Vom 10. bis zum 12. Oktober, dem Tag des indigenen Widerstands, versammelten sich im agroökologischem Zentrum Yajxonax in der „Tierra Bonita“ bei Matías Romero (Oaxaca, Mexico) 374 Delegierte aus über 22 indigenen Pueblos und 11 Ländern zum „Kontinentalen Treffen zum Bilden einer Allianz gegen Pipelines und weitere Megaprojekte, zur Verteidigung der Territorien der ursprünglichen Völker“.
Der erste Tag: Zurück zu den Ameisen
Yajxonax ist ein Ort der widerständigen Geräusche. Der Wind und der Wald trotzen der neu asphaltierten Autobahn 185 und dämmen ihren Lärm, allein die Vögel, Amphibien und Insekten bestimmen das Konzert der „schönen Erde“. Die Geräusche der Eroberer passierten diese einmal, doch sie sind längst wieder verschwunden. Und so erscheint es sinnvoll, dass, nachdem wir zu evangelikalem Bibel-Rock im Plastikbus von Mexiko-Stadt aus aufbrechen und einschlafen, ganz andere Musik ertönt, als wir schließlich geweckt werden von der Sonne über den unendlichen Grüntönen von Veracruz:
Ich brach zur Exkursion auf,
verloren im schwarzen Wald,
und da traf ich ein verstörte Ameise.
Diese erzählte mir,
dass jemand ihr Land stehen wollte,
und sie nicht verstand warum,
wenn sie doch immer hier gelebt hatte.
Was war passiert?
Der Wald mit seinen unendlichen Grüntönen lichtete sich bei diesen Worten, nicht vollständig, aber beständig, und im Hintergrund blitzte eine Antwort auf: Neu verlegte Schienen begleiteten uns fortan, auf dieser neuen alten Route des Interozeanischen Korridors. Dann hält der Bus, in der Nähe zur Gabelung nach La Ventosa, wo man sich gegen die riesigen Windparks wehrt. Es ist die erste Militärkontrolle, und ihr folgt die ganze Schlange der Waffen-Liebenden: Auf einmal ist da die Marine, die Policia Estatal, noch mehr Armee, und der Boden scheint angesichts ihrer Übermacht bereits all sein Wasser verweint zu haben, nun ist er trocken, ein leerer Pestizid-Versprüher liegt noch dort, inmitten des Mülls. Es ist ein Sinnbild des Gigaprojektes der aktuellen mexikanischen Regierung:
Der Korridor …
Von Coatzacoalcos am Golf von Mexiko bis nach Salina Cruz am Pazifik, entlang dieser Straße 185, sollen ausgebaute Häfen, Schienen und Straßen durch einen zu errichtenden Industriekorridor mit 12 Fabrikparks führen, Produktion direkt am neuen Handelsweg des globalen Kapitalismus. Das Projekt, angebunden an den schlecht benannten „Maya-Zug“ im Süden des Landes, verbindet neben den geplanten Fabriken bereits jetzt Monokulturen, Bergbau und riesige Energieparks – kontrolliert vom Militär (hier der Marine) und dem organisierten Verbrechen, welches sich im gesamten Südosten des Landes ausbreitet. Die Militarisierung hat neben der Sicherung der Kapitalinteressen auch die Migrationskontrolle zum Ziel, die neue Grenze der USA verläuft hier, nicht im Norden, und sie fordert Tote. Allein in der vergangenen Woche wurden sechs, teils minderjährige Migrant*innen an der Grenze zu Guatemala von den Streitkräften erschossen. Auf dem Weg nach Matías Romero passieren wir nun das Militärcamp 46 C des 99. Bataillons, gleich neben der „Bank des Wohlbefindens“.
Vor einem Jahr griffen die Einheiten der auch hier operierenden Marines, welchen die Kontrolle des Interozeanischen Korridors überlassen worden ist, nur wenige Kilometer von hier das Protestcamp „Emiliano Zapata“ an. Indigene Mixe-Gemeinden, allen voran die Frauen, hatten bei Mogoñé Viejo über 60 Tage lang die Eisenbahnschienen der neuen Züge blockiert. Auch der damalige Angriff, einschließlich brutaler Gewaltanwendung, der Zerstörung des Camps und der zwischenzeitlichen Verschleppung von sechs Genoss:innen hatte diesen Widerstand nicht brechen können. Viele der Kleinbäuer:innen, die sich vor einem Jahr mit bloßen Händen und selbstgemalten Bannern den Maschinengewehren der Militärs, Marine und Polizei entgegengestellt hatten, werden uns in wenigen Stunden empfangen.
Der Plan, den Südosten Mexikos durch die infrastrukturelle Erschließung des Landes und die Verbindung der ausbeuterischen Megaprojekte zu kolonialisieren, ist nicht neu. Matías Romero zeugt von dieser Geschichte. Es ist heiß als wir aussteigen, doch bevor es zur schönen Erde geht, führt uns ein kurzer Abstecher zur neu errichteten Station des Interozeanischen Zuges: Eine regelrechte Promenade präsentiert stolz die alte Eisenbahn des Diktators Porfirio Díaz‚ (1899), vor ihr der Name des Ortes in großen Buchstaben für das klassische Touristen-Foto, hinter ihr, geschützt durch einen hohen Stacheldrahtzaun, die neuen Wagons des aktuellen Zuges. Morgens kann man hier wohl auch Tickets für denselben kaufen, auch wenn fast alle Wagen hier für den Gütertransport gedacht sind. Touristen warten hier auch keine, es ist fast ausgestorben. Vielleicht profitieren nicht einmal die wenigen Cafés (alle mit dem alten Zug im Logo), andere mussten hier sicherlich ihre Wohnungen verlassen. Ein paar eingestürzte Häuser zeugen von anderen Zeiten, einer heute bereits überwucherten Zwischenzeit zwischen dem alten und dem neuen Zug.
Der alte vor dem neuen Zug: Die Station des „interozeanischen Zuges“ in Matías Romero.
Im Rücken zwei Patrouillen der schwer bewaffneten Guardia Nacional, gefolgt von der Policia Federal und der angesichts ihrer fast harmlos anmutenden Ortspolizei geht es erneut die Calle Hombres Ilustros hinauf, vorbei an den trockenen Camarones der Pazifikküste und kleinen Schmetterlingen, die den Weg zur „Tierra Bonita“ weisen. Dort ist es eine altbekannte Hängebrücke, die den Eingang zum Zusammentreffen des Widerstands markiert. Der „interozeanische Korridor“ und sein Zug ist hier natürlich omnipräsent, doch der Schwerpunkt dieses Encuentros, zu dem neben dem mexikanischen Nationalen Kongresses der Indigenen auch die first nation* Wet‘suwet‘en aufgerufen hat, ist ein anderer: Die Chiefs* der Wet‘suwet‘en sind aus dem fernen Norden des Territoriums angereist, welches heute „British Colombia, Kanada“ genannt wird. Ein zentraler Bestandteil des mexikanischen Korridors sind Energieprojekte – und eines, dass in diesem Kontext die ursprünglichen Völker Kanadas, der USA, Mexikos und Mesóamericas gleichermaßen bedroht, sind die Pipelines (Gasoductos). Die Gefahren sind dieseleben, und die Feinde auch:
Die Pipelines des Korridors …
Die „TC Company“, voreinst „TransCanada“, führt seit Jahren Krieg gegen die indigenen Clans im Norden Kanadas. Derselbe milliardenschwere Konzern arbeitet nun am Pipelineprojekt „Puerta al Sureste“ („Tür zum Südosten“). Es ist die konsequente Fortführung einer bereits bestehenden Pipeline, welche umweltschädliches Fracking-Gas aus Texas (USA) durch den Pazifik nach Tuxpan im mexikanischen Bundesstaat Veracruz führt. Die Erweiterung soll nun über 715 Kilometer die gesamte Landenge von Tehuantepec bis zum Golf-Hafen Coatzacoalcos durchqueren und von dort zur Raffinerie-Hölle von Dos Bocas im Bundesstaat Tabasco führen.
Diese Erweiterung hängt unmittelbar mit dem „Gigaprojekt“ des Korridors und der angekündigten „territorialen Neuordnung“ des Südostens Mexikos zusammen (der Name des Projekts könnte daher kaum passender sein, er ist – im Gegensatz zu allem anderen – ehrlich): Es handelt sich tatsächlich um die „Tür (der Eroberung und Ausbeutung) zum Südosten“: Das Ziel der Pipeline-Konstruktion ist die Gas- und Energieversorgung der neuen Projekte im Isthmus und der Yucatán-Halbinsel: Der Züge, des Massentourismus, der Urbanisierung und ihrer ausufernden Immobilien-Spekulation, der Fabriken und Industrieparks.
Nach einer traditionellen Zeremonie zur Eröffnung des Zusammentreffens und einleitenden Worten von Carlos Beas der Organisation Unión de Comunidades Indígenas de la Zona Norte del Istmo (Union der Indigenen Gemeinschaften der nördlichen Zone des Isthmus, UCIZONI), die ihr agroökologisches Zentrum für das Treffen erneut zu einem Sammelpunkt der nicht-Eroberten transformiert, führen Claudia Campero (für Mexiko), Luis Manuel Martínez (für Zentralamerika) und Maria Elena Foronda Farro (für Südamerika) die Probleme der Pipelines im globalen Kontext der Klima- und Energiekrise unter der Moderation von Juan Manuel Sandoval von der Arbeitsgruppe „Grenzen, Regionalisierung und Globalisierung des CLASCO und dem mexikanischen Netzwerk zur Aktion gegen den freien Markt (RMALC)“ aus. Anschließend werden die Gefahren der Energie durch Gas für den Isthmus von Tehuantepec vorgestellt, moderiert durch Verónica Munier vom Menschenrechtszentrum Beti Cariño (jener Genossin der indigenen Mixteca, die 2010 gemeinsam mit dem finnischen Menschenrechtsbeobachter Jyri Jaakola in ebendiesem Bundesstaat Oaxaca ermordet wurde, als sie einem Hilferuf der indigenen und auch auf diesem kontinentalen Treffen anwesenden Triqui zur Hilfe eilte).
Carlos Tornel und Luca Ferrari führen hierbei das Konzept der „geopferten Zonen“ ein, jene Territorien, die trotz ihrer einzigartigen Biodiversität und Gemeinden im Namen des „Fortschritts“ zur Vernichtung freigegeben werden – es ist allen bewusst, dass der Isthmus mit seinen beiden Küsten, Riffen, Bergen, dem artenreichen Chimalapas-Regenwald und riesigen Lagunen eine solche Region bedeutet. Doch der Widerstand der hier Versammelten macht aus dem Isthmus noch keine „geopferte Zone“, sondern eine der Hoffnung. Delegierte des RMALC ordnen diese kämpfende Landenge in ihre geopolitische Bedeutung ein – einen Umstand, den die Genoss:innen des Kollektivs Geocomunes zu verbildlichen wissen: Ihre Karten unterstützen die Gemeinden im Kartografieren der Megaprojekte, und sie zeigen die Bedeutung der Energieprojekte im Isthmus für den globalen Kapitalismus auf (https://geocomunes.org/Analisis_PDF/GC_2024_Reestructuracion_Energetica_Mexico.pdf):
Gasoductos im Isthmus von Tehuantepec, auf dem Encuentro „live“ bearbeitete Karte des Kollektivs Geocomunes
„Das Methan, das durch diese Pipeline transportiert werden soll, wird neue Kombikraftwerke, einige Industrieparks und auch die Verflüssigungsanlagen speisen, die für den Export des Gases nach Europa, Asien oder Südamerika bestimmt sind. Gemeinden in der Region und Umweltorganisationen haben angeprangert, dass diese Pipeline eine ernsthafte Bedrohung für die Artenvielfalt der Riffzone an der Küste von Veracruz darstellt, nicht nur wegen der Auswirkungen, die ihr Bau mit sich bringen würde, sondern auch wegen der Unfälle und Lecks, die nach ihrer Inbetriebnahme auftreten könnten.“ Was bereits für Veracurz gilt, könnte bald auch Oaxaca und die Yucatán-Halbinsel betreffen – und mögliche Explosionen sind nicht die einzige Sorge der versammelten indigenen Gemeinden:
„Über 10 Industrieparks, woher soll das Wasser kommen?“ Die Geografen von Gecomunes haben nur beunruhigende Antworten: „Aus den Lagunen, den unterirdischen Flüssen, aber wir wissen es nicht genau – es gibt ja keine öffentlichen Informationen – und die Frage ist nicht nur, wo sie das Wasser stehlen werden, sondern auch, in welchem (kontaminierten) Zustand sie es zurückgeben.“ Und Carlos greift erneut sein Konzept der „Opferzonen“ auf: „Uns erreichten nur Momente vor diesem Zusammentreffen auch neue Informationen über die Pipeline im Norden des Istmus, es verdichten sich die Hinweise auf ihre Ausweitung auf die Yucatán-Halbinsel, die damit auch geopfert wird…“ „Und mit dem neuen grünen Diskurs, dem Diskurs der angeblichen Nachhaltigkeit, damit können sie noch viel mehr Gebiete zu solchen Opferzonen erklären, während sie so tun, als ginge es um ihre Rettung“. Und das „Opfern“ nehmen bekannte Akteure vor: Die schlechten Regierungen, die Unternehmen, und – als unkontrollierbare Handlanger: Die Kartelle. Von diesen wird uns auch aus Honduras berichtet, wo die mexikanischen Industrieparks (PODEBIS [Polos de Desarollo para el Bienestar – Zonen der Entwicklung für das Wohlbefinden (der Unternehmen)]) mit den „Spezialzonen der Entwicklung“ gleichgesetzt werden können – oder aus Guatemala, in dessen Norden nicht nur die Schienen des „Maya“- und interozeanischen Zuges, sondern auch die Pipelines ausgeweitet werden sollen.
