Frauenplattform Çiğli protestiert für Aysel Tuğluk

Die Frauenplattform Çiğli hat im westtürkischen Izmir für die Freilassung der kurdischen Politikerin Aysel Tuğluk und von allen anderen kranken Inhaftierten protestiert.

Die Frauenplattform Çiğli hat im westtürkischen Izmir für die Freilassung der kurdischen Politikerin Aysel Tuğluk und von allen anderen kranken Inhaftierten protestiert. Die Regierung wurde aufgefordert, die Menschenwürde und allgemein die Grundrechte nicht länger zu ignorieren und erkrankte Gefangene aus der Haft zu entlassen. Tuğluk ist nach traumatischen Erlebnissen im Gefängnis Kandıra/Kocaeli an Alzheimer-Demenz erkrankt. Die rechtsmedizinische Fakultät an der örtlichen Universität stellte nach einer monatelangen Untersuchungsphase ihre Haftunfähigkeit fest, doch aufgrund eines Berichts gegenteiligen Inhalts des Instituts für Rechtsmedizin in Istanbul wird Tuğluks Freilassung verweigert.

Die Zusammenkunft der Frauenplattform Çiğli wurde am Montagabend vor dem Sitz der Bezirksverwaltung abgehalten. Auf einem großen Transparent stand „Gerechtigkeit für Aysel Tuğluk und alle kranken Gefangenen“. Die Aktivistin Emine Akbaba verlas eine Presseerklärung, in der sie die Situation von Aysel Tuğluk beschrieb. Die 56-jährige Rechtsanwältin, ehemalige Parlamentsabgeordnete und stellvertretende HDP-Vorsitzende befindet sich seit Ende 2016 in Haft. In mehreren Verfahren wurde sie bereits verurteilt, andere Prozesse sind noch anhängig. Im Februar 2020 bestätigte der türkische Berufungsgerichtshof die bislang höchste Freiheitsstrafe gegen Tuğluk über zehn Jahre Haft. Verurteilt wurde sie aufgrund ihrer Funktion als Ko-Vorsitzende des Graswurzelbündnisses „Demokratischer Gesellschaftskongress” (KCD) wegen „Leitung einer Terrororganisation“. Im Oktober vergangenen Jahres verhängte ein Gericht in Wan eine zwanzigmonatige Freiheitsstrafe wegen angeblicher PKK-Propaganda in den Jahren 2012 und 2013. Im sogenannten Kobanê-Prozess in Ankara droht Aysel Tuğluk zudem eine erschwerte lebenslange Freiheitsstrafe.

Mob attackierte Beerdigung von Mutter

Im September 2017 löste ein Angriff eines türkischen Mobs auf die Beerdigung von Hatun Tuğluk, der Mutter Aysel Tuğluks, weltweit Empörung aus. Eine Gruppe aus Rassisten und Nationalisten hatte die Beerdigung in Ankara mit Steinen attackiert und Hassparolen gegen die armenischen und alevitischen Minderheiten gerufen. Tuğluk war dabei und verfolgte das Geschehen wehrlos mit. Der Leichnam ihrer Mutter musste in der Folge exhumiert werden, weil der Mob angedroht hatte, das Grab zu schänden. Wenige Tage später wurde Hatun Tuğluk in Dersim beigesetzt. Ihre Tochter durfte sich nicht verabschieden, da ihr die Gefängnisleitung keine zweite Sondererlaubnis erteilt hatte. Es wird vermutet, dass die Demenzerkrankung von Aysel Tuğluk in jener Phase ihren Anfang nahm.

„Jin, Jiyan, Azadî“-Parolen vor dem Rathaus Çiğli | Foto: Evrensel

„Der andauernde Einsatz von Strafverfolgung wird ebenso wie die vom Staat verweigerte Haftentlassung Tuğluks als Instrument der politischen Vergeltung eingesetzt“, erklärte Akbaba und bezeichnete die türkischen Gefängnisse als „Bastionen der Gewalt“, in denen ein Zustand allgegenwärtigen Unrechts herrsche. Es handele sich um „Zentren der Folter und Unterdrückungspolitik der AKP“, in denen es einzig darum gehe, den Willen der „Feinde“ zu brechen und sie auf Linie zu bringen. „Inhaftierte verlieren zwar ihre Freiheit, aber nie ihr Recht auf Gesundheit und Gesundheitsfürsorge. Aysel und alle anderen kranken Gefangenen müssen umgehend in die Freiheit entlassen werden”, so Akbaba.