„Die YPG sind die Verteidigungskraft des Volkes“
Die Angriffe auf Rojava halten an. Kobanê ist akut durch die türkische Armee und SNA („Syrische Nationalarmee“) bedroht. Der türkische Außenminister Hakan Fidan forderte die YPG (Volksverteidigungskräfte) auf, die Waffen niederzulegen und sich aufzulösen. Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA) kommentierte der YPG-Sprecher Siyamend Elî die aktuellen Entwicklungen.
„Ein Volk ohne Schutz baute die YPG und YPJ auf“
Elî erinnerte daran, dass das Volk vor der Revolution in Rojava schutzlos Angriffen von Dschihadisten ausgesetzt war. Mit der Revolution habe die Bevölkerung ihre eigenen Verteidigungseinheiten aufgebaut. Der YPG-Sprecher erklärte: „Nach Beginn der Krise in Syrien gab es insbesondere während der Revolution keine Verteidigungskräfte, die die Bevölkerung schützten. So waren die Menschen schutzlos den Söldnern und Verbrecherbanden ausgeliefert. Während dieser Zeit kamen viele solche Gruppen in die Region, Gruppen wie al-Nusra und der IS (‚Islamischer Staat‘). Die kurdische Bevölkerung beschloss, sich vor diesen Angriffen zu schützen. So wurde eine regionale bewaffnete Selbstverteidigung aufgebaut. Das führte zur Gründung der YPG. Die YPG wurden mit den Herzen und Händen des Volkes gegründet und auf der Grundlage von Selbstverteidigung und Menschenrechten aufgebaut. Auf dieser Grundlage begannen sie mit der Verteidigung der Region. Tag für Tag wurden die YPG mehr zur Basis der Selbstverteidigung aller Kurdinnen und Kurden. Die YPG und die Frauenverteidigungseinheiten (YPJ) haben sich seit ihrer Gründung dieser Rolle und Mission verschrieben. Mit dem Fortschreiten dieses Prozesses wurde die Bedeutung der Selbstverteidigung der Region deutlich. Später nahmen auf derselben Grundlage auch die arabischen, assyrischen, armenischen und turkmenischen Bevölkerungsteile ihren Platz in den Reihen der Verteidigungskräfte ein.“
„Selbst Staaten mit hundertjähriger Erfahrung hatten keine Antwort auf den IS“
Elî wies darauf hin, dass selbst Staaten mit langer Erfahrung überrascht und hilflos auf den Vorstoß des IS vor zehn Jahren reagierten: „Sie gaben ihre eigene Bevölkerung in die schmutzigen Hände des IS. Unsere Verteidigungskräfte waren die ersten, die ihre Waffen gegen den IS richteten. Der Sieg von Kobanê war der Sieg dieser Selbstverteidigung. Auch Dêrik und Qamişlo wurden auf dieser Grundlage verteidigt.“
„Die Türkei und die SNA haben die Selbstverwaltung im Visier“
Als die HTS (Hayat Tahrir al-Sham) am 27. November ihren Vormarsch aus Idlib begann, griff die SNA parallel Gebiete der Demokratischen Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien (DAANES) an. Elî führte aus: „Auch Minbic wurde auf diese Weise angegriffen. Der Militärrat von Minbic leistete Widerstand von historischem Ausmaß. Dann wurde beschlossen, Minbic vollständig von bewaffneten Kräften zu räumen. Doch die Gegenseite setzte ihre Angriffe fort.“
„Die YPG ist die Verteidigungskraft des Volkes“
Die Aufforderung aus dem türkischen Außenministerium, die YPG sollten die Waffen niederlegen und sich auflösen, kommentierte Elî mit den Worten: „Die YPG sind keine Struktur, die von außen gegründet und hierhergebracht worden ist. Die YPG sind das Volk und dessen eigene Verteidigungskraft. Die Gründung der YPG war die Entscheidung dieses Volkes. Warum sagt er [Hakan Fidan] das? Weil er Kurden will, die Hilfe brauchen und keinen eigenen Willen haben, die ihre eigene Sprache und Kultur, ihre Identität nicht kennen. Wir sehen, dass die Gruppen, die die Türkei eigenhändig gebildet hat und mit denen sie agiert, Gruppen sind, die in der Welt als ‚terroristische Organisationen‘ eingestuft werden. Das sind diejenigen, die sie auf ihrer Seite sehen will. Die Türkei will, dass wir die Waffen niederlegen, damit unser Volk seine Würde, seine Zukunft und sein Leben verliert. Unser Volk soll der Gnade der Terroristen ausgeliefert sein. Nicht nur wir, sondern auch die hier lebenden Araberinnen und Araber, Kurdinnen und Kurden, wollen keine Entwaffnung.“
