Der Interimsjustizminister der islamistischen Regierung in Syrien war wohl an Hinrichtungen von Frauen beteiligt. Seit gestern in Online-Netzwerken kursierende Videos zeigen offenbar Shadi al-Waisi dabei, wie er die Todesurteile wegen vermeintlichen Ehebruchs und Prostitution gegen zwei Frauen ausspricht. Kurz darauf werden die Frauen durch Kopfschüsse getötet. Umstehende Männer bejubeln die Erschießungen mit „Allahu Akbar“-Rufen.

Die Videos wurden vom syrischen Journalisten Rami Jarrah auf X und Bluesky verbreitet, berichtete auch das deutsche Nachrichtenportal T-Online. Die Aufnahmen sollen im Jahr 2015 in der Provinz Idlib im Abstand von einer Woche an zwei unterschiedlichen Orten entstanden sein. Die syrische Faktencheck-Organisation „Verify-Sy“ verglich die Tonspuren der Hinrichtungsvideos mit anderen Stimmaufnahmen von Al-Waisis und bestätigte, dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um den Interimsjustizminister handele.

„Verify-Sy“ gab zudem an, mehrere hochrangige Vertreter der neuen Damaszener Regierung mit den Videos konfrontiert zu haben. Ein Beamter habe sich demnach anonym zu den Vorwürfen geäußert: „Die Videos zeigen die Durchsetzung des Rechts unter den damaligen Umständen. Doch über diesen Punkt sind wir hinaus. Wir bekräftigen unsere Verpflichtung, Gerechtigkeit herzustellen und die Rechtsstaatlichkeit zu achten.“ Eine offizielle Stellungnahme der neuen Machthaber zu den Vorwürfen liegt bisher nicht vor.

Richter der Al-Nusra-Front

Die Provinz Idlib im Nordwesten Syriens wurde ab 2015 durch den syrischen Al-Qaida-Ableger Al-Nusra-Front beherrscht, die sich 2017 mit anderen Dschihadistenmilizen zur „Hayat Tahrir al-Sham“ (HTS) zusammenschloss. Unter deren Führung wurde Anfang Dezember das Regime der Familie Assad in Syrien gestürzt. Der 1985 geborene Al-Waisi, der einen Abschluss in islamischem Scharia-Recht hat, soll laut „Verify-Sy“ in Idlib Richter der Al-Nusra-Front gewesen sein.