QSD stimmen Waffenruhe mit „SNA“ in Minbic zu

Die QSD haben einer unter US-Vermittlung ausgehandelten Waffenruhe mit der pro-türkischen Söldnertruppe SNA in Minbic zugestimmt. Das Abkommen sei erzielt worden, um die Sicherheit der Zivilbevölkerung zu gewährleisten

Schutz der Zivilbevölkerung

Die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) haben einer unter US-Vermittlung ausgehandelten Waffenruhe mit der von der Türkei gesteuerten Söldnertruppe SNA in Minbic zugestimmt. „Die Kämpfer des Militärrats von Minbic werden sich so bald wie möglich aus dem Gebiet zurückziehen“, sagte QSD-Generalkommandant Mazlum Abdi am Mittwochmorgen. Das Abkommen sei erzielt worden, um die Sicherheit der Zivilbevölkerung zu gewährleisten. „Unser Ziel ist ein Waffenstillstand in ganz Syrien und die Einleitung eines politischen Prozesses zur Zukunft des Landes“, so Abdi weiter.

Amtliche Nachrichtenagentur streut Fake News

Dem Waffenstillstand in Minbic waren zweiwöchige Kämpfe vorausgegangen, parallel zum Vormarsch der von der HTS-Miliz angeführten Dschihadistenallianz Richtung Damaskus. Der Militärrat und weitere Mitgliedsverbände der QSD leisteten heftige Gegenwehr gegen die Besetzung der Region durch die sogenannte SNA, deren Verluste zuletzt auf mehrere hundert beziffert wurden. Von der türkischen amtlichen Nachrichtenagentur Anadolu seit Tagen verbreitete Meldungen, wonach Minbic längst gefallen sei, erwiesen sich als absichtlich verbreitete Falschmeldungen im Rahmen psychologischer Kriegführung.

Kämpfe dauern an

Doch auch am Dienstagabend dauerten die Auseinandersetzungen in Minbic weiter an; die QSD wollen eine Ausweitung des Besatzungskrieges auf die östliche Seite des Euphrats verhindern. Denn parallel zum Großangriff auf Minbic steigerte die türkische Armee in den letzten Tagen ihre Luft- und Artillerieangriffe auf das weiter nordöstlich gelegene Kobanê. So konzentriert sich der Widerstand des Militärrats aktuell weiterhin auf die strategisch wichtige Qereqozax-Brücke zwischen Minbic und Kobanê. Die weiter südlich gelegene Tişrîn-Talsperre ist infolge gezielter Angriffe der türkischen Armee und ihrer SNA-Proxys nach wie vor betriebsunfähig; weite Gebiete der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien haben keinen Strom mehr.

Gräueltaten der SNA

Unterdessen werden immer mehr Gräueltaten der SNA in Minbic bekannt. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London berichtete von „Dutzenden Exekutionen“ verwundeter Militärratskämpfer, die in einem Krankenhaus im Norden der Stadt von Erdoğans Söldnern ermordet wurden. In der Stadt sei es auch zu Plünderungen gegen die kurdische Bevölkerung gekommen, etliche Häuser wurden demnach niedergebrannt. Darüber hinaus sei es zu „Racheaktionen“ an der Zivilbevölkerung gekommen. In einem Fall wurden drei Aktivistinnen des arabischen Frauenverbands Zenobiya von SNA-Dschihadisten getötet (ANF berichtete). Nordostsyriens Frauenbewegung Kongra Star gab bekannt, dass mehrere Beamtinnen der Sicherheitsbehörde Asayîş aus Minbic verschleppt wurden. Videos, die SNA-Söldner selbst ins Netz stellten, zeigen die Frauen, die beim Abtransport wie eine Kriegsbeute präsentiert werden.

Verwaltungsgebäude des Zivilrats von Minbic nach einem türkischen Luftangriff am vergangenen Sonntag 

Befreiung und Frauenkampf in Minbic

Der multiethnische Kanton Minbic wurde 2016 von den QSD und den Frauenverteidigungseinheiten YPJ vom sogenannten Islamischen Staat (IS) befreit und war das erste selbstverwaltete Gebiet in Nord- und Ostsyrien ohne mehrheitlich kurdische Bevölkerung. Im Herbst 2016 übergab der Militärrat die Verwaltung der Region dem provisorischen Zivilrat von Minbic. Im darauffolgenden März erfolgte die Umbenennung des Zivilrats in „Legislative der Demokratischen Administration von Minbic“, um sich breiter aufzustellen und die demokratische Legitimation zu erhöhen.

Direkt zu Beginn wurde in allen Ämtern eine genderparitätischen Doppelspitze aus einer Frau und einem Mann eingeführt, sodass der Anteil der Frauen in der Verwaltung 50 Prozent beträgt. Alle gesellschaftlichen Gruppen sind entsprechend ihrer Bevölkerungsanteile darin vertreten. Die Bedeutung von Minbic erklärt sich somit nicht nur durch seine geostrategische Lage im gesamtsyrischen Kontext, sondern auch durch das dort seit August 2016 aufgebaute politische System, das einen sehr hohen demokratischen Anspruch hat und als Modell für ein neues demokratisches Syrien gilt. Durch dieses Gesellschaftsmodell konnte sich ein vertrauensvolles und sicheres Umfeld etablieren, in dem Frauen ihre Rechte erkämpften und in allen Bereichen der Verwaltung und des Lebens eine Rolle einnahmen.

Nächstes Ziel Kobanê

Minbic war der einzige verbliebene Kanton der Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES) westlich des Euphrat. 2018 wurde Efrîn von der Türkei besetzt, Anfang November besetzten SNA-Proxys die Region Şehba und die Stadt Tel Rifat. Auch 2016, 2017 und 2019 hat die Türkei in mehreren Invasionen Gebiete in Nordsyrien in Zusammenarbeit mit den islamistischen Milizen der SNA angegriffen und besetzt, darunter Cerablus und Serêkaniyê (Ras al-Ain). Staatschef Erdoğan kündigt immer wieder an, einen 30 Kilometer tiefen Steifen entlang der Grenze auf syrischem Gebiet besetzen zu wollen, inklusive Kobanê. Die Stadt war 2015 zu weltweiter Bekanntheit gekommen, als der IS über mehrere Monate versucht hatte, Kobanê einzunehmen, aber letztlich am kurdischen Widerstand gescheitert war. Die Schlacht gilt als Wendepunkt im Kampf gegen den IS.

Die sogenannte SNA

Die Milizenkoalition SNA („Syrische Nationalarmee“) wiederum, die auch als Fajr al-Hurriya bekannt ist und aus islamistischen Gruppen wie Ahrar al-Sharqiyah besteht, ist ein türkisches Instrument zur Verfolgung geostrategischer Interessen: Die Zerschlagung der DAANES und die Unterdrückung der kurdischen Selbstverwaltung. Die Söldnertruppe zeichnet sich durch schwere Kriegsverbrechen und Verbrechen an der Menschlichkeit in Nordsyrien aus, darunter die Ermordung der kurdischen Politikerin Hevrîn Xelef im Jahr 2019. Zur SNA gehören auch ehemalige IS-Terroristen.