Noch auf diesem Treffen wird die Errichtung einer „Beobachtungsstelle der Opferzonen“ angekündigt, die man in zwei Tagen, 532 Jahre danach, zu „Verteidigungszonen“ erklärt. Eigentlich sind es längst „Verteidigungszonen“: „Wir sprechen für den Süden von Veracruz: Wir haben bisher den Bergbau verhindert, wir haben die Unternehmen COMESA und SINOPEC verhindert, und all dies ist schwieriger seit der aktuellen Regierung, aber wir kämpfen weiter.“ Es sind entschlossene Worte, die den ersten Teil des Treffens abschließen und zum Essen führen, und wir essen viel besser als der Präsident oder die Präsidentin, und der krümelnden Ameisenstraße der Menschen folgen die Ameisenstraßen der Ameisen, die hier in einer solchen Varietät vorkommen, dass sich die Ameise aus dem Maná-Lied keine Sorgen machen muss: Sie ist nicht allein.
(Inter-)kontinentale Allianzen
Auch der Süden von Veracruz ist nicht allein, genauso wenig wie sein Norden, oder wie Oaxaca, oder wie die südlichsten Bundesstaaten:
Bevor die chiefs* aus dem hohen Norden das Wort ergreifen, überquert das kontinentale Treffen den Ozean. Denn die Pipelines des amerikanischen Kontinents werden aus der ganzen Welt und gegen den gesamten Planeten errichtet: Paul von der französischen Bewegung „Soulvements de la terre“ („Aufstand/Erhebung der Erde“) berichtet nicht nur vom Widerstand gegen die großen „mega-basins“, die das Wasser Frankreichs für die großen Agrokonzerne stehlen und privatisieren, einem Kampf, den die Regierung mit dem Einsatz von über 20.000 Granaten auf die Protestierenden beantwortete, sondern auch von Projekten gegen die Urbanisierung und die Verdichtung des Bodens durch Zement, der acht Prozent des CO2-Ausstoßes produziert; gegen neue Flughäfen und Autobahnen. All dem widersetzt sich die erst drei Jahre alte Bewegung mit Blockaden, Landzurückgewinnung oder Besetzungen, zuletzt einer zwischenzeitlichen der MONSANTO-Zentrale – begleitet durch den Aufbau immer neuer Strukturen, die inzwischen auch Belgien erreicht haben. Vor allem die Versuche, die „mega-basins“-Proteste zu terroristischen Organisationen erklären zu wollen, verursachte eine landesweite Solidaritätswelle, Neugründungen von Lokalgruppen und den Aufbau internationaler Allianzen. Diese reichen nun bis nach Mexiko, wo sich die SdlT der Beteiligung etwa von Dandone/Bonafont am Wasserraub in Puebla (die Widerständigen eben jener Pueblos sind auf diesem Treffen vertreten); dem französischen Multi EDF an den Windparks von Oaxaca oder der Firma Alstom, die seit 50 Jahren in Mexiko operiert, am „Tren Maya“ bewusst ist. Auch die Gasraffinerien funktionieren dank Zement, den französische Konzerne bereitstellen. So kehrt das Plenum zu den Pipelines zurück – in diesen steckt viel transnationales Geld und „Wissen“ – mit einem Protagonisten aus Kanada: TC Energy.
Dieser hat Erfahrung im Traumatisieren indigener Bevölkerungen – doch das Trauma ist dem Kampf gewichen, und die folgenden Redner sind weit gereist, um von diesem zu berichten, und alle fühlen ihre ersten Worte, auch wenn sie den Babine-Witsuwit‚en Dialekt der Athabaskan Sprache der Wet‘suwet‘en nicht sprechen. In ihren Worten eröffnen die höchstrangigen chiefs* eines der fünf Clans dieser ursprünglichen Bevölkerung des heutigen „British Colombia“ ihren Diskurs:
Der Chief der first nation* Wet‘suwet‘en
„Was ich euch gerade gesagt habe“, spricht der das Wissen seiner Groß- und Urgroßmutter teilende chief*, „ist, dass es das Kanada, dass man euch präsentiert, nicht gibt“. „Unsere Felsen, die ich hier mit mir trage, die kennen diese Regierung nicht, und sie akzeptieren auch das nicht, was sie als Demokratie verkaufen“. „Wir haben unsere eigenen Gesetze, und die sind viel älter als die, welche uns nach der Ankunft des weißen Mannes aufgezwungen worden sind. Und unser erstes Gesetz besteht darin, das Land und das Wasser zu schützen. Wir dürfen also keine Regierung wählen, die dieses Land und dieses Wasser verletzt, noch weniger können wir akzeptieren, dass ein Unternehmen es stiehlt.“ Doch das aufgezwungene Kanada wollte nicht einmal anerkennen, dass es die first nation* der Wet‘suwet‘en gibt. „Wir mussten vor ein Gericht ziehen, das nicht das unsere ist, um zu beweisen, dass wir existieren“. Am 11. Dezember 1997 haben sie diesen Prozess vor dem Gericht, dass nicht das ihre ist, gewonnen. „Davor waren wir Steine die dem Fortschritt im Weg standen, sie verstehen ja auch nicht, dass die Steine leben, jetzt sind wir Menschen die dem Fortschritt im Weg stehen“. Doch auch Menschen scheinen in diesem Kanada kein Recht auf Land zu haben, Steine ohnehin nicht. Der Kampf gegen die first nations* im Widerstand gegen die Pacific Trail- und weitere Pipelines derselben TC Energy wird „mit Waffen, Helikoptern und Hunden geführt, doch wir wissen, dass wir im Recht sind.“ Der chief* spricht langsam, Englisch ist nicht seine Muttersprache und die anwesenden compas warten nach jedem Satz, den sie fühlen, gespannt auf die spanische Übersetzung, die sie verstehen. „Wir haben Minen verhindert, wir haben Staudämme verhindert, wir haben Pestizide von unserem Land verbannt, wir werden Pipelines verhindern“ – „und deshalb interessieren sich die (schlechten) Regierungen nicht für uns, und deshalb hassen uns die Konzerne. Und wisst ihr, dieser Hass erfüllt mich mit Freude“. Es ist der erste, von Applaus begleitete Abschlusssatz dieses höchstrangigen chiefs*, der nur tut, „was unsere Leute mir auftragen“, „und heute haben sie mir aufgetragen hier zu sein, um Allianzen zu schmieden.“
Ein leichter Regen setzt ein, als der zweite Delegierte der Wet‘suwet‘en in seiner Sprache die Herzen öffnet: „Mein Name bedeutet, wenn man es zu übersetzen versucht, ‚traditioneller Mann‘ - und was wir versuchen, ist unserem Namen gerecht zu werden. Er ist auch gar nicht der unsere. Wenn ich einmal nicht mehr bin, dann wird ein anderes Mitglied des Clans meinen Namen erhalten. Und unsere Namen sind gebunden an das Land. Ist es verloren, so stirbt der Name. Und der meine bedeutet die Aufgabe eines unserer Gesetze: Dass ich den Korb, den ich im Leben erhalte, mit all dem, was er enthält, weitergeben muss, ich darf von ihm leben, aber ich darf ihn nicht leeren, im Gegenteil werde ich versuchen, ihn gefüllter weiterzugeben, als er jetzt bereits ist. Diese Pflicht zu erfüllen, darauf basieren alle meine Entscheidungen, diese Pflicht bedeutet, das Land, das Wasser und die Luft zu verteidigen, und es ist dieser Frieden, den die Regierung Kanadas und die Unternehmen nicht verstehen, einige Menschen können sie nicht kaufen, und das passt nicht in ihr Konzept.“ Der traditionelle Mann fährt fort: „Der chief* erklärte bereits, wie wir beweisen mussten, dass wir existieren, vor einem Gericht, dass erst nach uns existierte, und ich möchte euch das Bild einer unserer Kämpferinnen wiedergeben, die dort stand, ein Meter vierzig groß, mit erhobenen Zeigefinger, auf den Richter starrend: ‚Hier stehe ich vor dir, älter als du, und du willst mir sagen, dass ich nicht existiere?‘ Mit dieser Einstellung zogen wir auch vor die Vereinten Nationen: ‚Wir nehmen niemandem etwas weg, wir wollen nur behalten, was wir schützen. Aber der Rest der Welt will, was wir haben, und sie sind bereit, es zu nehmen.‘ Und ihre Maschinen, dieselben Maschinen der TC Energy, die ich aus unseren Wäldern kenne, die kommen nun zu euch. Und solange sie euch bedrohen, solange werde ich geehrt an eurer Seite stehen. Wenn ich mich umschaue, so sehe ich Leute wie die meinen, und was euch die Unternehmen versprechen, dass wird niemals von Dauer sein. Unsere Allianz hingegen schon. Bitte nehmt mein Wort an. Wir handeln in unserem Recht, in dem, was unser Herz uns sagt, wenn wir kämpfen“. Es ist ein Satz, den die Zapatistas, in ihren vielen anderen Sprachen, tausende Kilometer südlich vom nördlichen Rande des Kontinents, im widerständigen Chiapas, genauso teilen.
Erhobene Fäuste nehmen sein Wort in Empfang, und begrüßen den nächsten Redner, einen derjenigen, der seine Gemeinschaft heute und morgen durch ebendiese Maschinen der TC Energy bedroht sieht:
H. ist Delegierter der Fischerei-Kooperativen im Golf von Mexiko, die ihre Lebensweise- und Grundlage gegen die Pipelineprojekte verteidigen: „Von einen Tag auf den anderen kündigen sie ihr Gasoducto an, hier an diesem Küstenabschnitt, wo sich die Arten in den Riffen reproduzieren. Wir fischen hier behutsam, artesano, mit sehr alten Fangtechniken, welche die Bestände schützen, die der Camarones in den größten Lagunen des Landes, des Thunfisches… Wir sind noble Fischer, wir sprachen mit der Regierung, doch ihre Vorschläge können wir nicht annehmen. Wir vertreten 30.000 Fischer:innen und ihre Familien, wir sind als Föderation Teil einer riesigen Konföderation. Doch nun sind wir hier bei euch, da uns etwas fehlt: Wir wissen was uns bedroht - noch nie mussten wir uns gegen ein Unternehmen mit Weltmacht wehren. Früher hätten uns die Umweltverträglichkeitsstudien geholfen, die Konsultationen der Gemeinden, doch sie haben all dies ignoriert. Das Gasoducto bedroht nicht nur unsere Lagunen, sie grenzen auch unsere Fischereigebiete ein. Früher fischten wir fünfunddreißig Meilen vor der Küste, heute müssen wir sechzig, fünfundsiebzig Meilen vor der Küste fischen. Das ist teuer, es ist gefährlich. Und wir wissen, dass es nicht das letzte große Energieprojekt sein wird, welches sie uns aufzwingen. Leider haben die meisten Fischer höchstens die Grundschule absolviert, viele stellen sich den Projekten nicht entgegen, und das wird die Unternehmen ermutigen. Deshalb sind wir hier, und wir sagen euch, dass wir ab diesem Moment an ein Teil eurer Familie sind. Ob Pazifik oder Golf: Wir kommen nicht von denselben Küsten, doch wir haben dasselbe Blut der Fischer, und wir sind ein Teil von euch.“
Nach lautem Beifall spricht ein weiterer Teil der Familie zu den Versammelten, und erneut zeigt sich der kontinentale Charakter dieses historischen Zusammentreffens. Es spricht eine Delegierte der first nation* dessen, was heute USA genannt wird. Eine Delegierte der Sioux-Tribes der Lakota und Dakota nations in North Dakota, Vertreterin des indigenen Widerstands des Standing Rocks gegen die „Dakota Access Pipeline“ verkündet ein „starkes Nein“ gegen die Megaprojekte und ein „starkes Ja“ der Allianz. Und auch sie beginnt in ihrer Sprache, die hier alle spüren, ohne die Worte übersetzen zu können: „Geschwister sehe ich in euch, und einen gemeinsamen Kampf.“ „Ich bin Mutter, Großmutter und Urgroßmutter. Und ich rufe nun, bevor ich, zu einem anderen Zeitpunkt, spreche, meine Ahnen an.“ Und es wird still, als sie singt, selbst die Regentropfen scheinen langsamer zu fallen und geräuschlos zu landen: „Sie sind bei uns, und sie nennen uns Schilde, Waffen des Friedens. Erheben wir uns alle gleichzeitig, können sie uns nichts anhaben.“
Die Gesandte des Standing Rock (North Dakota, USA)
Es sind die letzten Worte des zweiten Panels am ersten Tag dieses Zusammentreffens.
