Der MSD und der demokratische Kampf im Lösungsprozess – Teil 1
Der Demokratische Syrienrat (MSD) vertritt viele verschiedene gesellschaftliche Komponenten, Völker und Minderheiten in Syrien.
Der Demokratische Syrienrat (MSD) vertritt viele verschiedene gesellschaftliche Komponenten, Völker und Minderheiten in Syrien.
Auf Einladung der Bewegung für eine Demokratische Gesellschaft (TEV-DEM) fand im Dezember 2015 in Dêrik ein Kongress vieler Vertreter*innen der Opposition in Syrien zur Gründung des MSD statt. Der dritte und letzte Kongress des MSD wurde am 16. Juli 2018 in Tabqa durchgeführt. Auf der Versammlung wurden Riyad Derar und Emine Omar als Ko-Vorsitzende des MSD gewählt.
Der 3. MSD-Kongress fiel in eine Zeit, in der die ersten Gespräche mit der syrischen Regierung stattfanden und regionale sowie internationale Kräfte die Idee einer Roadmap aufwarfen, mit der sie die Opposition in Syrien für ihre Interessen benutzen wollten. Zunächst aber ein Rückblick auf die Geschichte des Kampfes für eine demokratische Lösung in Syrien:
Der Kongress von Kairo und der Nationalismus der syrischen Koalition
Vom 8. bis 9. Juni 2015 fand in der Hauptstadt Ägyptens der sogenannte „Kairo-Kongress“ der syrischen Opposition statt. An diesem Kongress nahmen die Syrische Nationale Koalition (ETILAF), der Kurdische Nationalrat (ENKS), Hayat al-Tensiq, die Demokratisch-Autonome Selbstverwaltung, Vertreter des Kurdistan Nationalrats in Syrien, Mitglieder zivilgesellschaftlicher Organisationen, politische Aktivist*innen und unabhängige Politiker*innen teil. Insgesamt waren es etwa 200 Delegierte. Der Kongress fand in einer besonders angespannten Lage statt. Zur Zeit des Kongresses hatten oppositionelle bewaffnete Gruppen einen Großteil Syriens unter ihre Kontrolle bekommen, die YPG/YPJ hatten in Kobanê einen frischen Sieg errungen. Aufgrund der Eroberung großer Gebiete durch den IS und andere bewaffnete Gruppen befand sich der syrische Staat in einem chaotischen Zustand.
Da auf dem Kongress lange Diskussionen und Bewertungen stattfanden, wurde die 17 Punkte umfassende Abschlussresolution durch einen Ausschuss verfasst, an dem alle Parteien beteiligt waren. Im Ausschuss wurde insbesondere der 12. Artikel des Entwurfs, der sich auf die Kurden bezog, ausführlich diskutiert. Nach Aussage eines teilnehmenden Delegierten haben insbesondere ETILAF und weitere Kreise die Abschlussresolution blockiert und nicht akzeptiert.
Nach den Angaben desselben Delegierten zog sich die Abordnung der Demokratisch-Autonomen Selbstverwaltung aufgrund der Haltung und der Intervention nationalistischer Kreise aus dem Kongress zurück. Dann kam es zu Verhandlungen, in denen Einschätzungen zu den Rechten der Komponenten der nordsyrischen Gesellschaft diskutiert wurden. Mustafa Bali, Teilnehmer der Delegation der Demokratisch-Autonomen Selbstverwaltung, sagte, dass hinter den ergebnislosen Diskussionen und der Unfähigkeit, sich zu einigen, der Nationalismus bestimmter Oppositioneller stehe und insbesondere ETILAF, Heyet al-Tensiq und der ENKS die Einschätzungen von kurdischer nicht akzeptiert hätten.
Am Ende des Kongresses wurde ohne die Teilnahme von ETILAF und anderen nationalistischen Kreisen eine Abschlusserklärung, ein Vorschlag für eine politische Lösung und eine Roadmap vorgestellt. Laut dieser Roadmap sollte eine provisorische Verwaltung für Syrien geschaffen werden. In dem Dokument ist die Rede von der Schaffung eines dezentralen und demokratischen Systems in Syrien, der Gleichstellung von Frauen, dem Schutz der Rechte von Kindern, der Rechte der Kurden und aller Komponenten der syrischen Gesellschaft, sowie der Gewaltenteilung.
Perspektiven von Riad
Vom 8. bis 10. Dezember 2015 fand daraufhin die Konferenz von Riad in Saudi-Arabien statt, auf der unter anderem die Zusammensetzung einer Abordnung für Gespräche mit der syrischen Regierung bestimmt werden sollte. An der Konferenz nahmen 100 Delegierte von ETILAF und 15 Delegierte von Dschaisch al-Islam, Ahrar al-Sham und anderen bewaffneten Gruppen teil. Die Mehrheit der Opposition hatte sich von der Konferenz zurückgezogen. So erklärte der damalige Vorsitzende der Koalition für einen Demokratischen Wandel, Haytham Manaa, seinen Rückzug wegen der Teilnahme von Ahrar al-Sham.
Nicht eingeladen zu der von Saudi-Arabien und Katar unterstützten Konferenz waren die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD), die Demokratisch-Autonome Selbstverwaltung und die Vertreter der kurdischen sowie aramäischen und assyrischen Bevölkerung. Die Kurden wurden nur durch den in ETILAF vertretenen Kurdischen Nationalrat (ENKS) pro forma repräsentiert. Stattdessen eingeladen waren die von Saudi-Arabien als sogenannte Revolutionäre anerkannten Gruppen Ahrar al-Sham, al-Dschabhat al-Jenubiye und Dschaisch al-Islam, die nicht davor zurückgeschreckt hatten, gegen die Zivilbevölkerung in Aleppo und Şêxmeqsûd Chemiewaffen einzusetzen. Am Ende der Konferenz wurde eine Delegation vorgestellt, allerdings löste sich diese aufgrund von Interventionen äußerer Mächte und des Ausschlusses der Kurden wieder auf.
Zu dem Kongress von Riad gab es verschiedene Meinungen. So stellte der Iran fest, dass diese Konferenz die Friedensgespräche mit der syrischen Regierung sabotiere, da er außerhalb des Abkommens von Wien stattgefunden habe. Russland bewertete die Konferenz ebenfalls negativ. Bashar Assad sagte sogar, dass hinter der Zusammenkunft der Plan der USA und Saudi-Arabiens stünde, „terroristische Gruppen in die Verhandlungen einzubeziehen.“
Die auf Wunsch von ETILAF ausgeladene Demokratisch-Autonome Selbstverwaltung erklärte, dass sie die Ergebnisse der Konferenz und die dort getroffenen Entscheidungen in keiner Weise akzeptieren werde.
Auch alle politischen Organisationen in Nordsyrien reagierten desillusioniert auf die Einladungspolitik des Vorbereitungskomitees der Konferenz von Riad. Sie kritisierten die Unterstützung terroristischer Gruppen. Mihyedîn Şêx Ali von der Koalition für einen demokratischen Wandel Syriens und Vorsitzender der Syrischen Demokratischen Einheitspartei positionierte sich ebenfalls in einer öffentlichen Erklärung gegen die Konferenz.