NAV-YEK protestiert gegen türkischen Drohnenterror

Nach dem tödlichen Drohnenangriff auf Mitglieder der Widerstandseinheiten in Şengal weisen ezidische Organisationen auf die Zusammenarbeit zwischen dem türkischen Regime und dem IS hin und rufen zu Protesten auf.

Der ezidische Dachverband NAV-YEK verurteilt die Killerdrohnenangriffe der türkischen Armee in Şengal und ruft zu Protesten auf. Die türkische Luftwaffe hat am Freitag erneut das ezidische Kerngebiet Şengal im südlichen Teil Kurdistans bombardiert. Getroffen wurde ein Fahrzeug, das sich auf einer Verkehrsstraße im Geliyê Şîlo südwestlich des Şengal-Gebirges bewegte. Der YBŞ-Kommandant Azad Êzdîn (Sileman Şemo Yusuf) und der Kämpfer Enver Tolhildan (Nacî Hecî Sebro) kamen bei dem Luftschlag ums Leben. Weitere Personen wurden verletzt.

Angekündigte Protestaktionen in Deutschland

Vor diesem Hintergrund finden in Deutschland Protestaktionen statt. Angekündigt sind für Samstagnachmittag Kundgebungen in Hannover (14 Uhr Steintorplatz), Bielefeld (15 Uhr Hauptbahnhof), und Wilhelmshaven (15 Uhr Rammlerplatz). NAV-YEK und weitere ezidische Organisationen bewerten den türkischen Drohnenterror als Fortsetzung des IS-Genozids vom 3. August 2014 und weisen auf die Zusammenarbeit des Erdogan-Regimes mit dem IS hin. Zeitgleich mit dem Luftangriff in Şengal haben massive Angriffe der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) im irakischen Diyala und im nordsyrischen Hesekê stattgefunden, bei denen Dutzende Menschen ums Leben gekommen sind. Die ezidischen Verbände kritisieren auch die Haltung der irakischen Regierung. Bagdad versucht gemeinsam mit der südkurdischen Regierungspartei PDK die Selbstverwaltung Şengals aufzuheben und das Gebiet unter ihre Kontrolle zu bekommen. Seit Tagen finden Verlegungen großer Truppenkontingente irakischer Streitkräfte in die Region statt, die ezidische Bevölkerung befürchtet eine militärische Eskalation.

Der Angriff von Freitag „gilt als Weiterführung des Genozids an den Ezidinnen und Eziden im Jahre 2014 und der Reihe von Mordanschlägen, welche seitdem kontinuierlich auf wichtige Persönlichkeiten der Selbstverwaltung und der Gesellschaft Şengals durchgeführt werden. Dieses wird auch nicht der letzte Angriff werden, solange die Mehrheit der Menschen und die internationale Gemeinschaft dazu schweigen. Wir rufen alle Menschen dazu auf, dieses Wochenende an den Protestaktionen teilzunehmen und sich gegen ein erneutes Massaker an den Ezid:innen zu solidarisieren“, erklärt der Verband NAV-YEK.

Türkei bombardiert regelmäßig Şengal und andere Orte im Irak

Türkische Luftangriffe gehören in den kurdischen Teilen des Iraks zur Routine, werden seit dem Sommer 2020 jedoch intensiviert. Nahezu täglich kommt es seitdem zu Bombardierungen von Guerillagebieten und zivilen Siedlungen. Die türkische Führung beruft sich bei ihrem Vorgehen „gegen PKK-Stellungen“ auf das Selbstverteidigungsrecht nach Artikel 51 der UN-Charta. Zahlreiche Organisationen und Gremien, darunter auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags, weisen dagegen auf Verstöße der Türkei gegen das Gewaltverbot hin, da es gar keine Selbstverteidigungssituation gebe. Dennoch ist der von den USA und dem Irak kontrollierte Luftraum für türkische Kampfbomber freigegeben.

Gezielter Drohnenterror von Nato-Mitglied gegen Genozid-Überlebende

Ins Visier türkischer Kampfbomber und Killerdrohnen gerät auch immer wieder das ezidische Hauptsiedlungsgebiet Şengal. Die Türkei fühlt sich bedroht von den Selbstverwaltungsstrukturen, die von den Angehörigen der uralten Religionsgemeinschaft unter dem Eindruck des Völkermords der Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) von 2014 mühsam aufgebaut wurden. Am 7. Dezember wurde der ezidische Politiker Merwan Bedel, der Ko-Vorsitzender des Autonomierats von Şengal war, bei einem gezielten Drohnenangriff auf sein Auto in Xanesor getötet. Nur vier Tage später wurde das Gebäude des Volksrates der ezidischen Kleinstadt attackiert, verletzt wurde niemand. Im August vergangenen Jahres bombardierte die türkische Luftwaffe sogar ein Krankenhaus in Şengal. Bei dem Angriff kamen vier YBŞ-Kämpfer und vier Gesundheitsbedienstete der Klinik ums Leben gekommen. Weil die internationale Gemeinschaft angesichts der türkischen Kriegsverbrechen schweigt, hält Ankara an seinem verbrecherischen Kurs fest.