Nach Fragen und Diskussionen wird das Wort an die compañeras der indigenen Otomí übergeben, die ebenfalls in ihrer Sprache beginnen, und auf spanisch fortführen: „An diesem Samstag, dem 12. Oktober, 532 Jahre danach, jährt sich unsere Besetzung des INPI zum vierten Mal. Und in diesen vier Jahren ist die Welt noch verrückter geworden. Sie sprechen von Klimawandel, was soll das sein, was ist das für ein Wort? Ich sehe Stürme und zerstörte Territorien. Unsere Ahnen wussten, wann es regnet, sie konnten es uns genau sagen, heute geht das nicht mehr, wir verstehen nicht, und verstehen doch so viel mehr als sie mit ihren Doktortiteln und Abschlüssen. Trotz all dieser Titel töten sie die Erde, was ist mit euch?“ „Wir kämpfen für das Leben, und seit man uns vom Land vertrieben hat kämpfen wir in der Stadt, und wir laden euch ein zu den Feierlichkeiten des vierten Jahrestags unserer Besetzung (https://www.congresonacionalindigena.org/2024/10/09/4-aniversario-de-la-toma-del-inpi-festival-de-la-resistencia-y-la-digna-rebeldia/), an dem Tag, an dem wir achtundzwanzig Jahre des Nationalen Indigenen Kongresses von Mexiko feiern, und 532 Jahre des Widerstands. Es lebe dieser Kampf, doch uns fehlt so viel. Der Sturm kommt nicht, er ist da, und er hat schon viele Opfer gefordert, Samir, Bety, und die Studierenden, die keine Doktortitel wollen, um zu töten, sondern um zu leben, wir denken an die Studierenden von achtundsechzig, und wir denken an die dreiundvierzig. Wir umarmen all diese Kämpfe, und wir rufen: ‚Vom Norden bis zum Süden, vom Westen bis zum Osten, wir werden diesen Kampf gewinnen, koste es, was es wolle.‘“
Die Otomí
„Wir sind Leben und Kampf, nicht nur auf dem Land, auch in der Stadt!“ – und so endet das Plenum mit der Erinnerung an und Solidaritätsbekundungen für den würdigen Widerstand der ursprünglichen Bevölkerung von San Gregorio Atlapulco in Xochimilco, Mexiko-Stadt, wo eine Demonstration in Solidarität mit der Lehrerin und Landrechtsverteidigerin Hortensia und der besetzten Bibliothek des Pueblos Tlamachtiloyan – Casa de Saberes am 5. September diesen Jahres von bewaffneten Schlägertrupps brutal attackiert wurde. Einige der Vertreter:innen der freien Medien, die vor einem Monat brutal zusammengeschlagen worden sind, stehen heute hier und verbreiten, was auf diesem kontinentalen Treffen besprochen und beschlossen wird.
Der erste Tag
Und Schläge heilt man durch Tanz, und den Worten Emma Goldmans folgend fordern gleich zwei Gruppen die Anwesenden zum Baile auf: Das Kollektiv der jungen Fandango-Spieler aus dem widerständigen Süden von Oaxaca (https://avispa.org/altepee-colectivo-que-construye-armas-para-resistir-al-corredor-interoceanico/) wird nach ihren Liedern der Vögel und Ameisen abgelöst von der Marimba, die so lange spielt, bis die letzten Tamales de Elote verteilt sind und auch der sie begleitende süße Kaffee niemandem mehr wachhält, und das Schnarchkonzert der Widerständigen wird übertönt von dem erwachenden Leben des Waldes der schönen Erde bei Nacht. Nach einem Tag, an dem mit erhobenen Haupt nach unten geschaut wurde, um sich zu finden, blickt man erst beim späten Zähneputzen nach oben. Die Wolken sind verschwunden, und Millionen Sterne blicken auf das Zentrum Yajxonax hinab.
Der zweite Tag: Heiliges Feuer
Heiliges Feuer beim kontinentalen Austausch
Das geopferte Süßbrot ist schwarz. Die Ameisen haben es erobert. Aus den Lautsprechern unter der blauen Plane des Platzes der Asamblea (Vollversammlung) schallt die „Super Grupo Juaréz“ und weckt jene, die getanzt hatten, bis die Marimba verstummte. Gleichzeitig begrüßt die Musik aus der oaxacenischen Zone des Isthmus diejenigen, die aus nah und fern erst zum zweiten Tag des Encuentros anreisen konnten: Verteter:innen der Ejidos aus Campeche überqueren die Hängebrücke, außerdem wird die erste und einzige Präsidentin einer der vielen Fischerei-Föderationen gebührend in Empfang genommen.
Fünf Berichte über juristische Kämpfe der Pueblos gegen Megaprojekte leiten, moderiert vom Genossen Juan Carlos F. von der „Front des Pueblos zur Verteidigung des Landes und des Wassers in Morelos, Puebla und Tlaxcala“, den zweiten Plenums-Tag ein. Zwei von ihnen erzählen von heiligem Feuer, alle erzählen von unheiligen Prozessen.
Es beginnt Victoria Beltrán von Greenpeace Mexico, die den absurden Kampf gegen die Pipeline „Puerta al Sureste“ vorstellt: Seit Monaten versucht die Organisation, gegen das Projekt zu klagen, doch die Gerichte schieben die Verantwortung vom lokalen Richter in Veracruz zu den Tribunalen in Mexiko-Stadt und wieder zurück: „Erst sagen sie uns in Veracruz, dass sie nicht zuständig sind, da die Pipeline ja mehrere Bundesstaaten durchquert. Einverstanden. Dann sagen sie uns in Mexiko-Stadt, dass wir dort klagen müssen, wo das Projekt umgesetzt wird. Zurück in Veracruz sagen sie uns, dass wir doch generell gar nicht klagen können, da wir als Nicht-Betroffene und als Umweltschutzorganisation doch gar kein ‚legitimes Interesse‘ vertreten würden. Wir sagten ihnen, dass Umweltschutz ein legitimes Interesse ist, und dass wir gemeinsam mit den betroffenen Pueblos arbeiten. Doch erst nach vier Monaten akzeptiert ein Richter in Veracruz unsere Klage, vorausgesetzt, wir würden innerhalb von vierzehn (!) Tagen Studien zu den möglichen Schäden vorlegen. Wir haben dies getan. Doch anstatt den Prozess aufzunehmen, forderten sie uns nun auf, dass die Person, die unsere Dokumente unterzeichnete, innerhalb einer sehr kurzen Zeit physisch vor dem Richter erscheinen und bestätigen müsste, dass sie unterschrieben hat. Wir taten auch dies. Und hier endet die Geschichte dieser Jura-Science-Fiction: Nach inzwischen 10 Monaten hat man uns immer noch nicht bestätigt, ob der Prozess begonnen hat. Die gute Nachricht? Wir sind hier, mit euch, und der Kampf wird, wie ihr wisst, nicht nur juristisch geführt. Das letzte Wort werden die Pueblos sprechen.“
Dem kontinentalen Anspruch folgend knüpft Maria Elena Foronda vom Umweltschutz-Institut Natura aus Peru an Victoria an:
Maria, Peru
„Ich kann euch nur Ähnliches berichten“, beginnt sie. „Nach den 90er Jahren haben wir eigentlich das Recht auf den Schutz der Ressourcen, auf Biodiversität, auf nachhaltige Entwicklung, das ist sogar in unserer Verfassung verankert.“ „Doch die Realität in meinem Land, in Peru, mit einer der größten Ungleichheiten weltweit, ist, dass wir ein Paradies für die transnationalen Bergbauunternehmen sind, die für Zink, Blei, Silber, Gold oder Kupfer zu uns kommen, und sie kommen, sicher kennt ihr viele, aus den USA, wie Newmont; aus Südafrika, wie Gold Fields; aus Australien; aus Mexiko, wie die Southern Copper; aus China; aus Kanada, wie die Betreiber der Antamina.“ „Sie alle betreiben offenen Tagebau, der unser Wasser raubt, und ich möchte stellvertretend über die Mine im Conga sprechen, achthundert Kilometer von Lima entfernt, dem Hauptzentrum der Minen, wo man bereits in den Jahren 1981/82 begann, die Konzessionen zur Extraktion der vielen Mineralien zu vergeben, über die Institution ‚Pro-Inversion‘, welche direkt zwischen Staat und Unternehmen vermittelt, während das, was dort beschlossen wird, automatisch zum ‚Staatsgeheimnis‘ wird, auf das wir kein Zugriffsrecht haben. Und beim Einfordern des Rechts auf die Umweltstudien werden sie zugelassen, aber die hydro-ökologischen Auswirkungen nicht untersucht, die Auswirkungen auf das Wasser, auf das, was von den Minen am meisten bedroht wird!“
Während Maria spricht erreichen immer mehr Menschen das Plenums-Zelt über die Hängebrücke, wie angezogen von der Peruanerin, die immer lauter wird:
„Und dann passiert genau das, was Victoria soeben berichtete: Man sagt uns, wir seien doch gar keine ‚betroffenen Subjekte‘ dieser Minen, wir hätten doch gar keinen legitimen Anspruch auf Klagen. Doch ich spreche nicht nur für die Bäuer:innen der Region, ich lebe auch hier, sagte ich ihnen, ich lebe doch unten im Tal, und wenn ihr oben auf dem Gipfel das Wasser klaut, dann habe ich doch auch keines mehr hier unten, könnt ihr nicht denken? Da sagen sie nur, diese Korrupten, dass wir das erstmal beweisen müssten. Doch Victoria hat Recht, das letzte Wort sprechen die Pueblos! Und sie organisierten sich gegen diese Mafiosi, auch wenn der Preis dafür Tote waren, und mindestens dreihundert Bauern, die noch heute kriminalisiert werden. Die Bewegung ‚Agua si, Mina no‘ (Wasser ja, Bergbau nein) mobilisierte 2011 zum Marsch des Wassers.“
Ein Windstoß rast nun über diese Straße des Windes der schönen Erde, die nach den Hochkulturen der Olmeca und der Pochtecas von Tenochtitlan vom Eroberer Pedro de Alvarado und folgend den Sklaven überquert wurde, denen die europäischen Siedler auf der Suche nach Gold folgten, bevor vor einhundert Jahren die als Rebellen bestraften Yaqui auf seinen Pfad gezwungen worden waren – gefolgt von Vielen, bis im vergangenen Jahr auch die Karawane „Der Süden widersteht“ hier ihre Zelte aufschlug.
