Köln: Tausende bei Kundgebung gegen Massaker an Alawit:innen

In Köln haben zahlreiche Menschen gegen die jüngsten Massaker dschihadistischer Milizen an Angehörigen der alawitischen Minderheit in Syrien protestiert.

Vereinter Widerstand gegen genozidale Mentalität

In Köln haben mehrere tausend Menschen am Samstag gegen die jüngsten Massaker dschihadistischer Gruppierungen an Angehörigen der alawitischen Minderheit in Syrien protestiert. Ausrichter der Kundgebung am Heumarkt unter dem Motto „Stoppt den Völkermord an den Alawit:innen in Syrien“ waren die Alevitische Gemeinde Deutschland (AABF), die Föderation arabischer Aleviten in Europa (AAAF) und die Demokratische Aleviten-Föderation (FEDA). Zahlreiche weitere alawitische und alevitische Verbände sowie solidarische Gruppen beteiligten sich.

Mat: Massaker werden weitgehend ignoriert

AABK-Präsident Hüseyin Mat eröffnete die Kundgebung mit einem eindringlichen Appell. Er betonte, dass die internationale Gemeinschaft und regionale Akteure den Massenmord an der alawitischen Gemeinschaft an der syrischen Küste zwischen Latakia und Tartus weitgehend ignorieren würden. Er sprach insbesondere die Rolle der Türkei an, die seiner Ansicht nach hinter den Milizen stehe, die die Angriffe ausführen. Mat rief zur Einheit der verschiedenen Völker und Glaubensgemeinschaften in der Region auf, um gemeinsam gegen diese Gewalt anzutreten und Alevit:innen sowie Alawit:innen zu unterstützen, die in der Türkei und in Syrien unterdrückt werden. „Es braucht einen würdevollen Frieden, der nicht nur durch Diyarbakır führt, sondern auch durch Dersim und Hacı Bektaş. Dafür werden wir unsere Stimmen erheben“, so Mat.

Foto © Alevitische Gemeinde Deutschland (AABF)

AAAF fordert Fluchtkorridor Latakia bis Hatay

Ein weiterer Redner, Süleyman Serhan Narlı von der AAAF, wies auf die kontinuierliche Verfolgung der Alawit:innen seit Ausbruch des Syrien-Krieges hin, die 2011 in Dschisr asch-Schughur begonnen und ihren Höhepunkt in den jüngsten Massakern durch jene Milizen erreicht habe, die in Verbindung mit der aus dem Al-Qaida-Ableger „Hayat Tahrir al-Sham“ (HTS) hervorgegangenen Übergangsregierung stünden. „Seit Beginn der jüngsten Massaker sind nach unseren Informationen mehr als 7.000 Zivilist:innen an der syrischen Mittelmeerküste allein aufgrund ihres Glaubens getötet worden“, sagte Narlı. Danach könnten sich die aktuellen Opferzahlen verschiedener NGOs als untertrieben erweisen. Narlı forderte die Einrichtung eines humanitären Korridors von Hatay in der südlichen Türkei bis nach Latakia, um die alawitische Bevölkerung bei Bedarf zu evakuieren und Hilfeleistungen zu liefern. „Der systematischen Vernichtung der Alawit:innen in der Region muss ein Ende gesetzt werden“, forderte er.

Video © ANF

Çelik: Vereinter Widerstand gegen genozidale Mentalität

Demir Çelik, Ko-Vorsitzender des alevitisch-kurdischen Dachverbands FEDA, erinnerte an die historischen Hintergründe der anhaltenden Verfolgung der alevitischen und alawitischen Religionsgruppen. „Die derzeitigen Massaker sind die jüngsten in einer langen Reihe von Gräueltaten an unseren Gemeinschaften und zeigen, welche Art von Umgang die Herrschenden der Region mit uns pflegen“, sagte der kurdische Exil-Politiker und nannte als Beispiele die Aleviten-Verfolgung im Osmanischen Reich sowie die Massaker und Pogrome im 20. Jahrhundert in Qoçgirî, Dersim und Maraş. „Unsere Mörder haben wiederholt gezeigt, dass es bei dieser Gewalt keinen Wendepunkt oder eine rote Linie gibt“. Çelik betonte die Notwendigkeit eines vereinten Widerstandes gegen alle angreifenden Kräfte und den Aufbau einer demokratischen, solidarischen Gesellschaft, die dem Aufstieg von Faschismus und Dschihadismus entgegenwirken könne.

Kritik an Bundesregierung

Die Beteiligten der Demonstration unterstrichen in Sprechchören während der Kundgebung immer wieder die Bedeutung von Frieden und Solidarität. Sie forderten das sofortige Ende der Angriffe auf die Alawit:innen Syriens und die Schaffung eines sicheren Umfelds für alle Gemeinschaften in der Region. Die internationale Gemeinschaft wurde aufgefordert, endlich Maßnahmen zu ergreifen, um das brutale Vorgehen gegen diese religiöse Minderheit zu stoppen. Auf einem Plakat war ein Foto von HTS-Gründer und Syriens Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa mit der grünen Außenministerin Annalena Baerbock zu sehen. Mit Verweis auf mehrere Hilfsprojekte mit einem Volumen von 60 Millionen Euro, die die Bundesregierung nach dem Sturz von Ex-Diktator Baschar al-Assad in Syrien in Auftrag gegeben hatte, war auf dem Transparent zu lesen: „Sofortiger Stopp des syrischen IS-Gründers – Ich möchte nicht mit meinen Steuern den Terrorismus finanzieren“.