Protest gegen drohende Auslieferung von Ecevit Piroğlu

Ecevit Piroğlu befindet sich seit zwei Jahren in serbischer Auslieferungshaft, in der Türkei droht ihm eine lebenslange Freiheitsstrafe. In mehreren europäischen Städten wurde heute seine Freilassung gefordert.

In mehreren europäischen Ländern ist heute gegen die drohende Auslieferung von Ecevit Piroğlu an die Türkei protestiert worden. Der Aktivist, der in der Türkei bereits mehrfach im Gefängnis war und in Rojava gegen den IS gekämpft hat, sitzt seit zwei Jahren in Serbien in Auslieferungshaft. Zu den Protesten hatten der Verband Demokratischer Kräfte in Europa (ADGB) und der kurdische Europaverband KCDK-E aufgerufen.


Mit einer Kundgebung auf dem Bahnhofsplatz in Bern wurde die Freilassung von Ecevit Piroğlu gefordert. Der kurdische Exilpolitiker Nejdet Atalay sagte, dass Serbien mit der von der Türkei geforderten Auslieferung internationales Recht verletzt und entsprechende Versuche bereits mehrfach durch internationale Solidarität verhindert werden konnten. „Die Gefahr einer Auslieferung durch Serbien ist jedoch nicht vorbei“, betonte Atalay und berichtete von dem Kampf Piroğlus beim Gezi-Aufstand und in Rojava.

Für den ADGB sprach Tuncay Yılmaz: „Ecevit Piroğlu hat einen revolutionären Kampf für die Völker der Türkei und das kurdische Volk geführt. Wir kennen ihn vom Gezi-Aufstand und von seinem Kampf für die Revolution von Rojava. Viele von uns haben mit ihm zusammengearbeitet und wir wissen sehr gut, was ihm zustoßen kann, wenn er ausgeliefert wird. Seine Inhaftierung in Syrien verletzt internationales Recht. Als ADGB fordern wir heute in mehreren Städten in Europa, dass Ecevit Piroğlu freigelassen und das Auslieferungsverfahren eingestellt wird. Die internationale Öffentlichkeit rufen wir zur Aufmerksamkeit auf.“

Wer ist Ecevit Piroğlu?

Ecevit Piroğlu wurde 1974 in der zentralanatolischen Stadt Kırşehir geboren, ursprünglich stammt er aus Ezirgan (tr. Erzincan). Politisiert in der Studierendenbewegung der neunziger Jahre, war er später für einige Zeit Vorstandsmitglied des international bekannten Menschenrechtsvereins IHD, der seit Jahrzehnten Folterungen in Haft, Polizeigewalt auf Demonstrationen und das „Verschwindenlassen“ linker und kurdischstämmiger Menschen in der Türkei anprangert. Aufgrund seines politischen Wirkens war Piroğlu mehrfach im Gefängnis.

Als aktiver Teilnehmer am Gezi-Aufstand 2013 und Geschäftsführer der Sozialistischen Demokratie-Partei (SDP) wurde er von der Regierung verstärkt ins Visier genommen. Im Juni 2013 fand eine staatliche „Racheoperation“ gegen die SDP aufgrund ihres federführenden Einsatzes bei Gezi statt, die Zentrale in Istanbul wurde von paramilitärischen Spezialeinheiten der Polizei überfallen. Piroğlu befand sich unter den 74 Personen, die damals brutal festgenommen wurden. Viele der damaligen Betroffenen wurden später im sogenannten „Revolutionäres Hauptquartier“-Verfahren („Devrimci Karargah”) zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.

Angesichts der Verhaftungen und massiven Verfolgung ihrer Führungskräfte war die SDP 2015 gezwungen, sich aufzulösen. Noch im selben Jahr entschied Piroğlu die Türkei zu verlassen, um einer jahrzehntelangen Gefängnisstrafe zu entgehen. Er ging nach Nordsyrien und schloss sich dem Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) an. Im Juni 2021 reiste er nach Serbien, um politisches Asyl zu beantragen, und wurde noch am Belgrader Flughafen verhaftet. Grund dafür ist das Interpol-System, das die Türkei systematisch als Instrument zur Bestrafung ihrer politischen Gegner im Ausland missbraucht. Ankara führt Piroğlu in seiner „Roten Liste“ der meistgesuchten „Terroristen“, auf ihn ist ein Kopfgeld von zehn Millionen TL (aktuell rund 500.000 Euro) ausgesetzt.

Im Oktober 2022 hob das Berufungsgericht in Belgrad die Entscheidung einer unteren Instanz auf, Ecevit Piroğlu an die Türkei auszuliefern. Der Aktivist befindet sich weiter in Haft – ein Verstoß gegen die Richtlinien des UN-Ausschusses gegen Folter, serbisches Recht und frühere Gerichtsurteile. Auch sein Asylantrag wurde bislang nicht positiv beantwortet, obwohl ihm in der Türkei mindestens dreißig Jahre Gefängnis drohen.