Der Weg des Windes
Maria spricht nicht gegen, sondern mit dem Wind: „Vierhunderttausend folgten dem Marsch des Wassers, sie riefen ‚Conga existiert nicht nur einmal, wir alle sind Conga‘. Und obwohl die Regierung damals den Notstand ausrief, um mit aller Gewalt vorzugehen, konnten sie den fünfjährigen Widerstand nicht brechen, bis das Unternehmen am Ende entschied: ‚Wir ziehen uns zurück, denn wir sehen zu viel soziales Konfliktpotential.‘ Das Pueblo hatte gesprochen, Genoss:innen, und das Projekt wurde gestoppt.“ Tosender Applaus im Wind. „Doch in anderen Teilen des Conga machen sie weiter, und ich möchte Maxima grüßen, eine indigene alte Frau, ein Meter vierzig groß, doch sie steht, und sie kämpft.“ Applaus so laut wie der Wind.
„Auch ich möchte von Hoffnung berichten“, beginnt die dritte Rednerin, Vivian Lagrava der Organisation „Empodérate“ aus Bolivien.
Und die Hoffnung, das wird schnell klar, besteht nicht in der „progressiven“ Regierungszeit des indigenen Präsidenten Evo Morales: „Ihr wisst von unserer Geschichte, von der Erklärung Boliviens zum plurinationalen Staat: Die transnationalen Goldminen operierten weiter, verstärkt jene aus China, doch vor allem setzte die Regierung selbst Großprojekte durch, so etwa die interozeanische (!) Carretera ‚Tipnis‘. Von den Versprechen ließen sich die indigenen Verteidigerinnen dieses Schutzgebietes nicht ablenken. So versprach man ihnen Grundrechte wie Bildung- und Gesundheitszentren praktisch im Gegenzug für das Großprojekt, dies ist keine faire Konsultation! Und ihr Widerstand war harten Repressionen ausgesetzt …“ „In der Theorie haben wir in unserer neuen Verfassung im zwölften Artikel das, was die compas aus Kanada fordern, in der Theorie zählt das richtende Wort der legitimen indigenen Autoritäten so viel wie ein Gerichtsurteil, doch in der Praxis wird dies selten akzeptiert.“ „Und so entscheidet auch bei uns die Tat des Pueblos, nicht das richterliche Urteil, und ich habe euch Hoffnung versprochen: So hat das Pueblo des Zongo die Mine in ihrem Territorium verjagt, denn sie verschmutze den Fluss, und so haben wir in Potosí, dieser gebeutelten Bergbaustadt, ein transnationales Bergbauunternehmen verjagt, welches mit Geld aus den USA seit nunmehr zwanzig Jahren versucht, unsere Felsen auszubeuten, mit direkten Aktionen und auch gerichtlich: Ich allein saß den 12 Anwälten des Konzerns gegenüber, es waren so viele, dass sie in zwei Reihen vor mir saßen, und ich brachte ihnen die verdiente Scham, sprach im Namen des 33. Artikels der Verfassung, die einer jeden Bolivianerin den Schutz der Umwelt nicht nur erlaubt, sondern zur Pflicht macht, und ich spiegelte ihnen ihre Lügen, und im August diesen Jahres haben wir gewonnen und unsere Felsen und Flüsse beschützt.“
Der Wind und der Applaus wollen nicht mehr aufhören an diesem zweiten Tag, nur ein großer schwarzer Schmetterling wird leicht aus dem Konzept gebracht, bis er bei all dem Wirbel seinen Weg aus dem Plenumszelt findet. Dann berichtet Valeria noch von der Problematik des Lithiums-Abbaus, den die Morales-Regierung verstaatlichen, aber nicht stoppen wollte – und: von einer geplanten Pipeline.
Es ist das Stichwort zur Übergabe des Mikrofons des Windes an die zwei folgenden Beiträge aus dem Norden des Kontinents, und damit zu Geschichten im Regen über die heiligen Feuer:
Erneut sprechen die chiefs* der Wet’suwet‘en von ihrem Widerstand gegen die Pipelines, nun von den juristischen Schwierigkeiten, die vor allem aus ihrer eigenen Überzeugung hervorgehen: „Es schmerzt, vor ein junges Gericht einer Demokratie zu ziehen die wir nicht anerkennen, wenn unsere Gesetze tausende von Jahren alt sind. Doch wir mussten auch vor ihre Gerichte ziehen, nicht nur für uns. Wir wissen, dass der Wind der unser Territorium durchquert weiterweht, dass das Wasser unserer Flüsse über unser Territorium hinausfließt, und wenn sie bei uns Schaden anrichten, reißt dieser auch andere mit. Und sie versuchen permanent, uns zu täuschen, doch wir schauen nicht auf das, was sie versprechen, sondern wir sehen, was sie tun. So ließen wir uns auch nicht in die Irre führen von dem, was sie ‚Economic Reconciliation‘ nennen, ein Prozess, der nichts anderes bedeutet, als dass sie ‚For Sale‘ auf unsere Stirn drucken möchten, ein Prozess, der nichts anderes als bezahlten Landraub bedeutet. Seht ihr ein ‚For Sale‘ auf meiner Stirn?“ Ein lautes NEIN durchbricht den Wind. „Oder sie wollen uns täuschen, wenn wir wirkliche Entschädigung fordern, für verschmutze Flüsse zum Beispiel, da sagen sie einfach, die waren schon kontaminiert. Doch wir sammeln Beweise, führen Studien durch, als ich damit begann, war mein Haar noch schwarz.“ „Doch Hoffnung schenkt mir die Jugend! Ich fühle mich sicher wenn ich ihre Herzen sehe und fühle, was sie alles wissen“. Und so beginnt, nach einem Essen mit Tortillas so groß wie die Herzen der Wet‘suwet‘en, die Geschichte des ersten heiligen Feuers:
Es spricht der jüngere Delegierte mit dem alten Namen des ‚traditionellen Mannes‘: „Was unser Volk einzigartig macht, ist, dass wir seit ihrer Ankunft nie ein Abkommen mit den weißen Männern beschlossen haben. Es wird sich nie ändern, dass dies unser Land ist. Und so begannen wir selbst, sogenannte IPCAs auszuwählen, ‚Indigenous Protected Conservation Areas‘, also Territorien, die wir als indigene Völker schützen, keine staatlichen ‚Schutzgebiete‘, und es ist uns auch egal, ob dieser Staat sie anerkennt, er hat gar kein Recht dazu.“ „Doch vor vielen Jahren, da waren wir uns den Gefahren der Pipelines noch nicht so bewusst wie heute, in den letzten vierzehn Jahren, die wir uns gegen die TC Energy wehren, haben wir viel gelernt. Als also eines Tages die Regierung kam und mit dem Bau einer weiteren Pipeline beginnen wollte, der unsere chiefs* vor vielen Jahren in einem großen Fehler zugestimmt hatten, da kamen unsere Jugendlichen zusammen, und sie sprachen zu den Alten: ‚Ihr verkauft unsere Zukunft, das dürft ihr nicht, wir haben damals nicht mit entschieden.‘ Und unsere chiefs* haben zugehört, denn wie wir euch bereits gestern erzählten: wir organisieren uns von unten nach oben, nicht von oben nach unten hinab. Und da kamen die drei ältesten chiefs*, geführt von der Jugend, zu dem Entschluss: ‚Wir glauben nicht mehr an unsere Entscheidung von damals, und sie entzündeten ein heiliges Feuer, und sie verbrannten die Dokumente‘.“
Dies war die erste Geschichte vom heiligen Feuer an diesem zweiten Tag des kontinentalen Zusammentreffens.
Der ‚traditionelle Mann‘ der Wet‘suwet‘en
Dann entschuldigte sich der ‚traditionelle Mann‘: „Ich weiß, dass hier viele gute Anwält:innen sind, und wir verbrennen natürlich nicht alle juristischen Beschlüsse im Feuer. Doch wisst ihr, ich habe auch viele gute Freund:innen, die Taxis fahren, und mit ihnen verhält es sich wie mit den Anwält:innen: Du bezahlst sie, damit sie dich zu einem bestimmten Ziel bringen. Du musst aber selbst wissen, wohin du willst, sonst fahren sie dich in die Irre oder ins Nirgendwo.“ „Und so schreiben die Schlechten die Dokumente in einer Sprache, die wir nicht verstehen und die wir nicht übersetzen können, die unsere chiefs* spalten, indem sie ihre Wissenschaft über die unsere stülpen, doch wir wissen, dass unsere Entscheidungen auch anderswo Auswirkungen haben, wir sind uns dieser Verantwortung bewusst und ich hoffe, dies ändert sich nie. Deshalb sind wir hier.“
Es folgt eine Intervention derjenigen, die nicht hier sind, und es sind die Jugendlichen, die auf sie aufmerksam machen: In Wortbeiträgen, dem stummen Aufhängen von Bannern und dem energischen Verteilen von Flugblättern erinnern sie an die Verschwundenen, Ermordeten und Gefangenen: An Samir, an Bety, an Tomás Martínez Mandujano, Antonio Esteban Cruz, Noé Jiménez Pablo, Manuel Gaspar Rodriguez Tatojke, Pedro Alexandro, …
Plakate mit den Gesichtern einiger der verschwundenen, ermordeten und gefangenen Verteidiger:innen.
Bevor das Fortführen ihres Kampfes in verschiedenen Arbeitsgruppen beraten wird, erzählt die Standing Rock Delegierte des Widerstands der first nations* von North Dakota die Geschichte vom zweiten heiligen Feuer: Ihre Ahnen, gestern durch den Gesang angerufen, sind inzwischen angekommen auf der Straße des Windes. Und so beginnt die Urgroßmutter, davon zu erzählen, wie sie auf dem Weg zu den Protesten des Standing Rock an den Flaggen vorbeifuhr, welche die verschiedensten Tribes, Clans und Pueblos aus den heute USA und Kanada genannten Gebieten, aber auch aus vielen anderen Ländern, als Symbol ihrer anwesenden Solidarität entlang der Straße aufgestellt hatten: „Ich kurbelte also das Fenster hinunter und begann zu zählen, über 134 Flaggen (!) waren dort, über 134 pueblos unterstützen uns im Widerstand gegen die Monster-Pipelines. Und als ich das Fenster geöffnet und den Blick auf die Fahnen gerichtet hatte, da öffnete der Wind sie wie von Zauberhand. Und ich wusste, was zu tun war. In derselben Nacht trat ich ans heilige Feuer, mein Herz erfüllt, und ich gab einen Schwur ab: Dass ich, wenn mich eines dieser vertretenen Pueblos rufen würde, ihr Wasser zu schützen, kommen würde. Und hier bin ich.“
Dies war die zweite Geschichte des heiligen Feuers.
Von der Allianz zur Aktion
Vom selben erwärmt folgt dem Plenum das Eröffnen von Arbeitskreisen – dem Austausch von Wissen, Problemen und Kämpfen sollte der praktische Aufbau von Allianzen zur direkten Aktion folgen:
Forum über die Auswirkungen des Klimawandels auf das Leben und die Lebensmittelsicherheit indigener Gemeinden
Diese Arbeit begann mit dem Workshop „über die Auswirkungen des Klimawandels auf das Leben und die Lebensmittelsicherheit indigener Gemeinden“ unter Leitung des CLASCO-Delegierten Victor R. Sierra. Erneut wird klar, dass der Sturm nicht kommt, sondern längst da ist.
Und so versammelte sich die Gruppe der Frauen, um mit der Moderation der UICIZONI-Delegierten Juanita zu „Frauen und Megaprojekte“ konkrete Vorschläge in die morgige Abschlussdebatte zu tragen; und so versammelte sich unter Anleitung des Genossen Omar von der Organisation MAIZ eine Gruppe zum Thema „Kommunitäre Kommunikation, Schritte auf dem Weg einer kontinentalen Artikulation“; und so versammelte sich eine große Gruppe zwischen den Fußball-Spielern des Istmo-Teams von Emiliano Zapata zum „Austausch über Erfahrungen der direkten Aktion der Gemeinden“ unter Moderation von Carlos Beas (UCIZONI), während die letzte Gruppe, vor allem die anwesenden Anwält:innen, eine Versammlung über die „erfolgreichen juristischen Kämpfe gegen Megaprojekte“ abhielt.
