestimmen nicht objektive Maßstäbe darüber, welche ausländischen Organisationen juristisch verfolgt werden, sondern die außenpolitischen Interessen der Bundesregierung.
Zwischen den deutschen und türkischen Sicherheits- und Justizorganen finden regelmäßig Treffen statt, die in der Regel zu einer noch rigoroseren Verfolgung politischer und z.T. auch kultureller kurdischer Aktivitäten in Deutschland führen. So reiste Generalbundesanwalt Dr. Peter Frank im Juli vergangenen Jahres auf Einladung seines türkischen Amtskollegen nach Ankara und Istanbul und wurde protokollarisch zum Abschluss sogar von Staatspräsident Recep T. Erdoḡan empfangen. Die Bundesregierung weigert sich bis heute, über den Inhalt der Gespräche Auskunft zu geben.
Der seit über vierzig Jahren andauernde Konflikt zwischen der kurdischen Befreiungsbewegung und dem türkischen Staat wird in Deutschland unter dem Blickwinkel des §129b allein der kurdischen Befreiungsbewegung angelastet. Zwar wird das aggressive Vorgehen des türkischen Staates gegen Kurdinnen und Kurden auch von den Oberlandesgerichten inzwischen kritisiert und das politische Engagement der Angeklagten durchaus anerkannt, doch ändert sich für die Betroffenen dadurch nichts. Sie werden trotzdem zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Diese Haltung ist zynisch.
Die aktuellen Probleme des Mittleren Ostens und die historischen Hintergründe des türkisch-kurdischen Konflikts lassen sich weder mit dem Strafrecht noch durch die Inhaftierung einzelner Personen lösen.
Deshalb ist es längst überfällig, das seit 1993 bestehende PKK-Verbot ebenso abzuschaffen wie die §§129, 129a und b StGB, um der Kriminalisierung die Grundlage zu entziehen und die Energie darauf zu fokussieren, Wege für eine politische Lösung der Konflikte zu finden.
Wir erwarten von der Bundesregierung, ihre Ankündigung einer menschenrechtsorientierten Außenpolitik auch dann umzusetzen, wenn es um die Beziehungen zum NATO-Partner Türkei geht. Dazu gehört auch, mit kurdischen Organisationen in Deutschland in einen konstruktiven Dialog zu treten, anstatt einen großen Teil ihrer politischen Aktivitäten mit der Nähe zu Terrorismus zu stigmatisieren.