„Die Türkei versucht, das Chaos zu nutzen“
Zu den Interessen der Türkei sagte Elî: „Viele Parteien, Militärs, Diplomaten und internationale Vermittler fordern ein Ende des Krieges. Aber die Türkei versucht, das gegenwärtige Durcheinander auszunutzen, um die kurdischen Errungenschaften zu zerstören. Welche Kraft kann die Rechte und Errungenschaften bewahren und verteidigen? Nur die YPG und YPJ innerhalb der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) können dies tun. Denn sie haben einen sehr effektiven Kampf gegen den IS geführt. Die YPG und YPJ sind die einzigen disziplinierten und vom Volk anerkannten Kräfte im Nahen Osten. Das sieht auch die Türkei. Deshalb setzen sie ihre Söldner gegen sie ein.“
„Die Türkei muss erst ihre eigene kurdische Frage lösen“
„Wir lieben Waffen nicht, unsere Grundlage ist die Verteidigung“, sagte Elî und fuhr fort: „Wenn die neue Regierung in Damaskus auf die Forderungen der Völker Syriens eingeht, dann wollen wir nicht die Waffen erheben. Wir tragen die Waffen, um die Bevölkerung zu schützen. Wenn sich alle mit ihrer Kultur, ihrer Sprache und ihrer religiösen Identitäten an der neuen Regierung beteiligen, werden wir davon überzeugt sein können, dass es keine Waffen braucht, und wir werden entsprechend handeln. Wir akzeptieren keine Entscheidung, die andere in unserem Namen treffen. Wir haben die Türen des Friedens für alle weit geöffnet. Bis heute haben wir uns Syrien und unseren Nachbarn gegenüber moderat verhalten. Wir stehen hinter allen Botschaften unserer Kommandantinnen und Kommandanten und der Selbstverwaltung. Wir waren nie eine Bedrohung für irgendeine Kraft, im Gegenteil, wir verfügen über eine große Erfahrung für den Aufbau eines demokratischen Syriens. Wir sind die einzige Kraft, die seit 2011 vom Volk eingesetzt wurde. Die Forderung nach der Liquidierung der YPG ist daher eine Forderung nach der Auflösung des Volkes. Hakan Fidan sollte zuerst in die Türkei schauen. Erst muss die kurdische Frage in Nordkurdistan gelöst werden. Fidan sollte die Probleme in seinem Land nicht nach Syrien tragen.“
„Wir folgen dem Willen unseres Volkes“
Letzten Endes sei die Frage der Waffen die Angelegenheit des Volkes, sagte Elî und erklärte: „Das ist unsere innere Angelegenheit. Wir werden danach handeln, was unsere kurdische, arabische, assyrische, armenische und turkmenische Bevölkerung meint. Wir haben bis heute große Opfer gebracht; Hunderte Freundinnen und Freunde sind gefallen oder versehrt. Wir werden im Bewusstsein der Verantwortung, die auf unseren Schultern lastet, weiter kämpfen. Wenn die Türkei davon träumt, uns auseinander zu reißen, möchte ich noch einmal sagen, dass dies nicht gelingen wird. Egal, wie schwierig der Prozess ist, den wir durchlaufen, wir sind immer noch auf den Beinen. Wir haben Erfahrung und eine Strategie. Das syrische Volk glaubt an eine freie Zukunft. Wenn die Türkei ein Problem hat, soll sie es zuerst bei sich selbst lösen. Wir haben die Tür zum Frieden geöffnet und sind sehr ernsthaft auf sie zugegangen. Wir können zu dem Bündnis zurückkehren, das wir für das Süleyman-Şah-Mausoleum geschlossen hatten. Aber es gibt kein Entgegenkommen. Stattdessen wird versucht, die Söldner über den Euphrat zu bringen. Das ist Selbstmord. Wir werden das niemals akzeptieren.“
„Seid wachsam“
Elî rief abschließend zur Wachsamkeit auf: „Unser Volk muss wachsam gegenüber dieser Politik des Völkermords und der Massaker sein. In dieser historischen Phase müssen wir geeint sein. Wir müssen gemeinsam ein freies Syrien aufbauen. Die Völker Syriens haben genug von Krieg und Massakern.“