Emiliano Zapata im Team ISTMO und weitere Graffiti der schönen Erde
Es folgte eine stundenlange, historische Arbeit, die eine dreißig Jahre alte Anti-Pipeline-Artikulation von Kanada bis Patagonien aufgriff, mit dem konkreten Ziel, Allianzen zu bilden und Aktionen zu planen, die hier natürlich (noch) nicht geteilt werden. Geteilt wird der geforderte Narrativwechsel: „Es kann nicht sein“, so Beas, „dass endlich all diese jungen Menschen zu uns kommen, um dann deprimiert wieder abzureisen angesichts der Zerstörung. Wir sind keine Opfer, wir sind Kämpfer, wir werden geschlagen, aber wir stehen auf – und zwar als Kontinent!“ – hier ergreift die Urgroßmutter vom Standing Rock erneut das Wort, mit einer Stimme, die erneut zuerst die Herzen der versammelten pueblos berührt, bevor die versuchte Übersetzung auch ihre Sätze mitteilt:
„Ich kann den ganzen Kontinent fühlen, aber ich kann ihn nicht sehen. Und wenn ich zurückkehre zu meinem Pueblo, dann kann ich ihnen sagen, wie die Geräusche klingen und wie die Luft schmeckt, aber sehen können sie es nicht, mein Kopf wird so voll gerade, doch mein Herz will erinnern, nicht nur jenen die gestern starben und gefallen sind, sondern auch jenen, die morgen fallen werden, in der Verteidigung des Landes und des Wassers. Ihr alle habt einen Grund, heute hier zu sein, und ich ehre diesen Grund. Verzeiht meine wirren Worte, aber mein Herz wollte sprechen, denn ich höre hier viel von Aktion, für Aktion braucht es Hände, meine Geschwister, aber bevor wir unsere Hände nutzen, müssen Kopf und Herz eins ein, müssen sie zurückkehren zum Territorium.“ Der Wind beginnt erneut, weht in die Betonhalle, und bejubelt ihr Wort. Nun steht, diesem Wind folgend, auch eine sehr junge Delegierte der first nations* des Landes auf, das sie heute New Mexico nennen: „Bei uns haben sie die erste Atombombe getestet, hier verließ der Mensch sein Sein, es sind die Waffen, die von dort kommen, wo ich kämpfe, die eure Geschwister töten, auch das ist eine unserer kontinentalen Verbindungen, wenngleich eine traurige. Ich bitte euch, ein antimilitaristisches Wort in euren antikolonialen Narrativen Platz einzuräumen“. Es sind diese Worte, die einen besonderen Film einleiten, der nach der Gruppenarbeit auf die inzwischen über 300 wartet, die über die Hängebrücke gelaufen waren.
Nur ein kleiner Teil der Videodokumentation „YINTAH“ („wir haben 1200 Stunden Filmmaterial“) reicht aus, um den Widerstand der „kanadischen“ Wet‘suwet‘en gegen die TC Pipelines in die Nacht auf den 12. Oktober zu tragen (https://www.yintahfilm.com/): Fast ausschließlich Frauen sind zu sehen, die sich im Schnee des hohen Nordens den Maschinengewehren und Helikoptern entgegenstellen, Clans, die schmale Brücken über großen Flüssen verbarrikadieren. Da kommen die Vertreter der Pipelines, und die chief* spricht in ihrer Sprache. Da muss der Vertreter sagen: „Entschuldigung, ich verstehe sie nicht, ich bin hier, um die Arbeiten auf diesem Territorium zu beginnen, wie es der Supreme Court erlaubte“ – „dieser Supreme Court hat hier keine Befugnis“. „Ich bitte sie, ich bringe ihnen hier auch Wasser und Schokolade“ – ein Kameraschwenk auf ein paar Flaschen. „Ich brauche ihr Plastik nicht, wir haben Wasser“ Cut. Polizei und Militär prügeln der Pacific Trail Pipeline den Weg frei, „they are trying to erase us from our land“. Doch YINTAH erzählt auch von Hoffnung: Von den Tausenden, die sich in Kanada mit den Wet‘suwet‘en solidarisierten, mit dem Aufbau des „Healing Center“ für die Traumatisierten, mit dem Widerbesetzen- und Besiedeln von Land, und von einer Zukunft „ohne Pipelines, autonom, in der wir nichts fürchten“. Es ist ein Film, um ihn in Gemeinden zu zeigen – und im Zelt auf der schönen Erde starren Verteter:innen von zweiundzwanzig pueblos gebannt auf die Leinwand, über der langsam der Mond aufgeht.
Am Ende des langen Applauses und der Rufe, dass man das Land nicht verkauft, sondern liebt und verteidigt, wird die Aufmerksamkeit noch auf den „ersten Gefangenen des Bewusstseins in Kanada“ gelenkt: Chief Dsta’hyl hatte nichts getan, als die Befugnisse der kanadischen Gerichte über das Land der Wet’suwet’en anzuzweifeln – und sitzt dafür im kanadischen Gefängnis. Seine Freilassung kann über Amnesty International gefordert werden: https://www.amnesty.org/en/latest/news/2024/07/canada-wetsuweten-chief-dstahyl-declared-first-amnesty-international-prisoner-conscience/
Bis zu ihm soll das Konzert der drei jungen Altepes klingen, die heute erneut zum Tanz bitten und von jenen singen, die keine Seefahrer:innen mehr sind. Ein Gedanke, der zu den Pipelines passt, die angesichts dieser Musik nicht einmal mehr gefährlich, sondern lächerlich erscheinen müssen.
Der dritte Tag: 532 Jahre danach …
Der Geruch des heiligen Copals weckt viele an diesem Chi 11.13.12:4-14, dem 13 B’alam, oder 4º Rajaw Aq’a’, dem 17 Nabey Mam/Sotz’ – oder ebendiesem Datum, dass heute oft als 12. Oktober 2024 bekannt ist. 532 Jahre nach dem Beginn des Überfalls der Eroberer auf Abya Yala versammeln sich die chiefs* aus dem, was heute „Kanada und USA“ genannt wird, mit den pueblos Mexikos, Mésoamericas und dem Süden des amerikanischen Kontinents, um weiteres Wissen über das Funktionieren der Pipeline-Unternehmen zu teilen, die nun gen Isthmus ausgreifen – so etwa der Investment-Gruppe KKR: „Sie sind spezialisiert auf das Aufkaufen von ‚gescheiterten Megaprojekten, vor allem in indigenen Territorien.“ „Sie sind richtige Spekulanten: So wie Unternehmen aus den USA Mais dank Subventionen in Preis unter Wert nach Mexiko verkaufen, so kaufen sie Pipelines unter ihrem Wert, aber so viele, dass sie ein Monopol besitzen, und schon können sie den Preis des Gases bestimmen.“ „Unterstützt werden sie von großen Banken, wie der ‚Bank of international settlements‘“. Der junge Mann lässt seinen Blick über die Banner der Verschwundenen schweifen: „Und ich sehe euch in uns: Auch wir beklagen über 3500 Vermisste, vor allem Frauen, aber auch junge Männer. Neunzig Prozent unserer Leute haben keinen Arbeitsplatz, sie kämpfen ums Überleben. Und so sind sie anfällig für die Versprechen der Unternehmen, doch diese fliegen am Ende ihre eigenen Arbeitskräfte ein. Wir sind manchmal gebrochen ja, mit einem Dutzend weiterer Unternehmen am Horizont, mit ihrer ‚Wissenschaft‘ über ein Territorium, dass wir seit über tausend Jahren kennen, aber das verstehen sie nicht“ …
„Ich weiß, dass al dies bedrückend ist“, ergänzt der alte chief*, der dem ‚traditionellen Mann‘ lange das Reden überlassen hatte. „Aber ich sage euch, was mir ein chief* einer anderen first nation* einst sagte: ‚Kämpft weich wie ein Stein‘.“ Und mit diesen Worten, über die Viele noch nachdenken während Viele sie bereits verstanden haben, beginnt das Abschlussplenum dieses kontinentalen Zusammentreffens, 532 Jahre danach, und es beginnt nur pünktlich, da ein plötzlicher Starkregen die Runde, die sich noch vor dem Frühstück zusammengefunden hatte, in das Versammlungszelt zwingt.
Die Asamblea beginnt mit erhobenen Fäusten und einer stehenden Schweigeminute für die Gefallenen der 532 Jahre, dann trägt der Wind weit entfernte, nahe Stimmen in das Zelt: Aus der Versammlung des ‚Dreiecks‘ erreicht eine Gruß- und Solidaritätsbotschaft der indigenen Widerstände Guatemalas, El Salvadors und Honduras das Encuentro, mit der Botschaft, dass man auch in Mesoamerica um die Gefahr der Pipelines weiß, genau wie um die Ausweitung des „Maya“-Zuges und des interozeanischen Korridors, und man sendet eine antikapitalistische Umarmung an die Geschwister der schönen Erde. „Grenzen, Visa und Geld haben uns heute räumlich voneinander getrennt, doch an zwei Orten schlägt unser Herz als ein selbes des Widerstands“.
Das Abspielen der Grußbotschaften
Eine zweite Grußbotschaft stammt vom antikapitalistischen Netzwerk aus El Salvador, eine weitere vom Netzwerk der indigenen Feminist*innen des „Movimiento Mesoamerica de los Pueblos“. Es folgt die erste Abstimmung dieser Abschlusssitzung, und mit erhobenen Fäusten wir der Anschluss des kontinentalen Treffens an diese Bewegung beschlossen, bevor eine weitere Solidaritätsbekundung aus Finnland abgespielt wird.
Die Abstimmungen per erhobener Faust
Dann wird eine Grußbotschaft der Freiheitsbewegung der Frauen Kurdistans vorgetragen, die hier in vollständiger Übersetzung wiedergegeben wird:
„Als Frauenbefreiungsbewegung Kurdistans feiert und begrüßt euer Treffen. Gegen die Angriffe des kapitalistischen Systems ist die wichtigste Form der Selbstverteidigung die Organisierung und deshalb feiern und beglückwünschen wir insbesondere auch die 28 Jahre des Widerstandes des Nationalen Indigenen Kongresses. An diesem 12. Oktober, dem Tag des Widerstands und der Würde der indigenen Völker, ist der Zusammenschluss der Völker eine der wichtigsten Aktionen und deshalb ist es von großer Bedeutung, sich an diesen Tagen zu treffen. Wir sind traurig, dass wir nicht an dem Treffen teilnehmen konnten, aber wir sind in Gedanken und in der Seele bei euch und wir sind sicher, dass der Weg des gemeinsamen Widerstands, der vor uns liegt, lang und siegreich ist, unsere Vereinigung übersteigt jede Grenze und jeden physischen Raum.
Megaprojekte sind eine Form der Neokolonisierung und Okkupation. Die dahinterstehende Mentalität zielt darauf ab, die Natur in Stücke zu reißen, um sie zu beherrschen. Sie zielt darauf ab, Menschen von ihrem Territorium zu trennen, um beide zu versklaven. Deshalb muss das Ziel eines jeden Kampfes sein, die Einheit mit der Natur wieder zu erlangen und ihre Stimme zu werden, wieder ihre Töchter und ihre Verteidiger zu sein, und das wird auch unser bester Schutz sein. Je mehr sich der Mensch von der Natur entfernt, desto mehr entfernt er sich von seiner Wahrheit, desto mehr wird er sich selbst fremd, desto mehr wird er schwach gegenüber den kapitalistischen Angriffen. Das stärkste und älteste Bindeglied zwischen den Menschen und dem Rest der Natur sind die Frauen, und ohne die Freiheit der Frauen wird das Ende der Herrschaft und ein Leben im Gleichgewicht mit der Natur nicht möglich sein. Die Rückkehr zu den Wurzeln, die Rückkehr in die Arme der Mutter und damit zu unserer wahren Essenz, die im Kurdischen „xwebun“ heißt, ist unabdingbar. Auf Kurdisch ist die Natur „xweza“, was „diejenige, die sich selbst aufhält“ bedeutet, wir als Teil der Natur müssen unsere Selbstbestimmung zurückgewinnen und wieder als freie Individuen gebären.
Die Zerstörung von Territorien findet weltweit statt und muss als das benannt werden, was sie ist: ein Ökozid, eine moderne Form des Krieges, der ein Massaker an Menschen und Land anrichtet, ein Krieg gegen das Leben. Es ist der Ausdruck eines Kapitalismus ohne Masken, und wir müssen entsprechend handeln. Und es ist kein Zufall, dass gerade die heiligen und historischen Orte, an denen die Erinnerung der Völker bewahrt wird, angegriffen werden, um die Nabelschnur zwischen den Völkern und ihrer Geschichte, den Völkern und ihrer Natur zu durchtrennen.
