Während in der Türkei Vorgespräche für einen möglichen neuen Dialogprozess mit Abdullah Öcalan zur Lösung der kurdischen Frage laufen, droht der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan erneut mit einem Angriffskrieg gegen die Autonomieregion Nord- und Ostsyrien. Man werde „Terror“ in der Region nicht zulassen, sagte Erdoğan mit Blick auf die Volksverteidigungseinheiten (YPG) nach einer Kabinettssitzung in Ankara.
Es sei nicht hinnehmbar, dass Syrien „zerfällt“ und die einheitliche Struktur des Landes gefährdet werde, sagte Erdoğan weiter. Die Türkei habe vielfach unter Beweis gestellt, dass sie kompromisslos bereit sei, ihr Überleben zu sichern – wenn es so weit sei, könne man „eines Nachts“ kommen, fügte er hinzu. Mit diesem Ausdruck hatte der Langzeitherrscher schon in der Vergangenheit immer wieder gedroht, in das Nachbarland einzumarschieren.
Invasionen, Besatzungskriege und laufende Drohungen
Die Türkei ist gemeinsam mit ihrer dschihadistischen Proxy-Truppe „Syrische Nationalarmee“ (SNA) Besatzungsmacht in Syrien. Zwischen 2016 und 2019 ist der NATO-Staat gleich vier Mal im westlichen Kurdistan, auch bekannt als Rojava, einmarschiert, und hat weite Teile im Grenzstreifen besetzt – darunter Efrîn (Afrin), Serêkaniyê (Ras al-Ain) und Girê Spî (Tall Abyad) – um eine sogenannte „Sicherheitszone“ zu etablieren und die Demographie zu seinen Gunsten zu verändern. Seither führt die Türkei einen unbeachteten hybriden Krieg gegen die Demokratische Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES).
SNA-Offensive in Minbic
Im Windschatten der Offensive der Miliz Hayat Tahrir al-Sham (HTS), die Diktator Baschar al-Assad Anfang Dezember zum Sturz brachte, erweitere Ankara seine illegale Besatzungszone in Syrien und besetzte zusammen mit seinen Söldnern die bis dato selbstverwalteten Städte Tel Rifat und Minbic und bedroht aktuell Kobanê. Die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) haben vor rund zwei Wochen eine Gegenoffensive gestartet, um die SNA aus den besetzten Gebieten zu vertreiben.
Foto: Protest gegen Invasion von Serêkaniyê im Oktober 2019 © Kollektiv Şopdarên Rojê ya Çandê