Auf diesen systematischen und schmutzigen Krieg, der von Abya Yala bis Palästina, Kongo, Afghanistan oder Kurdistan und an vielen anderen Orten mit der gleichen Politik und der gleichen enteignenden Mentalität geführt wird, müssen wir ebenfalls eine systematische und gemeinsame Antwort geben. Das Feuer des Widerstands der Völker brennt in jedem Winkel des Planeten, aber um einem systematischen Angriff zu begegnen, der nicht nur physisch, sondern auch mental ist, müssen wir unsere Kämpfe und Autonomien in einem gemeinsamen System und einem gemeinsamen Gedanken, einer gemeinsamen Kraft vereinen. Dieses System der Völker soll unsere Rache sein.
Wir schlagen das System des demokratischen Konföderalismus als einen gemeinsamen Weg zurück zu den Wurzeln vor. Es ist keine neue Erfindung, sondern die älteste Art des Denkens und der Organisation der Völker, deren Logik wir auch im Rest der Natur beobachten können, von einer Galaxie bis zu einem Wald, einem Ameisenhaufen oder unserem eigenen Körper. Es ist die Befreiung des demokratischen Willens des Volkes, die Freiheit der Frauen und ein ökologisches Leben im Gleichgewicht mit der Natur, die dem Patriarchat und seiner kapitalistischen Modernität ein Ende setzen wird.
Als Frauenbefreiungsbewegung Kurdistans vertrauen wir auf die Kraft eures Treffens, auf den Weg des Widerstands, der euch dorthin geführt hat, und auf die Kraft seiner Fortsetzung. Und wir wollen euch unsere maximale Bereitschaft und unser Engagement zeigen, Allianzen zu knüpfen und diesen Kampf um die Existenz Hand in Hand fortzusetzen.
Berxwadan Jiyan e! Widerstand ist Leben!
Jin, jiyan, azadi! Frau, Leben, Freiheit!
Frauenbewegung von Kurdistan in Abya Yala.“
Ein Applaus wie ein Donner führt von dieser Erklärung zur Ausarbeitung der eigenen Erklärung des kontinentalen Treffens, die schließlich, um 12:10 an diesem 12.10., verlesen wird:
Kurz nach dem Verlesen der Deklaration von Yajxonax:
Heute, am 12. Oktober 2024, einem symbolischen Datum für die ursprünglichen Völker dieses Gebietes, das abya yala genannt wird, haben wir uns in den Ländern des Widerstandes in der Tehuantepec-Enge zum kontinentalen Treffen versammelt, um eine Allianz gegen Gaspipelines und andere Megaprojekte zur Verteidigung der Territorien der ursprünglichen Völker zu bilden, 374 Delegierte und Vertreter indigener Völker und Organisationen, Umweltschützer:innen, Akademiker:innen und Kommunikator:innen aus 20 Staaten der mexikanischen Republik, 22 indigenen Völkern und 11 Ländern, um den Initiativen zur Artikulation der Völker Amerikas Impulse zu verleihen.
Auf diesem kontinentalen Treffen sprechen wir uns entschieden gegen Krieg und andere formen der Gewalt aus, die als Mechanismen zur Plünderung des Erbes unserer Völker eingesetzt werden, um Megaprojekte durchzusetzen. Diese Gewalt äußert sich auf die gröbste und brutalste Art und Weise in fällen wie dem des palästinensischen Volkes und der Kriminalisierung von territorialen Verteidiger:innen in allen unseren Ländern.
Wir demonstrieren für ein Ende der Verletzung der Rechte der Natur und gegen die rolle der internationalen Banken, die Megaprojekte finanzieren, die Völker und Natur bedrohen.
Heute, da wir 532 Jahre indigenen, schwarzen* und volkstümlichen Widerstand feiern, trotz des grausamen und zerstörerischen Kapitalismus und der zahllosen Versuche, unsere angestammte Kultur auszulöschen, der Militarisierung der Territorien unserer Länder und des falschen Wohlstands, den die Regierungen verkünden, erklären wir vom Isthmus von Tehuantepec, dass wir standhaft bleiben und das Leben mit Würde und Rebellion feiern. Bei diesem Treffen haben wir vereinbart, gemeinsam mit unseren Brüdern und Schwestern aus Nord-, Meso- und Südamerika die Anstrengungen zu fördern, gemeinsam für die Verteidigung unserer Rechte und Territorien einzutreten.
Wir verurteilen die Durchsetzung von Mega-Projekten und insbesondere von Gaspipelines, wie die in Tuxpan, Tula und La Puerta del Sureste, die schwere Umweltschäden verursachen und das Leben und die Kultur unserer Völker bedrohen.
Die Frauen, die an diesem treffen teilnehmen, denken als Hüterinnen des Territoriums, des Landes und des Lebens unserer Völker mit sorge an die Zukunft der neuen Generationen von Kindern und an die Notwendigkeit, den Schmerz sichtbar zu machen, der durch die Auferlegung und Enteignung der natürlichen Ressourcen und des Territoriums unserer Völker entsteht.
Wir betonen, wie wichtig es ist, Beziehungen zu pflegen, die auf Schwesternschaft, Empathie und gegenseitiger Unterstützung untereinander und auf gegenseitigem Respekt gegenüber unseren Genossinnen beruhen. Wir begrüßen den Kampf unserer Compañeras auf dem gesamten Kontinent, die sich für die rechte der Frauen und die Rechte unserer Völker einsetzen.
Für die Bewegungen unserer Völker ist es von grundlegender Bedeutung, die kommunalen und volksnahen Kommunikationsmasnahmen zu stärken. Es ist unsere Herausforderung, die Belagerung der Medien zu durchbrechen, mit der die Großmächte versuchen, unsere Kämpfe unsichtbar zu machen. Wir rufen daher die Kommunikatoren unserer Völker auf, eine große kontinentale Kommunikationsinitiative zu fördern, die zur Stärkung der Einheitsprozesse beitragen wird.
Wir prangern die Förderung neoliberaler Programme durch die Regierungen unseres Kontinents an, die im Interesse großer transnationaler Konzerne handeln und die die Verteidiger der Territorien kriminalisieren. Deshalb fordert dieses treffen die Freilassung von Leonard Peltier, Chief Dhstayl (Adam Gagnon), Kenia Hernández, Tomás Martínez Mandujano, Emiliano Zambrano Aguilar, Arnulfo García Santos, ein indigener Triqui; und anderen.
Wir fordern die lebendige Übergabe von Sergio Rivera, der 43 Normalista-Studenten aus Ayotzinapa, Sandra Estéfana Domínguez, Claudio Uruchurtu, Ernesto Sernas García, Estefanía Domínguez Martínez und vielen anderen. Wir fordern die Bestrafung der Mörder von Samir Flores, Noé Jiménez Pablo, José Santiago Gómez, Luis Armando Fuentes Aquino, Jesús Manuel García Martínez, Félix Vicente Cruz, Juan López, der Compañeros und Compañeras der Volksunion der Straßenverkäufer „28 de octubre“; Gerechtigkeit für Bety Cariño und Jyri Jaakkola, 14 Jahre nach ihrer Ermordung.
Wir fordern ein ende der Verfolgung der Compañeros und Compañeras von Ucizoni, von Puente Madera und anderen gemeinden, die kriminalisiert wurden, weil sie ihr Gebiet gegen das Megaprojekt des interozeanischen Korridors im Isthmus von Tehuantepec verteidigt haben. Wir fordern ein Ende der Kriminalisierung und Schikanierung von territorialen Verteidigern gegen das Megaprojekt des sogenannten Maya-Zuges und der Cholulteca- und vulkanischen Völker in Puebla. Wir prangern auch die Regierungen an, die die Verteidiger:innen des Wassers und der Territorien verfolgen, die sich dem kanadischen unternehmen Carroll Farms entgegenstellen. Wir fordern die Annullierung des hydroelektrischen Megaprojekts las Cruces in Nayarit, Mexiko, weil es die heiligen Stätten der Naáyari, Wirrarika, O'dam und Meshika bedroht und den letzten freien Fluss in Mexiko staut. Stoppen sie die Verfolgung und Kriminalisierung von Máxima Acuña aus Cajamarca, Peru. Wir fordern die nicht-kriminalisierung von armen Menschen aufgrund ihrer hautfarben und ihrer Kleidung sowie die gerechte Behandlung von Migrant:innen. Wir lehnen den Einsatz von organisierten kriminellen Banden ab, die die Bewegungen der Menschen angreifen und attackieren.
Wir haben uns darauf geeinigt, Strategien der legalen Prävention zu fördern, und wir fordern die Völker und Gemeinden auf, ihre eigenen Konsultationsprotokolle und kommunale und regionale Erklärungen über Gebiete zu erstellen, die frei von Bergbauprojekten, Kohlenwasserstoffen, Staudämmen, Wind- und Industrieparks und Giftmülldeponien sind.
Wir grüßen den nationalen Indigenenkongress, dessen Gründung sich heute zum 28. Mal jährt, und wir erkennen seinen Kampf als wichtigsten Bezugspunkt für die Mobilisierung der ursprünglichen Völker Mexikos an.
Wir grüßen unsere Compañeros und Compañeras, die heute in Tepic, Mexico City, El Salvador und Guatemala mobilisieren, und wir erkennen die Solidarität unserer Compañeros und Compañeras in der Schweiz, Deutschland, Frankreich, Kanada und den Vereinigten Staaten an, die sich bereit erklärt haben, unsere Kämpfe zu begleiten.
532 Jahre indigener, schwarzer und volkstümlicher Widerstand!
Es lebe der Widerstand unserer Völker!
Es lebe der organisierte kontinentale Kampf!
Kein einziger isolierter Kampf mehr!
Kontinentales Treffen zum Aufbau einer Allianz gegen Gaspipelines und andere Megaprojekte zur Verteidigung der Territorien der ursprünglichen Völker
Zentrum Yajxonax, Tierra Bonita, Isthmus von Tehuantepec, Oaxaca, Mexiko
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Eine weitere mesoamerikanische Erklärung indigener Pueblos erreicht uns im Anschluss aus Guatemala, auch sie ist hier in weiten Teilen übersetzt worden:
„500 JAHRE Invasion, Enteignung, Souveränitätsentzug, Völkermord, Kämpfe und Widerstand - am Chi 1 Aj, Rukab Rajaw Aq'a', 16 Rukab Pach/Yax, Chi Iximulew- Pam Paxil oder dem 12. Oktober 2024 / 532 Jahre Vertuschung der Gräueltaten in Qate' Ruwach-'ulew-Kab, Ch'och', Tx'otx', Chi Abya Yala.
Wir verkünden unsere Position und unseren Widerstand als Indigene Völker von El Salvador, als Lenka, Ch'orti' und Miskito von Honduras, Yukatekos aus Mexiko, die Kaqchikel, K'iche', Mam, Uspanteko, Q'eqchi', Chuj, Tujal, Tz'utujil, Poqomam, Ch'orti' Nationen des Maya' Volkes, des Xinka Volk von Chi Iximulew-Guatemala, und wir prangern an, dass am 13. Balam, 17. Nabey Mam/Sotz'- oder dem 12. Oktober 1492 drei Karavellen mit verlorenen, behaarten Männern, getrieben von Wind, Wellen, Hunger und Angst, das heilige Land der Qate' Ruwach-'ulew berührten, das sich von Alaska bis Patagonien erstreckt.
Die Eindringlinge zwangen uns mit körperlicher Züchtigung ihre Dezimalmathematik, ihren Kalender, ihre Schrift und ihre Religion auf und verdrängten unser dreijähriges Kalendersystem, unsere logosilbische Schrift und unsere Sprachen der kollektiven und empfindungsfähigen Weltanschauung.
Fünf Jahrhunderte später lernen oder verstehen viele unserer Nachkommen die ursprünglichen Sprachen nicht mehr, und wir haben den Faden der transgenerationalen Weitergabe unterbrochen, wodurch unsere kollektive Sentimentalität und Philosophie, unsere dreizehnjährige Geschichte und die Erinnerung an unsere Ursprünge geschwächt werden.
Vor der europäischen Kolonisierung waren die Bewohner der Pueblos Originarios mehrsprachig. Malintzin zum Beispiel war polyglott und sprach unter anderem Nawat und Maya, was Hernán Cortés zu seinem Vorteil nutzte. Mit der Auferlegung der Sprache der Eindringlinge ging dieser sprachliche Reichtum verloren und wurde auf die kastilische Einsprachigkeit reduziert. Dieser 13 Balam, der 12. Oktober 1492, war der Beginn des Gemetzels, des Leidens und der Zerstörung des Wissens und der Erfahrungen unserer Vorfahren. Unsere Großeltern hatten vor dieser Invasion ein repräsentativeres und gerechteres Regierungssystem, in dem sowohl Frauen als auch Männer wichtige Machtpositionen innehatten und Entscheidungen gemeinsam trafen. Das Regierungssystem basierte auf der Achtung des Ganzen und wurde in der Gegenwart trotz der Schändungen und der Kriminalisierung von männlichen und weiblichen Führungspersönlichkeiten teilweise wieder aufgegriffen. Wir wenden uns gegen die Behauptungen der Invasoren, die die Völker, auf die sie in unseren Gebieten trafen, als Barbaren, Wilde und ungebildete Völker abqualifizierten. Sie setzten mit blutiger Gewalt die monotheistische und individualistische, auf den männlichen Gott ausgerichtete Religion durch, auf Kosten der Verteufelung der pluralistischen oxlajbaqtunarischen Kosmovision.
Heute ist ein Großteil der ursprünglichen Bevölkerung zu Anhängern, Förderern und Verteidigern dieser Religion geworden und weigert sich, die alte Vision unserer Spiritualität anzuerkennen. Wir können und dürfen nicht vergessen, dass diese blutrünstigen Männer mit Grausamkeit handelten und alles zerstörten, was sich ihnen in den Weg stellte, indem sie Untertanen, Territorien und Objekte ihrer invasiven und gewalttätigen Haltung sowie ihrer Sprache und Religion benannten. Der Mann, der das Kommando über die Flotte hatte, und jeder seiner Gefährten verhandelte mit der Königin von Kastilien, Isabella der Katholischen, über die Vorteile seines Reichtums; und dies bedeutete den Beginn der Vernichtung für alle ursprünglichen Völker von Qate' Ruwach-'ulew-Abya Yala.
Heute, am 1. Aj/Ben im Maya-Kalender, geben die unterzeichnenden indigenen Kollektive diese Erklärung ab, um unsere Seite der Geschichte zu erzählen und mehr als fünf Jahrhunderte des Widerstands, der Widerstandsfähigkeit und der Verteidigung von Mutter Erde durch die ursprünglichen Völker zu rechtfertigen. Balam 17 Nabey Mam/Sotz' (12. Oktober 1492) wird in den modernen Staaten weiterhin unter politisch unkorrekten Bezeichnungen wie Kolumbus-Tag, Tag der Rasse oder Tag der Begegnung zweier Welten gefeiert, um zu verschleiern, was man früher als Tag der Entdeckung bezeichnete. Hinter diesen beiden Feiern verbirgt sich jedoch der Mythos der „Entdeckung“, um ihre Fehleinschätzung und den Schiffbruch von drei Karavellen zu vertuschen, die nur dank des Mitgefühls des heiligen Landes Qate' Ruwach-'ulew-Abya Yala überlebten. Für uns markiert dieser Tag, 13 Balam 17 Nabey Mam/Sotz', der 12. Oktober 1492, den Beginn des Völkermords und der Verfolgung des Wissens unserer Vorfahren. Es war der Beginn der Dämonisierung der Pflege, der Zeremonien und der Opfergaben für Mutter Erde, der Mutter, die Mitleid mit den spanischen Seeleuten hatte, den behaarten Männern, die auf dem Meer verschollen waren. Doch was diese Männer, ihre Könige und religiösen Führer sahen, war keine Mutter, sondern ein Territorium, das es auszubeuten und zu unterwerfen galt. Mit ihrer unterdrückerischen Gewalt setzten sie ein individualistisches, kapitalistisches und patriarchalisches System durch und verfolgten ein Jahrtausende altes Modell, das auf der Achtung vor dem Ganzen, dem Universum und dem Leben beruht. In Komplizenschaft mit der katholischen Kirche erfanden sie eine Rechtsdoktrin, die Entdeckungsdoktrin, um uns unserer Selbstbestimmung und unserer angestammten Gebiete zu berauben.
Dieselbe Doktrin ist auch heute noch präsent, wenn Staaten erklären, dass das Land, die Gewässer und die Ressourcen ihnen gehören, und uns das Recht verweigern, als indigene Völker unsere Gebiete zu verwalten und zu pflegen. Aber wir sind immer noch hier! Wir kämpfen immer noch, wir leisten immer noch Widerstand! Wir opfern Mutter Erde immer noch und danken ihr! Das Wissen und die Fürsorge unserer Vorfahren für Mutter Erde hat jahrhundertelanger Dämonisierung und kolonialer Verfolgung standgehalten und wird heute als wesentlich für die Bewältigung der globalen Umweltkrise anerkannt. Das Wissen der Vorfahren hat die Schaffung neuer Instrumente des internationalen Rechts vorangetrieben, wie das ILO-Übereinkommen 169, die UN-Erklärung über die Rechte indigener Völker und die amerikanische Erklärung über die Rechte indigener Völker. Wir erheben unsere Stimme und rechtfertigen uns, indem wir sagen: Diese Rechte wurden uns nicht geschenkt, sie wurden von unseren Großmüttern und Großvätern in ihren historischen Kämpfen eingefordert, den Kämpfen der ursprünglichen Völker, die für uns, die wir heute leben, am 13 Balam 17 Nabey Mam/Sotz'-12. Oktober 1492 begannen.
Wir erinnern uns daran:
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An jenem Tag 13 Balam 17 Nabey Mam, 12. Oktober 1492, vor fünfhundertzweiunddreißig Jahren, kam das Unglück über unser Land, und seitdem sind nach der alten vigesimalen Zeitrechnung 539 Tun-Zyklen und 259 genaue Tage vergangen (1.6.19:12-19), 532:1492-2024-
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Während dieser 532 Jahre haben die Urvölker Schlachten zur Verteidigung unserer Kulturen, unserer Lebensweise, unserer Denk- und Organisationsweise geschlagen.
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Damals wurden Worte zum Schweigen gebracht, Gedanken verunglimpft, eine rassistische Ideologie installiert und die Kolonisatoren betrachteten die Bewohner dieser Länder als minderwertige Wesen.
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Christoph Kolumbus, der von den katholischen Königen Spaniens finanziert wurde, suchte aus Handelsinteressen nach einer neuen Route nach Ostindien. Doch als er auf Qate' Ruwach-'ulew-Abya Yala stieß, fiel er auf die Knie, küsste die Erde und nahm das „entdeckte Land“ im Namen der spanischen Könige in Besitz. Welch ein Wahnsinn!
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Die „Zivilisierten“ kamen, um unsere Völker, Männer, Alte, Frauen und Kinder, auszuplündern und zu massakrieren, und die Überlebenden zu versklaven. Die großen Gesellschaften, die zu dieser Zeit in diesen Ländern existierten, wie die Maya, die Inka und die Azteken, wurden zerstört. Sie haben uns im Namen der „Zivilisation“ und im Namen ihres Gottes alles gestohlen.
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Am Jun Q'anel- 16 Tz'ikin Q'ij (1 Lamat 16 Sak, 22. Februar 1524), 32 Jahre nach 1492, begannen andere Männer mit der gleichen Gier, reich zu werden, die Invasion von Ruk'u'x Qate' Ruwach-'ulew-Abya Yala.
Chi Iximulew-Guatemala stellt folgendes fest:
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Wir haben drei Vernichtungen erlebt, die letzte [der guatemaltekische Bürgerkrieg und Genozid des 20. Jahrhunderts] dauerte 36 Jahre und hinterließ insgesamt 200.000 Opfer, darunter 45.000 Opfer des gewaltsamen Verschwindenlassens, darunter 5.000 Kinder, Verbrechen, die bis 2024 ungesühnt bleiben.
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Die Europäer und ihre Erben wollen ihre Hegemonie über unsere indigenen Völker durch das politische System fortsetzen, das sie vor fünf Jahrhunderten installiert haben, um unseren materiellen und geistigen Reichtum zu unterdrücken.
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Der historische, strukturelle und alltägliche Rassismus ist ein System der Gewalt, das die Würde der Frauen und Männer der Maya, Xinka, Garifuna und der afro-indigenen Völker in ganz Abya Yala herabsetzt. Sie beruht auf Vorurteilen und Stereotypen über die vermeintliche Minderwertigkeit des Menschen und ist das Produkt eines sozialen Konstrukts.
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Dazu zählt das Verweigerung der Staatsbürgerschaft für die indigene Bevölkerung, was sie daran hindert, Zugang zu den Räumen der Macht zu erlangen.
Wir fordern:
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Dass die Bildungseinrichtungen sich mit einer kritischen Geschichte befassen und nicht mit einer, die einer Zivilisation Beifall zollt, die nur Plünderung, Zerstörung und Ausbeutung bedeutet hat.
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Dass der Unterricht die einheimischen Sprachen, ihren aktiven Gebrauch und ihre Verbindung mit dem mathematischen Vigesimalsystem im gesamten sozialen und politischen System der Völker fördert und würdigt.
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Dass die vier Völker, die Chi Iximulew bewohnen, unter gleichen Bedingungen in allen Aspekten leben: politisch, wirtschaftlich, kulturell und spirituell.
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Dass die CODISRA die Disqualifikationen und rassistischen Aggressionen gegen die indigene Bevölkerung in Guatemala verfolgt, der Staat muss anerkennen, dass er plurikulturell, mehrsprachig und multinational ist.
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Dass die Repräsentation und Gleichheit in Machtpositionen in Guatemala garantiert wird. Die Repräsentation und Gleichberechtigung in Entscheidungspositionen in den drei Zweigen der Regierung ist notwendig und dringend, während wir ein anderes Modell der Regierungsführung aufbauen.
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Dass der Rassismus als Praxis der Gewalt gegen die indigene Bevölkerung in Guatemala beseitigt wird.
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Dass die Vertretung der Zivilgesellschaft und des Gerichtshofs transparent, fair, gerecht, ehrenhaft, ehrlich und respektvoll sein muss.
El Savador verkündet:
Es gibt nichts zu feiern, heute lehnen wir den 12. Oktober 1492 ab und verurteilen ihn. Als Náhuat-Volk von Kuscatan bringen wir zum Ausdruck, dass der 12. Oktober ein Datum ist, das an den Beginn des Völkermords an unserem Náhuat-Volk und anderen Völkern wie den Lencas, Kakawiras, Poqomanes, Xinkas, Ch'orti' in dem Gebiet erinnert, das heute als El Salvador bekannt ist. Allen Völkern von Abya Yala widerfuhr das gleiche Schicksal. Die Invasion in unser Land dauerte bis zum heutigen Tag an. Die Eindringlinge ermordeten unsere Anführer, unser Volk, vergewaltigten Frauen, raubten unser Land, zerstörten unsere zeremoniellen Tempel, vernichteten unsere Organisation, machten unsere Städte dem Erdboden gleich, verboten unsere angestammte Medizin, drohten unseren Brüdern, kein Náhuat zu sprechen, und zwangen sie, Spanisch zu lernen. Seit diesem schicksalhaften Datum hat es einen Völkermord und den Raub unseres Landes gegeben. 1833 griff Anastasio Aquino in Santiago Nonualco zu den Waffen und organisierte eine Armee, die mehrere Schlachten gegen die Weißen gewann, aber besiegt und ermordet wurde, nachdem er viele Schlachten gewonnen und eine Regierung gebildet hatte. Nach dem Tod von Tata Aquino wurde dem Volk verboten, unsere Muttersprache zu tragen und zu sprechen, wodurch mehrere tausend Brüder und Schwestern getötet wurden.
Später, in den Jahren 1881-1882, hob die Regierung von El Salvador die Gesetze über die Ejidos und die kommunalen Ländereien der Ureinwohner von El Salvador auf, um sie den Nachkommen der Kreolen zum Kaffeeanbau zu überlassen. Im Jahr 1932 waren die Náhuat des Westens es leid, die Rückgabe der ihnen 1881-1882 entzogenen Ländereien zu fordern, und begannen einen Aufstand, um die von den Kreolen mit juristischen Tricks gestohlenen Ländereien zurückzuerobern, angeführt von dem Tatas Feliciano Ama aus Tecpán Izalco, Francisco Sánchez de Juayúa und anderen Anführern der Eingeborenen. Die Antwort von General Maximiliano Hernández war grausam: Er ordnete den Völkermord an der Volksgruppe der Náhuat an, tötete 32.000 Männer im Alter von 12 Jahren und älter und verbot, Náhuat zu sprechen und sich als Indigene zu kleiden.
Die Folgen des Völkermords sind noch nicht überwunden, und die anderen Völkermörder sind noch nicht zur Rechenschaft gezogen worden, aber der salvadorianische Staat belohnt sie mit wichtigen Positionen in der öffentlichen Verwaltung. Während des Bürgerkriegs von 1980 bis 1992 wurden die Brüder und Schwestern der Gemeinden El Carrizal Nahuizalco und Las Hojas de San Antonio del Monte massakriert, die Mörder wurden nicht bestraft und die Opfer nicht entschädigt.
Gegenwärtig hat der Ausnahmezustand indigene Brüder aus Santa Ana (Sihuatehuacan) von der Vereinigung Pasos del Jaguar, insbesondere Bruder José Iván Arévalo Gómez, Brüder von der Vereinigung Madre Tierra, festgenommen und beschuldigt sie der Bandenmitgliedschaft, ein Verbrechen, das für unsere Brüder nicht existiert, vielmehr werden sie wegen ihrer Náhuat-Abstammung festgenommen. Unsere Brüder werden auch von Landbesitzern durch Räumungsklagen in den Gemeinden von San Enrique und Comarca San Ramón de San Antonio del Monte verfolgt.
Von Seiten der Regierung wird die indigene Bevölkerung für folkloristische Aktivitäten anerkannt, d.h. um sie als Unterhaltungsobjekt für die Kreolen und Mestizen zur Schau zu stellen. In den Schulen gibt es keine Unterrichtsfächer in Náhuat, Lenca, Kakawira und anderen Sprachen. In der Verfassung gibt es keinen Gesetzesartikel, der die Eingeborenen allgemein anerkennt.
Wir fordern, dass der El Salvatorische Staat:
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die ILO-Konvention 169 über indigene und in Stämmen lebende Völker ratifiziert
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Die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker anerkennt.
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Náhuat-Unterricht in den Schulen
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Die Übergabe von Land an indigene Brüder und Schwestern durch den Staat.
Honduras verkündet:
Wir verurteilen die von der Regierung durchgeführten Zwangsräumungen von indigenen Völkern, Afros und Bauern, die für ihr Leben, ihr Land und ihre Territorien kämpfen. Wir fordern eine Untersuchung, Bestrafung und Wiedergutmachung für die jüngsten Morde an: Berta Cáceres, Margarita Murillo, Juan Antonio López, Jessica Gómez vom Volk der Tolupan.
Wir fordern, dass die Regierung ein Programm zur Legalisierung von indigenem und bäuerlichem Land und zur Anerkennung von Ahnentiteln sowie zur Vermessung und Abgrenzung von bereits titulierten Gebieten auflegt.
Wir fordern die Aufhebung von Gesetzen und Verfassungsreformen für extraktivistische Projekte auf nationaler Ebene, z.B. in den Bereichen Wasser, Wald, Mineralien, Luft, Land und Territorien sowie Ahnenwissen. Wir fordern die Anwendung internationaler Verträge und Konventionen zum Schutz indigener Völker.
Wir fordern, dass das Ministerium für öffentliche Bildung die interkulturelle zweisprachige Erziehung als Teil des nationalen Grundlehrplans aufnimmt, der sich auf indigene und afro-honduranische Völker bezieht.
Aus Mexiko verkünden wir:
Die Mayas der Halbinsel Yucatán setzen ihren Widerstand fort und verteidigen ihr Leben und ihr Territorium nach 500 Jahren kolonialer und neokolonialer Enteignung, sowohl von außen als auch von innerhalb unseres eigenen Staates. Früher waren es die Kirche und die spanische Krone. Heute ist der Hauptnutznießer das globale Kapital, das Ungeheuer mit den tausend Köpfen. Heute schließen sich europäische und asiatische Unternehmen mit militärischen Konsortien zusammen, um Megaprojekte der Ausbeutung und Zerstörung zu verwirklichen, wie z. B. den „Maya-Zug“, ein Projekt zur Neuordnung des Territoriums, das einen falschen Namen trägt. Diese Strategie ist nichts anderes als eine Fortsetzung der kolonialen Enteignung, angepasst an das 21. Jahrhundert. Vor fünf Jahrhunderten nannten sie es „Zivilisation“. Heute nennen sie es „Entwicklung“. Aber beide Ideen haben die gleiche rassistische Grundlage: dass indigenes Wissen und unsere Beziehung zu Land und Leben minderwertig sind. Vom Anbau des heiligen Mais, Ix'im, bis hin zum rituellen Respekt vor heiligem Wasser ist alles mit jedem neuen Entwicklungsprojekt in Gefahr. Die militärische Gewalt ist immer noch präsent, genau wie damals. Die Stimmen der Maya-Völker werden auch von der westlichen Wissenschaft, die im Dienste des Großkapitals steht, als minderwertig angesehen. Bei der territorialen Enteignung im Rahmen des Megaprojekts „Tren Maya“ werden die indigenen Gebiete Mexikos immer noch als terra nullius betrachtet, d. h. als Land, das für die Erschließung zur Verfügung steht. Diese Vorstellung geht auf die „Entdeckerlehre“ zurück, die von den Päpsten und der Krone Kastiliens erfunden wurde. Auch der paternalistische und patriarchalische Staat sieht uns weiterhin als unfähig an, unsere angestammten Gebiete zu verwalten, und trifft daher Entscheidungen ohne unsere Zustimmung.
Dies verstößt gegen unsere internationalen Rechte, wie die ILO-Konvention 169 und die UN-Erklärung über die Rechte der indigenen Völker. Mexikanische Gesetze wie das Wassergesetz und das Nationale Sicherheitsdekret vom Juli 2022 hindern die Maya-Gemeinschaften daran, ihr Recht auf Selbstbestimmung wahrzunehmen. Diese Gesetze geben dem Staat die totale Kontrolle über die Entscheidungen in unseren angestammten Territorien. Sie halten nicht nur rassistische und koloniale Ideologien aufrecht, sondern sind auch verfassungswidrig gemäß Artikel 2 der mexikanischen Verfassung, der die Rechte der indigenen Völker anerkennt.
Trotz alledem bekräftigen wir heute den Widerstand und die Widerstandsfähigkeit der Maya-Völker. Wir stehen fest und stolz und sagen laut und deutlich: Hier sind wir! Wir leisten weiterhin Widerstand, verteidigen das Leben und schützen unsere angestammten Gebiete.
#UnserKampfIstFürDasLeben #NeinZumMilitärZug
Alle gemeinsam fordern wir:
Dass die Eroberer Staaten die geschädigten Völker um rechtmäßige Vergebung bitten, durch eine gerechte Wiedergutmachung in allen Aspekten, für die Plünderung, die Gräueltaten, die Gewalt und all die Ungerechtigkeiten, die während 532 Jahren erlitten wurden. Um Vergebung zu bitten, wie es Papst Johannes Paul II. eines Tages tat, ohne den angerichteten Schaden wiedergutzumachen, ist wertlos. Das ist so, als wenn ein Dieb ein Haus durchwühlt, sich dann entschuldigt, um Vergebung bittet und nicht zurückgibt, was er gestohlen hat - hat er dann Vergebung verdient? Der offensichtliche Rassismus besteht fort und beharrt und rechtfertigt die angebliche Unfähigkeit der einheimischen und indigenen Bevölkerung, ihnen nicht zu gestatten, Machtpositionen und Entscheidungen zugunsten der Völker zu übernehmen. Deshalb erheben wir unsere Stimme, wir stehen weiterhin auf, um zu sagen, dass wir, die Ureinwohner, betonen, dass es sich nicht um eine Entdeckung handelt, sondern um eine Vertuschung von Gräueltaten“, die 1492 begannen, denn vor fast 20.000 Jahren kamen unsere Vorfahren, Großmütter und Großväter, in Qate‚ Ruwach-‘ulew-Abya Yala an, um es zu bewohnen.
Wir kämpfen weiter und befinden uns in einem Prozess des Wandels, mit mehr Zusammenhalt und einem größeren sprachlichen, kulturellen und historischen Bewusstsein. Wir prangern weiterhin an und fordern, erheben unsere Stimmen und setzen uns für den Kampf ein! Genug mit so viel Ungerechtigkeit! K'amo chiwe ix qati't ix qamama'!
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Ein zweites kontinentales Treffen soll, beschlossen durch erhobene Fäuste, im November des kommenden Jahres in Brasilien stattfinden, dort, wo die ANTICOP stattfinden wird und dort, wie es die dritte Arbeitsgruppe in der Asamblea erwähnt, auch Akteure des „Tren Maya“ Projektes – wie die Deutsche DB, eine weitere Zerstörung der Nischen der „Verteidigungszonen“ planen.
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Und nun: Der Sturm
Die schöne Erde und das Gift von Matías Romero
Das endgültige Ende des Encuentros auf der „schönen Erde“ bedeutet das Überqueren der altbekannten Hängebrücke. Zurück in Matías Romero setze ich mich in eines der alten Bahnhof-Cafés an der neuen Promenade, um diesen Text zu schreiben. Provozierend sitzt in dem leeren Café nur eine Gruppe besoffener Männer mit „Tren Maya“-Caps, und der Wirt, der wie zur Freundschaft mir dieser Bande gezwungen erscheint und so aussieht, als müsste er weinen, sorgt für Bier-Nachschub und eine Karaoke-Anlage, durch die er sich besser auszudrücken vermag als im Tischgespräch. Und erstaunlich laut und melodisch singt der schüchtern Wirkende von einer Liebe (zu wem oder was?), die ihn unterdrückt. Ein Bewohner des potemkinschen Dorfes: Hier hat die 4T-Regierung mal wieder etwas für das „Eröffnungs-Foto“ errichtet, nicht für die Menschen: Der Bahnhof ist neu, aber leer, abgesperrt mit Flatterband. Nur die Güterzüge sind da. Das alte Hotel Castillejors, dessen Fassade abblättert, zeugt von der Zeit des alten Zuges, und eine Straße hinter dem neuen Vorzeige-Bahnhof ohne Gäste, nur fünf Meter hinter der Pappmaché-Promenade, wirbelt der Sturm der Realität: Da liegt ein hölzerner Rollstuhl im Staub, ich suche seinen Besitzer und finde ihn in einem besoffenen Mann, der im Urin liegt, dessen Geruch durch den beißenden Gestank einer Säuberungs-Chemikalie überlagert wird, die ein Arbeiter mit Gasmaske auf dem Gehweg versprüht, wieso auch immer. Auf der anderen Straßenseite leben Menschen ohne Dach, und alles trotzt dem Wind, der gen La Ventosa weht, wo man sich gegen die Windparks wehrt. Und der Nebel des Säuberungsmittel scheint anzuhalten, neblig ist die nächtliche Busfahrt, nur unterbrochen durch unangenehme, militarisierte Migrationskontrollen und einen rot erleuchtenden, ja brennenden Himmel der Mordor-Raffinerien von Coatzacoalcos.
Und der Wind weht immer weiter, wie ein Sturm, der bereits auf den „Tag danach“ hinarbeitet – den Tag, den auch die Zapatistas ankündigen, und zu dessen Vorbereitung sie aufrufen, 532 Jahre danach:
https://enlacezapatista.ezln.org.mx/2024/10/10/convocatoria-a-los-encuentros-internacionales-de-rebeldias-y-resistencias-2024-2025-tema-la-tormenta-y-el-dia-despues/
https://enlacezapatista.ezln.org.mx/2024/10/11/sobre-el-tema-la-tormenta-y-el-dia-despues-postfacio-primera-parte-la-hipotesis-o-era-la-hipotenusa/
https://enlacezapatista.ezln.org.mx/2024/10/12/sobre-el-tema-la-tormenta-y-el-dia-despues-postfacio-segunda-parte-cambio-con-continuidad-de-nuevo-lo-mismo/
Titelfoto: „Sie werden uns nicht zum Schweigen bringen“. Vertreter:innen von über 22 indigenen Pueblos kurz vor der Abschlusserklärung des kontinentalen Treffens.